Viele Anleger, die in den vergangenen Monaten Fonds wie den BGF Global Allocation, M&G Global Basics oder JPM Emerging Markets Equity gekauft haben, dürften mit ihrer Entscheidung hadern. Und das, obwohl diese Evergreen-Fonds in den vergangenen Jahren häufig in den Performance-Rankings weit oben standen und auch 2012 bislang gut dabei waren. Vermutlich werden etliche dieser Neuanleger beim nächsten Rückschlag an den Märkten ihren Fonds schleunigst verkaufen. Und sich im Nachhinein erneut ärgern.
Warum das so ist? Die Antwort ist einfach: Die meisten Anleger waren zu dem Zeitpunkt, als die gute Performance des betreffenden Fonds zustande kam, nicht dabei. Sie haben oft dann gekauft, als es eigentlich geboten gewesen wäre, Gewinne mitzunehmen. Umgekehrt verkaufen viele Anleger ihre Fonds dann, wenn sich ein Einstieg lohnen würde. Der Grund für dieses scheinbar erratische Verhalten hat viel mit Anlegerpsychologie, aber auch der Beschaffenheit des Fondsvertriebs in Europa zu tun.
Die Crux mit dem Herdentrieb – auf Marktebene
Doch zunächst alles auf Anfang. Kommen wir zu einer Situation, die wohl jeder Anleger erlebt hat. Man geht zu einer Bank oder einem Finanzvermittler und lässt sich in Sachen Geldanlage beraten. Am Ende kommt die unvermeidliche Frage, in welches konkrete Finanzinstrument zu investieren sei. Bei Fonds werden gerne die heißen Performance-Renner der vergangenen 12 Monate empfohlen. Dann heißt es oft: „Ich kann Ihnen Fonds XY empfehlen, der ist super gelaufen“. Dieses Verkaufsargument ist mittlerweile ziemlich abgedroschen. Sie können es leicht mit der Frage aushebeln: „Garantieren Sie mir denn, dass dieser Fonds auch im nächsten Jahr so gut laufen wird?“. Damit signalisieren Sie, dass Sie die goldene Regel „Kaufe nie die Vergangenheits-Performance“ verinnerlicht haben. Natürlich wird ein seriöser Berater diese Frage verneinen (Wenn er mit „ja“ antwortet, sollten Sie ganz schnell das Weite suchen!). Wer derart vorgeht, hatte zumindest realistische Chancen, 1999 nicht den Verlockungen der Tech-Bubble zu erliegen und nicht im Jahr 2006 einen Solarfonds zu kaufen.
Die Crux mit dem Herdentrieb – auf Fondsebene
Glückwunsch, die erste Hürde ist genommen, und Sie haben gute Chancen, nicht blind in einen überhitzten Markt zu investieren! Doch es gibt eine andere, viel subtilere Fußangel zu beachten. Häufig werden im Vertrieb massiv solche Fonds gepusht, die solide Investmentprozesse, eine gute Performance-Historie und einen talentierten Fondsmanager aufweisen. „Dieser Fonds wird heute überall gekauft, das ist ein ganz großer Anlegerfavorit!“, heißt es dann zur Bekräftigung. Dieses Argument bekommt man nicht nur im Beratungsgespräch in der Bank oder Sparkasse zu hören. Hinter den beliebten Top-Seller-Listen der Direktbanken und Online-Fondsvermittler steht nichts anderes als die verkappte Empfehlung: „Kaufen Sie, was alle kaufen!“.
Doch damit werden Sie höchstwahrscheinlich danebenliegen. Denn diese Argumente sind nichts anderes als ein weiterer Versuch, Ihnen Vergangenheits-Performance zu verkaufen. Nur auf einem etwas höheren Niveau. Selbst wenn Sie die vermeintlich heiße Solar-Story vermieden haben und auf einen vermeintlich sicheren Fonds setzen, könnten Sie in eine prozyklische Anlegerfalle tappen, deren Ergebnis eine unbefriedigende Performance sein wird. Auch hier liegt der Grund im falschen Investitionszeitpunkt. Auf den Punkt gebracht: Ein guter Fonds, der zu einem falschen Zeitpunkt gekauft oder verkauft wird, ist für den Anleger ein schlechtes Investment.
