Die Börse in Kairo ist im Zuge der Proteste Tausender Ägypter gegen die Herrschaft des Präsidenten Hosni Mubarak seit mehr als einer Woche geschlossen. Weltweit werden die Entwicklungen auf den Straßen des nordafrikanischen Landes verfolgt, nicht zuletzt in der Investmentbranche: Wie werden sich die Unruhen in Ägypten auf die Finanzmärkte auswirken?
Die Aussetzung des Handels in Kairo hat zu diversen temporären Fondsschließungen geführt, so z.B. beim ING Middle East and North Africa. Der in den USA notierte Market Vectors Egypt Inxex ETF als einziger börsengehandelter Indexfonds auf den ägyptischen Aktienmarkt hat die Anteilsausgabe eingestellt. Interessanterweise zieht dieser dennoch großes Anlegerinteresse auf sich, wodurch er aufgrund der Börsenschließung nun 40% seines Portfolios als Kasse hält.
Fondsmanager halten sich erwartungsgemäß mit zuversichtlichen Ausblicken für Ägypten noch zurück. Doch an den Märkten gibt es nichtsdestoweniger so etwas wie eine Hoffnung, dass die ägyptische Krise auch Investmentchancen eröffnen kann. Gleichzeitig sind die politischen Risiken in der Anlageregion (nach der englischen Bezeichnung Middle East & North Africa als MENA abgekürzt) in den Fokus der Anleger gerückt. Die Lektion lautet einmal mehr, dass sich destabilisierende Ereignisse sehr viel schneller entwickeln können als dies Analysten erwarten.
Begrenzung politischer Risiken
‚Politische Risiken sind Teil des Pakets, wenn Anleger in Schwellenmärkten investieren‘, erklärt Ghadir Abu Leil-Cooper, Fondsmanagerin des Baring MENA Fund. Ende Dezember 2010 war dieser Fonds laut Factsheet mit 21,7% in ägyptischen Aktien investiert.
Die Analyse politischer Risiken spielt daher im Investmentprozess von MENA-Fonds eine große Rolle, auch wenn klar ist, dass sich ein Portfolio nicht komplett dagegen absichern lässt.
Umso wichtiger ist es, auf eine möglichst hohe Streuung zu achten. ‚Wir halten beim Thema ‚MENA‘ nichts von Länderfonds‘, sagt Allan Conway, Head of Global Emerging Markets Equities bei Schroders. Ende Dezember 2010 machten ägyptische Werte im Schroder ISF Middle East 9% des Fondsvermögens aus.
Die großen Unterschiede in der Ägypten-Gewichtung, die zwischen dem Baring und dem Schroder Fonds bestehen, sind in der Vergleichsgruppe nicht ungewöhnlich (vgl. Tabelle). In den von den beiden Fonds verwendeten Benchmarks ist das Land auch unterschiedlich stark vertreten. So ist der Schroder ISF Middle East gegenüber dem eigenen Vergleichsindex in ägyptischen Titel neutral gewichtet.
Wer seine Investments über die gesamte MENA-Region streut, nutzt den Vorteil, dass die politischen Risiken in der arabischen Welt ungleich verteilt sind. Bevölkerungsreiche Länder mit vielen jungen Arbeitslosen und weit verbreiteter Armut wie Ägypten, Tunesien oder Marokko sind anfälliger für ökonomische und wirtschaftliche Spannungen. Ein starker Anstieg der Lebensmittelpreise hat diese weiter verschärft.
Die ölreichen Golfstaaten weisen eine stabilere politische und wirtschaftliche Verfassung auf. Vor dem Hintergrund ihrer Rohstoffreichtums konzentriert sich die Armut eher auf Immigranten als die einheimische Bevölkerung. Das wirtschaftliche Umfeld sagt daher mehr über die Risiken in unterschiedlichen MENA-Ländern aus als die Präsenz eines autokratischen Regimes. ‚Das Potential für Unruhen ist in den Golfstaaten begrenzt‘, so Alan Conway.
Es fällt auf, dass Finanzwerte in MENA-Fonds stark vertreten sind. Conway erklärt dies damit, dass der Finanzdienstleistungssektor typischerweise die Verfassung der lokalen Wirtschaft widerspiegelt. Zudem dominierten Finanzdienstleister die lokalen Aktienmärkte dort, wo Energieunternehmen in Staatshänden und damit nicht investierbar sind. Im Gegensatz zu den etablierten Märkten seien Finanzwerte in den Emerging Markets damit eher eine strukturelle als eine zyklische Wette.
