Die Auswahl der Titel, die einen Aktienindex bilden, erfolgt unter Berücksichtigung von verschiedenen Kriterien wie Marktkapitalisierung, Sektor oder Geografie. De facto wird die überwiegende Anzahl von Indizes (und auch die meisten Aktien-ETFs) auf Basis der Marktkapitalisierung der enthaltenen Einzeltitel zusammengestellt. Grund hierfür: Diese Methode stellt die einfachste Möglichkeit dar, Investoren eine entsprechende Anlagemöglichkeit zu bieten. Das Ziel eines Index ist es, die Wertentwicklung eines zugrunde liegenden Marktes abzubilden. Aus dieser Perspektive erscheint es sinnvoll, dass eine große Gesellschaft wie Royal Dutch Shell (RDSB) mit weltweiten Geschäftsaktivitäten stärker gewichtet wird als ein kleiner Gas- und Ölproduzent, der nur auf einem Gebiet signifikante Geschäfte betreibt.
Zudem gibt es auch akademische Gründe für die Popularität einer marktkapitalisierten Gewichtung. Gemäß dem bekannten Capital Asset Pricing Model (CAPM) steigert jeder einem Portfolio beigefügte Titel die Diversifikation (so lange bis kein Titel mehr hinzugefügt werden kann). Ein Portfolio, das in der Folge den gesamten „Markt“ abbildet, bietet dann das beste Risiko-Ertrags-Verhältnis.
Ein Grund für die Popularität der marktkapitalisierten Indexvariante liegt in der Einfachheit der Replikation; es ist günstiger die liquiden Anteile von Großunternehmen zu handeln, die per Definition einen größeren Anteil in der genannten Indexvariante ausmachen, als die Aktien kleinerer Unternehmen, die bei einem gleich gewichteten Index proportional gehandelt werden müssen. So können ETFs und offene Indexfonds einen marktkapitalisiert gewichteten Index kostengünstiger nachbilden. Fonds, die einen Index mit exotischeren Gewichtungsansätzen nachbilden, haben höhere Hürden zu überwinden. Dies spiegelt sich in Form von höheren Kosten wider.
Warum also vom Standard der Marktkapitalisierung bei der Zusammenstellung von Indizes abweichen? Im Kern versuchen die Anbieter dieser eher exotischen Indexvariante, Investoren zu überzeugen, dass ihnen eine Möglichkeit geboten wird, den „Markt“ zu schlagen, in diesem Fall repräsentiert durch die traditionelle marktkapitalisierte Variante der Indexgewichtung. Ein marktkapitalisierter Index tendiert dazu solche Titel überzugewichten, die im Preis gestiegen sind und parallel dazu solche unterzugewichten, die im Preis gefallen sind. Dies macht diese Indexvariante anfällig für Blasen. Beispiel hierfür ist die TMT-Blase in den späten 1990er Jahren. Ein marktkapitalisierter gewichteter Index hätte eine große Anzahl der Technologietitel beinhaltet, deren Kurse in der Folge in den Keller stürzten. Ein Index hingegen, der auf Gleichgewichtung der Konstituenten gesetzt hätte, wäre weniger stark abgestürzt, zumal hier die Übergewichtung von stark überbewerteten TMT-Anteilen vermieden worden wäre.
Gleichgewichtete Indizes vermeiden diese Art des „Blasenrisikos“ durch die kontinuierliche Rebalancierung der gelisteten Einzeltitel auf Basis der ursprünglichen Indexzusammensetzung. Ein Aktienpreis bewegt sich täglich, ein gleich gewichteter Index wird seinem Namen nur zum Zeitpunkt der Auflage und zu den jeweiligen Rebalancierungen, gemäß seiner ursprünglichen Zusammensetzung, gerecht. Durch die periodisch stattfindende Rebalancierung passt der Index die Werte an, die im Preis gestiegen sind, genauso wie jene, die aufgrund von Kursverlusten potentiell unterbewertet sind.
Anhänger der Gleichgewichtung führen oft ins Feld, dass mit dieser Methode das Risiko der Einzeltitelkonzentration gegenüber der Marktkapitalisierung relativ verringert wird.
Die Top Holdings in einem marktkapitalisierten Index tendieren dazu, einen hohen Prozentsatz des gesamten Indexwertes auszumachen. Ein Beispiel hierfür ist der EURO STOXX 50. Die Top Ten der Titel stehen für 38% des Index, bei einer gleich gewichteten Variante kämen sie nur auf 20% des Index. Beim FTSE 100 ist der Unterschied noch größer, hier stehen die Top Ten der Titel für 46% des Index. Wäre der Index gleich gewichtet, stünden sie nur für rund 10% des Indexwertes.
Ein gutes Beispiel für das Risiko, das mit der Konzentration auf Einzeltitel einhergeht, ist der Fall BP (BP) und die Macondo Explosion im Golf von Mexiko im April 2010. Zum Zeitpunkt der Explosion repräsentierte BP mehr als 9% des Wertes der im FTSE 100 Index gelisteten Titel. Während der Konzern versuchte das Bohrloch zu schließen, sank der Wert der Aktie um mehr als 50%, so dass er nur noch 5% des Wertes im FTSE 100 Index darstellte. In einem gleich gewichteten FTSE 100 Index wäre die Halbierung des Wertes von einem Titel kaum aufgefallen.