Die Mechanismen des Fondsmarkts erkennen
Es wäre unfair, das Fehlverhalten von Investoren einzig auf ihr Unwissen zu schieben. Schließlich hilft der Vertrieb kräftig mit. Ob in Zürich, Bern, Frankfurt, Köln oder Wien: Der Fondsmarkt funktioniert überall nach der identischen Regel: Fonds werden verkauft und nicht gekauft. Soll heißen: Ob ein bestimmtes Produkt in Anlegerportfolios landet, entscheidet in der Regel nicht der Investor, sondern die Vertriebssteuerungs-Einheit einer Bank. Gekauft wird das, was der Berater empfiehlt, und nicht, was der Anleger braucht. Das erfreut die Bank oder den Berater (sie kassieren Kickbacks) und auch den Fondsanbieter macht das steigende Fondsvermögen glücklich, da auch seine Vergütung exponentiell mit steigendem Fondsvolumen wächst.
Sie als Kunde haben indes häufig keine Freude daran, der Investoren-Herde zu folgen, denn die Chance ist groß, dass Sie als Späteinsteiger eine unbefriedigende Rendite vereinnahmen werden. Zur Illustration nehmen wir ein einfaches Beispiel: Ein fiktiver Anleger investiert in einen Fonds zum Jahresanfang 10.000 US-Dollar (oder Euro). Das Produkt hat zu diesem Zeitpunkt ein Vermögen von gut 2,7 Milliarden Euro. Am Jahresende hat der Fonds um 3,6% zugelegt. Sehen wir uns die Performance des Fonds in der Tabelle etwas genauer unten an. Nach einem kräftigen Performance-Plus bis Ende Juni musste der Fonds in den letzten vier Monaten des Jahres hohe Preisabschläge hinnehmen. Ein Anleger, der also im vierten Quartal eingestiegen ist, wird sich Ende Dezember logischerweise nicht über ein Plus von 3,6% freuen, sondern unter dem Strich ein dickes Minus verbuchen.
Tabelle 1: Prozyklick für Anfänger: aus 3,6% Plus mache 10,98% Minus
Auch wenn es den betreffenden Späteinsteiger wenig trösten dürfte: Es handelt sich um ein typisches Massenphänomen. Die meisten Anleger liegen beim Timing daneben. Die Folgen lassen sich ziemlich genau nachvollziehen. Kommen wir zu unserem Fonds im oberen Beispiel. Er weist per Ende Dezember ein Vermögen von 5,5 Milliarden Euro aus. Das ist rund doppelt so viel wie zum Jahresanfang. Dieser Vermögensanstieg ist natürlich nicht durch die Performance von 3,6% zu erklären: Vielmehr ist unterjährig viel Geld in den Fonds geflossen. Das bedeutet, dass der durchschnittliche Anleger keinen guten Schnitt gemacht hat. Die Rendite des durchschnittlichen Anlegers lässt sich mit dem Morningstar Investor Return genau nachmessen. Im Beispiel hat er 10,98% verloren. Da der Fonds überproportional viele Netto-Neugelder ab August verzeichnet hat, fällt die gewichtete Rendite für den Durchschnitt aller Anleger deutlich schlechter aus als für jene, die schon zum Jahresanfang „dabei waren“.
Morningstar Investor Return misst die geldgewichtete Anlegerrendite
Der Morningstar Investor Return bringt Veränderungen im Fondsvermögen als Faktor bei der Berechnung des Anlegererfolgs mit ins Spiel. Diese Berechnung gilt nicht für einen speziellen Anleger, sondern ist die geldgewichtete Rendite des Durchschnittsanlegers in einem Fonds. (Lesen Sie mehr zur Methodologie des Morningstar Investor Return hier).
