Die Buy-and-Hold-Debatte leidet unter einer fehlenden gemeinsamen Definition. Daran möchte ich mich heute versuchen, bevor wir in die richtige Diskussion einsteigen. Doch so viel vorneweg: Buy-and-Hold (Kaufen und Halten) als Konzept ist nicht tot. Es hat natürlich seine Schwächen und sollte nicht isoliert betrachtet werden. Und es braucht vor allem einen richtigen Kontext. Doch zurück zur Definition.
Was mein Wörterbuch sagt
Die Buy-and-Hold-Idee beruht auf dem Gedanken, dass man risikoreiche Investments wie Aktien länger halten muss, um damit konsistent höhere Renditen als bei anderen Anlagen erzielen zu können.
Das heißt nicht, dass man kein Glück haben kann und eine Aktie erwischt, die innerhalb einer Woche um 20% steigt. Es kann aber genauso schnell auch in die andere Richtung gehen.
Die Historie zeigt, dass man risikoreichen Anlagen Raum zum Atmen lassen sollte. Die Geduld haben sollte, ein oder zwei Schritte zurückzugehen, bevor man drei oder vier Schritte nach vorne geht. Historische Daten zeigen für die Zeit von 1926 bis August 2010 eine durchschnittliche jährliche Aktienrendite in Höhe von 9,7% (S&P 500), während Staatsanleihen 5,6% p.a. brachten.
Wohl gemerkt, im Durchschnitt. Dahinter verstecken sich (sehr) gute und (sehr) schlechte Zeiten. Schwächeperioden können sich über mehrere Jahre hinziehen.
Genau darum geht es aber. Man muss das Risiko von Rückfällen auf sich nehmen, um die Ernte einzufahren. Lohnt sich das? Ein Blick in die Vergangenheit sagt ja. Im Zeitverlauf bezwingt der Aktienmarkt mehr Stufen als er zurückfällt.
Hier kommt das Halten (Hold) ins Spiel. Man muss bereit sein, an seinen Aktieninvestments langfristig festzuhalten, um mehr Gewinne als Verluste realisieren zu können. Daher macht ein Satz wie ‚2008 funktionierte Buy-and-Hold nicht‘ auch keinen Sinn. Das ist so, als würde man einen Braten nach der Hälfte der Garzeit probieren und dann das Rezept für unbrauchbar befinden.
Wie steht es dann mit dem verlorenen Jahrzehnt für Aktien?
Aktienmärkte können langjährige dramatische Verluste erleben. Die letzten zehn Jahre sind dafür ein gutes Beispiel. Wer sein gesamtes Geld Anfang 2000 investiert hat, für den wird dieser Artikel die Schmerzen kaum lindern.
Aber dieses Beispiel führt uns zu einem wichtigen Punkt: Für sich allein genommen hat Buy-and-Hold Schwächen. Eine davon betrifft das Risiko des Ein- und Ausstiegszeitpunkts (was mit dem Risiko, teuer zu kaufen und billig zu verkaufen zusammenhängt).
Die Vorteilhaftigkeit des Buy-and-Hold wird stark geschmälert, wenn man überbewertete Aktien kauft. Da Aktien volatil sind, gibt es ein ernst zu nehmendes Risiko, sie zum falschen Zeitpunkt zu kaufen (d.h. wenn sie zu teuer sind). Wenn man stark überbewertete Aktien erwirbt, ist eine lange Haltedauer keine Garantie dafür, Verluste wieder aufzuholen, geschweige denn Gewinne zu machen.
Als Anleger muss man sich aber auf dieses Timing-Spiel nicht einlassen. Man kann kleinere Summen nach und nach investieren und damit vom Durchschnittskosteneffekt profitieren. Man wird zwar in heiß gelaufenen Märkten eher zu teuer kaufen. Dafür erhält man in schwächeren Marktphasen einen besseren Preis, wofür 2008 natürlich ein gutes Beispiel ist. Im Zeitverlauf sollte man so insgesamt zu fairen Kursen investiert haben.
Das Risiko des falschen Einstiegszeitpunkts wird somit deutlich reduziert. Gleiches gilt für den Verkauf. Wenn man sich schrittweise in kleinen Dosen von seinen Investments trennt, vermeidet man das Risiko, alles zum genau falschen Zeitpunkt zu verkaufen.