Die meisten Erträge von einem Index, der marktkapitalisiert gewichtet ist, stammen jedoch von einigen wenigen Konstituenten. Die Wertentwicklung eines gleich gewichteten Index hingegen ist stärker geprägt von einer Vielfalt von Aktien.
Schwächen der Gleichgewichtung
Gleich gewichtete Indizes haben allerdings ihre eigenen Probleme, da sie tendenziell Mid und Small Caps übergewichten. Historisch gesehen haben sich diese langfristig besser als Large Caps entwickelt. Betrachtet man aber Zeiträume, in denen Small Caps den Large Caps unterlegen waren (wie in 2007-2008), hätte ein gleich gewichteter Index gegenüber der marktkapitalisierten Variante verloren.
Ein weiterer Nachteil, den die Methode der Gleichgewichtung mit sich bringt, sind die Kosten, die mit der periodisch vorzunehmenden Rebalancierung verbunden sind. Der Trick hierbei besteht darin, die Kosten der Umschichtung zu minimieren, während die Kursgewinne von Gewinnern kurzfristig mitgenommen werden. Ein ETF, der die Wertentwicklung eines gleich gewichteten Index wiedergibt, muss die zugrunde liegenden Aktien proportional kaufen und verkaufen, dies ist bei der marktkapitalisierten Indexvariante nicht der Fall. Die damit verbundenen Kosten hat der Investor in Form von höheren Gebühren zu tragen.
Es gibt auch Indizes, die nicht nur die Einzeltitel gleich gewichten, sondern auch die Sektoren. Mittels dieser Methode wird das Risiko der Konzentration auf einen Sektor minimiert. Das Beispiel von der TMT-Blase aufgreifend, hatten große, kapitalgewichtete Indizes, wie der FTSE 100 oder der S&P 500 1999 einen signifikanten Schwerpunkt auf Technologieunternehmen von AOL (AOL) bis Vodafone (VOD). Ein Index mit gleichgewichteten Sektoren hätte diese Konzentration minimiert und somit zum Zeitpunkt des Platzens der Blase einen besseren Schutz geboten.
ETFs, die gleich gewichtete Indizes nachbilden
Aktuell gibt es in Europa keine ETFs, die konsequent den Ansatz der Gleichgewichtung verfolgen. Der PowerShares Dynamic US Market Fund verfolgt einen fundamentalen Ansatz, der einen marktkapitalisierten Ansatz methodologisch mit der Gleichgewichtung verbindet. Er wird an der London Stock Exchange, der Deutschen Börse, der Euronext in Paris und der Borsa Italiana gehandelt. Ziel ist es, die Wertentwicklung des Dynamic Market Intelligence Price Return USD Index nachzubilden. Der Index hat ein Anlageuniversum, das aus den 2000 größten öffentlich gehandelten Unternehmenswerten der USA besteht. Auf Quartalsbasis werden 100 Titel für den Index ausgewählt, die auf Basis eines firmeneigenen quantitativen Models, das auf 25 Kriterien basiert, eingeteilt in vier Kategorien (Risiko, Momentum, fundamentales Wachstum und Bewertung), historisch bewiesen haben, dass sie Wachstumspotential bieten, verbunden mit künftigen Erträgen. Die Konstituenten werden dann klassifiziert, dabei sind Large Caps mit jeweils 2.33% gewichtet, Mid/Small Caps jeweils mit 0.43%. In der Folge bilden die 30 Large Caps insgesamt 70% des Index, die verbleibenden 30% teilen sich 70 Mid/Small Caps. In diesem Fall hat der Index keine Tendenz zu Mid/Small Caps, anders als ein Index der strikt auf der Gleichgewichtung basiert. Der Fonds hat eine Total Expense Ratio (TER) von 0.75%.
In den USA sind bereits zahlreiche ETFs handelbar, die gleich gewichtete Indizes nachbilden. Zum Beispiel der Rydex Equal Weight S&P (RSP), der die 500 im S&P 500 gelisteten Werte enthält, auf Quartalsbasis wird eine Neugewichtung vorgenommen. Dem RSP gelang es, seit seiner Auflage im Jahr 2003 den S&P 500 Total Return Index um 3,5% zu schlagen, bereinigt um die TER von 0.4%, die um 31 Basispunkte höher liegt als die TER des größten S&P 500 ETFs, des SPDR S&P 500 (SPY). Trotz des Erfolges dieses Produktes sind die Track Records für gleich gewichtete ETFs in den USA gemischt. So hatten einige Schwierigkeiten, Investoren zu finden und wurden in der Folge geschlossen. Dennoch gewinnt der Gewichtungsansatz wieder Interessenten. So hat Rydex kürzlich eine Serie von sektorbasierten und internationalen, gleich gewichteten ETFs aufgelegt und plant, weitere zu emittieren.
Die in Europa ansässigen ETF-Anbieter sind immer auf der Suche nach neuen Produktideen. So ist es nur eine Frage der Zeit, bis mehr gleich gewichtete ETFs den Weg über den Atlantik finden.