Was halten die nächsten Jahre für Anleihen bereit?

Wir sprachen mit Rick Rieder, Chief Investment Officer für Fixed Income bei BlackRock, über das Umfeld für Anleihen und wo er Chancen sieht.

Holly Cook 30.06.2011
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In den letzten Tagen war viel von einem Nachruf auf die USA die Rede.  Glauben Sie, dass sich die US-Wirtschaft grundlegend geändert hat, oder sind wir in einer Ausnahmesituation?


Rieder: Ich denke, die Ökonomen lagen mit ihren Projektionen für das US-Wachstum zu hoch. Wenn Sie zwei, drei Monate zurückgehen, gab es die Annahme, dass ein Wachstum von 4% -5% machbar wäre - und dies in einer Wirtschaft, die enorm verschuldet ist und eine hohe strukturelle Arbeitslosigkeit aufweist, die meiner Meinung nach in absehbarer Zeit nicht verschwinden wird. Ich glaube, das Pendel schlägt jetzt in die andere Richtung, indem die Ökonomen nun ins andere Extrem wechseln und  so viel von dem Wachstum schwinden sehen, dass sie eine Double-Dip-Rezession erwarten. Auch das glaube ich so nicht.

Ich glaube, dass wir eine Wirtschaft sehen werden, die über eine lange Zeit mit 2% bis 3% wachsen wird. Ich denke, viele Leute nutzen den Begriff der finanziellen Repression wegen des hohen Leverage, der Arbeitslosigkeit und des schwierigen Immobilienmarktes. Diese Probleme werden das Wachstum für einen langen Zeitraum moderat halten. Aber glaube ich deswegen, dass das Ende der USA bevorsteht, oder dass der Dollar auf Null fallen wird, wie das einige Menschen meinen? Absolut nicht. Die USA haben unglaubliche Ressourcen und immense Fähigkeiten Steuern zu erheben sowie innovative Ressourcen, die erschlossen werden können und eine wachsende Wirtschaft, und der Unternehmenssektor ist so stark wie jeher in der Geschichte. Ich glaube also, dass wir lediglich ein unbefriedigendes Wachstum sehen. Wir würden gerne 4% bis 5% Wachstum sehen, aber das werden wir nicht ganz erhalten.


Nun, ich glaube auch, dass Sie ein wenig zuversichtlicher für US-Staatsanleihen sind als vielleicht manche Ihrer Kollegen. Gewichten Sie diese neutral oder sind Sie untergewichtet?


Rieder: Also, wir waren eher positiv für US-Staatsanleihen gestimmt, als die 10-jährigen 50-60 Basispunkte höher rentierten, und wir sprachen darüber, dass wir wieder kaufen würden, falls die Rendite für 10-jährige Treasuries wieder auf 3,625% bzw. 3,75% ansteigt. Aber auf dem derzeitigen Niveau haben wir schon viel gesehen. Ich glaube sogar, dass wir noch niedrigere Renditen sehen werden und denke, dass wir wohl auf 2,75% für 10-jährige Treasuries gehen. Ich glaube aber nicht, dass viel Bewertungsspielraum besteht, wenn man US-Staatsanleihen auf diesem Level kauft. Ich glaube, dass wir uns für lange Zeit in einer bestimmten Bandbreite bewegen werden. Es gibt ein paar Faktoren, die dafür eine Rolle spielen; die moderate wirtschaftliche Lage ist einer davon. Wir sind der Meinung, dass die Inflation nur auf Grund der Rohstoffpreise gestiegen ist. Es gibt nämlich keine greifbare Inflation in der gesamten Wirtschaft. Ich glaube also nicht, dass dies die Renditen ansteigen lässt.

Ich denke, da ist noch ein großer Faktor im Spiel, über den die Marktteilnehmer aber nicht sprechen: Die demografische Entwicklung in den USA und vielen anderen Teilen der Welt. Wir haben eine alternde Bevölkerung, und diese alternde Bevölkerung geht dazu über, mehr Anleihen-Produkte zu kaufen - und das wird eine lange Zeit so bleiben. Die Babyboomer erreichen jetzt ein Alter zwischen 45 und 65. Sie werden bald keine Häuser, Autos und Gitterbettchen mehr kaufen, sondern gehen dazu über, festverzinsliche Anlagen für ihr Rentenalter oder den vorgezogenen Ruhestand zu erwerben.
Ich glaube, das wird die Renditen über einen langen Zeitraum hinweg nach oben hin begrenzen, und ich möchte noch einen letzten Punkt erwähnen: Das letzte Jahrzehnt sah für Festverzinsliche ganz anders aus als was Sie in der kommenden Dekade sehen werden, denn wir hatten ein Umfeld mit hohem Leverage. Sie konnten zahlreiche Anleihen-Produkte mit Hebelwirkung kaufen, wie Konsumenten-, Finanz- oder Immobilienkredite. In den kommenden fünf oder 10 Jahren werden wir uns entschulden. Das bedeutet, es gibt weniger Anleihen-Instrumente. Wenn es weniger gibt, sorgt die Dynamik von Angebot und Nachfrage dafür, dass sich die Renditen für längere Zeit auf einem moderaten Niveau halten. Glaube ich übrigens, dass die Renditen Ende des Jahres höher sein werden? Ja! Aber es handelt sich lediglich um eine Tendenz, nicht um eine signifikante Aufwärtsbewegung.