ETFs
Das Angebot an MENA-ETFs ist im Vergleich zu klassischen Investmentfonds begrenzt. Ohnehin ist es umstritten, ob ein passives Vehikel in einer solch volatilen Anlageregion sinnvoll ist. ‚Dies gilt für alle ETFs, wenn es um weniger entwickelte Märkte geht‘, erklärt José Garcia-Zarate, Morningstar European ETF Analyst. ‚Nutzt man passive Fonds doch, muss man aber bei der Portfoliozusammenstellung nicht auch passiv bleiben‘, so Garcia-Zarate weiter.
Bietet die Krise Investmentchancen in Ägypten?
Allan Conway von Schroders und Ghadir Abu Leil-Cooper von Barings hoffen beide, dass sich die derzeitige Krise langfristig positiv auswirkt und Anlagechancen am ägyptischen Aktienmarkt eröffnet.
Ghadir Abu Leil-Cooper: ‘Wenn wir eine Demokratisierung bekommen, sollte Ägypten aus Investmentsicht sehr interessant werden, zumal die Aktienkurse stark gefallen sind.‘
Allan Conway ist vorsichtig, bevor nicht klarer wird, wie die politische Krise in Ägypten gelöst wird. ‚Abwarten könnte zwar bedeuten, dass man die absoluten Tiefstkurse verpasst, doch kann man damit ruhiger schlafen.‘ Eine starke kurzfristige Rallye hält auch er für möglich.
Zurücklehnen, aber aufmerksam bleiben
Was heißt dies nun für betroffene Anleger? Zunächst einmal ist auch eine Krise nicht der Zeitpunkt für überstürzte Entscheidungen. Weniger wegen der Einschätzungen der zuvor zitierten Fondsmanager, die sich im Zweifel ohnehin eher optimistisch als pessimistisch äußern werden und daher nicht unbedingt weiterhelfen. Vielmehr sollte man im Sinne einer sorgfältigen und langfristigen Anlageplanung einmal mehr überprüfen, ob man sich über die Risiken des eigenen Portfolios wirklich im Klaren ist. Länder- oder spezielle Regionenfonds sind volatil und sollten im Depot nicht über ein Nischeninvestment hinausgehen, für das man ausreichend Risikobereitschaft und einen langen Atem mitbringen sollte.
Darüber hinaus ist zu beobachten, dass die Korrelation zwischen politischen und Aktienmarktrisiken nicht gleichbleibend ist. Allan Conway führt als Beispiel Thailand auf, wo die Straßenunruhen in Bangkok nicht verhinderten, dass der dortige Aktienmarkt einer der erfolgreichsten des Jahres 2010 war.
Über MENA hinaus
Die unmittelbaren Auswirkungen des Kurssturzes in Ägypten halten sich in Grenzen, da MENA-Fonds im Vergleich zu breiten Emerging-Markets- oder globalen Aktienfonds über ein geringes Anlagevolumen verfügen. Mittelbar könnten die Auswirkungen aber für breitere Investorenkreise spürbar werden, insbesondere falls die Krise mehr Länder erfasst und den globalen Risikoappetit für Schwellenländeranlagen zügelt. So erlebten Emerging-Market-Aktienfonds in der vergangenen Woche die höchsten Abflüsse seit drei Jahren. Manche Beobachter erwarten schon eine zunehmende Rückbesinnung auf die traditionellen, etablierten Märkte in den USA, Europa und Japan.
Allerdings gilt es, die Entwicklung des Ölpreises im Auge zu behalten, der im Zuge der Unruhen in Nordafrika auf über 100 $ je Barrel stieg. Weitere politische Instabilität und eine Störung der Ölversorgung etwa durch eine Sperrung des Suezkanals wären sicherlich nicht dazu angetan, hier für Entspannung zu sorgen. 120 $ werden als magische Grenze gehandelt, bei der negative Auswirkungen auf die Konjunktur befürchtet werden. Hinzukommt, dass ein steigender Ölpreis die Inflation weiter anheizen könnte.
Fazit: Auch hier gibt es keine einfachen Lösungen und Handlungsempfehlungen. Diversifizierung und langfristige Planung bleiben Trumpf.
Dieser Artikel erschien ursprünglich auf www.morningstar.co.uk und wurde für deutschsprachige Leser angepasst.