Um die Folgen von prozyklischem Timing zu zeigen, haben wir anhand einiger beliebter bzw. mit guten Morningstar-Ratings versehenen Fonds eine kleine Rechnung aufgemacht. Die Tabelle unten zeigt den Unterschied zwischen der geldgewichteten Rendite, ausgedrückt im Morningstar Investor Return (rechte Spalte für den jeweiligen Zeitraum), und der Fonds-Performance seit 2010 (jeweils die linke Spalte). Dabei sind die Spalten, in denen der Morningstar Investor Return aufgeführt ist, farblich unterlegt.
Die Signalfarbe rot zeigt an, dass Anleger im Schnitt zu einem falschen Zeitpunkt eingestiegen sind. Hier liegt der Morningstar Investor Return deutlich unter der Performance des Fonds. Eine orangefarbene Markierung deutet an, dass der Durchschnittsanleger kein wesentlich schlechteres Geschäft in dem Zeitraum gemacht hat als der Buy-and-Hold-Anleger – hier liegt der Morningstar Investor Return etwa gleichauf mit der Fonds-Rendite. Eine grüne Markierung zeigt indes, dass der durchschnittliche Anleger ein glückliches Händchen beim Timing hatte.
Tabelle 2: Wie viel das Market Timing Anleger kostet
Auf den ersten Blick wird deutlich, dass Anleger zumeist kein Glück beim Timing hatten. Nur in 3 Fällen aus dem Jahr 2010 war dies der Fall. Zumeist hat der Durchschnittsanleger eine unbefriedigende Rendite verzeichnet. Beispiel PIMCO GIS Total Return Bond: Der mit „Gold“ bewertete Fonds brachte es in den vergangenen 12 Monaten auf ein Plus von sehr ansehnlichen 25,46%. Da dieser Fonds in den vergangenen Monaten extrem stark nachgefragt war, partizipierte der Durchschnittsanleger freilich nur unterproportional von der guten Performance. Ähnlich ist der Fall beim Rentenfonds ACMBernstein American Income Portfolio gelagert. Er verzeichnete bei einem Fondsvermögen 9,8 Milliarden Euro in den vergangenen 12 Monaten Mittelzuflüsse von 5,16 Milliarden Euro. Diese Neuanleger partizipierten unterdurchschnittlich an der sehr starken Performance der vergangenen 12 Monate.
Umgekehrt (und zugleich dennoch genauso ärgerlich) verhält es sich beim größten Rentenfonds Europas. Der 33 Milliarden Euro schwere Templeton Global Bondmusste in diesem Jahr knapp 2 Milliarden Euro an Abflüssen hinnehmen. Der Grund dürfte an der Enttäuschung vieler Anleger liegen, die 2010 und auch 2011 dem Herdentrieb gefolgt waren und den Fonds kauften. Angelockt von der guten Performance des Jahres 2009 investierten Anleger 2010 absurd hohe 14,41 Milliarden Euro in den Templeton-Fonds. Die extrem hohen Zuflüsse setzten sich bis zur Jahresmitte 2011 fort; bis Juni 2011 flossen dem Fonds noch einmal 5,6 Milliarden Euro netto zu. Die Crux an der Sache: 2011 gingen etliche Wetten von Templeton-Fondsmanager Michael Hasenstab nicht auf. Der Fonds trat mit einem Mini Plus von 0,1 % auf der Stelle und zählte damit zu den schlechtesten Produkten seiner Kategorie 2011. Es folgte die oben erwähnte Abstimmung der Anleger mit den Füßen. Das ist bedauerlich, denn Geduld hätte sich bei dem mit „Silver“ nach wie vor von unseren Analysen sehr gut bewerteten Fonds ausgezahlt. Er startete 2012 ein sehr beeindruckendes Comeback und zählte per Ende Juli zu den besten 10% der global anlegenden Rentenfonds.
Interessant ist, dass sich das Bild 2011 gegenüber 2010 deutlich verändert hat. Hintergrund ist hier die Entwicklung des Schweizer Franken seit seiner faktischen Koppelung an den Euro: Profitierten Schweizer Investoren noch 2011 (und auch vorher) von der starken Entwicklung gegenüber dem britischen Pfund, Euro und US-Dollar, so ist das Ergebnis seit 12 Monaten wesentlich von der gezielten Schwächung des CHF geprägt.
Und die Moral der Geschichte? Vorsicht bei den Verkaufsschlagern!