Lassen wir nun US-Treasuries beiseite; darf ich Sie bitten, uns auf eine Art globale Rundtour zu nehmen: gibt es Bereiche, bei denen Sie herausragende Chancen sehen? Emerging Markets oder Lokalwährungsanleihen zum Beispiel, ist hier noch Werthaltigkeit zu finden?


Rieder: Ja. Ich würde sagen, dass wir die Emerging Markets immer noch mögen. Ich beziehe mich dabei auf meinen vorherigen Kommentar über die Dynamik der Entschuldung. Wir glauben, dass die entwickelte Welt Schulden abbauen muss, nicht nur die USA, sondern auch Europa. Auch Japan hat einen sehr hohen Verschuldungsgrad. Wo liegt also unsere Chance? Die aufstrebenden Länder sind heute nicht überschuldet. Tatsächlich sind sie in allen Bereichen zu wenig verschuldet, im Finanz-, Staats- und Konsumbereich. Es werden aus den Emerging Markets also eine Menge Chancen erwachsen. Kurz und gut, wir mögen die Schwellenländer.
Wir sind insofern ein bisschen optimistischer heute, als dass es eine Verschärfung geben muss, weil die Inflation deutlich angestiegen ist. Einiges davon – so würden manche argumentieren – kommt aus den USA bzw. der US-Geldpolitik. Aber ja, wir denken, dass die Schwellenländer attraktiv sind.
Wir glauben auch, dass ein guter Teil des US-Rentenmarktes - wie zum Beispiel High-Yield-Anleihen - jetzt unter Druck gerät, sobald QE2 endet. Einige Non-Agency-Mortgages oder Commercial Mortgage-Backed Securities werden wieder attraktiv.
Vor drei oder sechs Monaten liefen wir in eine Richtung, in der sich die Risikoaufschläge verringerten und Bewertungsspielräume schrumpften, und der einzige Weg, Mehrwert zu schaffen ging über das Hebeln. Das ist genau das, was in 2006 und 2007 passiert ist. So wollen wir aber nicht investieren. Wir würden uns freuen, wenn die Bewertungen wieder zurück kämen, und wir sehen bereits, dass diese Bewegung beginnt.

Wie beurteilen Sie das Umfeld für Unternehmensanleihen? Gibt es dort Bereiche, wo Sie eher opportunistisch sind? Ich bin vor allem am Banken-Sektor interessiert. Ich frage mich, ob die Tatsache, dass Banken jetzt gezwungen sind mehr Eigenkapital zu halten, dafür sorgt, dass sie aus der Anleihen-Perspektive noch attraktiver werden? 

Rieder: Ja, wir denken heute, dass der Finanzsektor in den letzten paar Wochen unter Druck war. Die Erhöhung der Eigenkapitalanforderungen im Bankensystem – nicht nur in den USA, sondern auch in Europa und anderen Teilen der Welt – bedeutet, dass festverzinsliche Anlagen sicherer werden. Wir haben daher in den letzten fünf Tagen begonnen zu kaufen. Angefangen haben wir mit Finanztiteln, die signifikant gesichert sind.
Die Aktien-Story ist eine ganz andere als die Renten-Story, und ich glaube, dass die Märkte darauf schauen, wenn Aktien fallen. Das bedeutet, dass Finanztitel riskanter sind. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das so stehenlassen kann, denn die erhöhte Kapitalisierung und das regulatorische Umfeld bedeuten, dass man sicherere Assets hält, und so glauben wir, dass Finanztitel sinnvoll sind, nicht nur unbesicherte vorrangige Credits, sondern auch die Hybrid-Emissionen, die auf den Markt gekommen sind. Wir denken, dass es davon zukünftig mehr geben wird, da Banken mehr Kapital benötigen.

Wir sind der Meinung, dass Europa einer der attraktivsten Märkte ist, und dort mehr Bankkapital auf den Markt kommt. Ich glaube also, dass Finanzwerte sehr attraktiv geworden sind, und zwar buchstäblich in den letzten zwei oder drei Wochen. So ist dies einer der Bereiche, in denen wir beginnen, zu investieren.

Danke für das Gespräch.

Dieses Interview erschien ursprünglich am 22. Juni 2011 auf www.morningstar.co.uk.

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Über den Autor

Holly Cook

Holly Cook  is Manager, Morningstar EMEA Websites