Die oberen Beispiele zeigen, dass der Hang zu prozyklischen Investments mehrere Facetten hat. Anleger sollten zum einen grundsätzlich vorsichtig sein, den aktuellen Trends am Kapitalmarkt zu folgen. Denn ein Trend ist dann ein Trend, wenn er als solcher erkannt wurde, und dann haben die betreffenden Assets ihre beste Performance in der Regel bereits hinter sich. Zum anderen sollten Sie auch von Bestseller-Fonds, die häufig auch gute Ratings halten, keine Wunder erwarten. Auch ein guter Fondsmanager wird sich nicht von seinem Markt lösen können, wenn es stürmisch wird. Die bei Direktbanken häufig aufzufinden Listen der „Anlegerfavoriten“ sind in Wahrheit nur Vertriebs-Rankings und sollten keinesfalls als Auswahlkriterium für ein Investment verstanden werden. (Sie sind am ehesten noch als Kontraindikatoren zu verstehen oder, freundlicher formuliert, als ein nützliches Instrument, um das Anlegersentiment am Markt zu verstehen.)
Wir plädieren dafür, dass Sie bei ihren einmal - fundiert! - getroffenen Allokations-Entscheidungen bleiben sollten und nicht zu oft die Manager in Ihrem Portfolio umschichten, solange sich nicht entscheidende Parameter bei Ihnen (eine neue finanzielle Situation) oder bei den von Ihnen gewählten Fonds (Fondsmanager- oder Strategiewechsel) verändern. Unsere Morningstar Analyst Ratings geben Ihnen wertvolle Hinweise zu der Qualität eines Fonds bzw. Fondsmanagers.
Ein gutes Beispiel für den Mehrwert unserer Qualitativen Analysen liefert das Beispiel des bereits erwähntne Templeton Global Bond Fund. Wir haben seit geraumer Zeit darauf hingewiesen, dass der Fonds eine attraktive Wahl für Anleger ist, die das Risiko des Fonds verstehen (lesen Sie mehr hier). Dass sich Michael Hasenstab, der den Fonds seit 2002 verantwortet, wenig um Benchmarks schert und gerne in Emerging Markets und Unternehmensanleihen investiert, bedeutet, dass das Risikoprofil des Fonds anders als übliche global anlegende Rentenfonds ausfällt. Dass der Manager diese Risiken überwiegend im Griff hat, schließt zwischenzeitliche Schwächephasen nicht aus, wie das Jahr 2011 gezeigt hat. Vielleicht hätten ja viele Anleger bei entsprechendem Wissen über diese Risiken 2010 den Fonds nicht gekauft? Umgekehrt hätten viele, die über die Chancen dieses Fonds Bescheid wussten, in diesem Jahr vermutlich nicht verkauft.
Unsere qualitativen Ratings können allerdings wenig weiterhelfen, wenn Sie Ihr Portfolio häufig umschichten, um auf wechselnde Marktphasen zu reagieren. Falsches Timing führt auch bei guten Fonds zu suboptimalen Ergebnissen. Wir bewerten mit einer fundamentalen Analyse Personen, Investmentprozesse sowie Performance-Muster eines Fonds. Gute Ratings sind Ausdruck der Überzeugung unserer Fondsanalysten, dass ein Fonds das Zeug hat, mittel- und langfristig outzuperformen. Eine Anleitung für Market-Timing sind unsere Ratings nicht.
Natürlich könnte auch die Fondsindustrie dazu beitragen, die Zahl der vielen Timing-Unfälle zu reduzieren. Es wäre wünschenswert, dass die Fondsanbieter mit rechtzeitigen Fonds-Schließungen den üblichen Vertriebsexzessen vorbeugen würden. Solange die Vergütung der Fondshäuser (und auch des Vertriebs) am verwalteten Vermögen bemessen wird, besteht allerdings wenig Anlass zur Hoffnung. In erster Linie liegt es also an Ihnen, den Anlegern, die Mechanismen im Vertrieb zu durchschauen - und durch eine disziplinierte Investmentstrategie den Verlockungen des Market Timings zu widerstehen.