Wie man trotzdem seine Rechnungen zahlt
Apropos verkaufen, eine gute Verkaufs- und Entnahmestrategie ist ein wesentlicher Bestandteil des Buy-and-Hold-Konzepts, auch wenn sie nicht Teil des Namens ist. Wer hier Fehler im Timing macht, setzt seinen Anlageerfolg aufs Spiel. Verluste sind schmerzvoll, aber noch schlimmer ist es, Verluste zu realisieren. Dennoch ist dies 2008 vielen Anlegern passiert – sei es aus Panik oder Notwendigkeit.
Für dieses Problem gibt es eine recht gute Lösung: eine strategische Anlageplanung mit einem dem eigenen Investmenthorizont angemessenen Anlagemix. Dieser sollte umso konservativer ausgestaltet sein, je kürzer der Anlagehorizont wird.
Einfacher wird dies dadurch, dass man das Portfolio in mehrere Körbe aufteilt. Ein langfristiger Korb enthält dann die aggressiveren Investments (die Buy-and-Hold-Anlagen). Auf diesen Korb sollte man für viele Jahre nicht zugreifen müssen, so dass auch Durststrecken kein größeres Problem darstellen.
Ein zweiter Korb umfasst mittelfristige Anlagen, z.B. Anleihen. Die darin investierten Gelder werden mittelfristig wieder benötigt. Sie sind weniger volatil als die Investments des ersten Korbes, wodurch auch die Wahrscheinlichkeit, sie zu teuer zu kaufen oder zu billig zu verkaufen, sehr viel geringer ist. Im Gegenzug bieten sie weniger Ertragspotential.
Der dritte Korb bleibt sehr sicheren und liquiden Anlagen vorbehalten. Daraus kann sich ein Anleger regelmäßig bedienen, um anfallende Ausgaben zu bestreiten. Sie sind nicht volatil, bieten aber – insbesondere im heutigen Niedrigzinsumfeld – kaum Rendite.
Insgesamt sollten Anleger mit einer solchen Anlagestrategie besser vor Zwangs- oder Panikverkäufen gefeit sein.
Aktiver als man denkt
Eines der Missverständnisse des Buy-and-Hold-Konzepts ist, dass es nur eine Handlung erfordern würde (das Kaufen), gefolgt von Untätigkeit (dem Halten). Wer aber Buy-and-Hold im Rahmen einer strategischen Anlageplanung praktiziert, wird sein Portfolio sehr wohl in verschiedener Weise aktiv managen.
So werden die Anteile der Körbe am Gesamtportfolio variieren. Je kürzer der Anlagehorizont wird, desto mehr Geld muss in die kurz- und mittelfristig orientierten Körbe fließen. Aktien werden im Zeitverlaufe durch konservativere Anlagen ersetzt werden müssen. Wer dabei schrittweise vorgeht, kann wiederum den Durchschnittskosteneffekt nutzen.
Zudem sind regelmäßige Rebalancierungen erforderlich, falls die Portfolioaufstellung durch die Marktentwicklung von der langfristigen Planung zu stark abzuweichen beginnt. Dadurch werden erfolgreiche Anlagen abgebaut und in der Entwicklung zurückgebliebene Investments im Portfolio verstärkt. Dies hilft dabei, tendenziell günstig zu kaufen und zu guten Kursen zu verkaufen.
Hätten Anleger Anfang 2000 ihre Aktiengewichtung zurückgefahren und stärker auf Anleihen gesetzt, hätten sie zehn Jahre später kein verlorenes Jahrzehnt zu verzeichnen gehabt. Nun passiert genau das Gegenteil. Die Geschichte zeigt, dass Aktien nach einem schwachen Jahrzehnt ein Comeback erleben können. Die Anlegergelder fließen derzeit allerdings vor allem in Anleihenfonds, und zwar nicht zwangsläufig aufgrund einer strategischen Vermögensplanung, sondern da Geldmarktfonds nahezu nichts abwerfen, Investoren die vergangene Performance von Anleihen in die Zukunft fortschreiben oder auch aus Risikoaversion.
Falls diese Wette nicht aufgeht, könnten Anleger in ihren Erwartungen getäuscht werden und gezwungen sein, ihre Anleihenfonds zu ungünstigen Kursen wieder abzustoßen. Ein solches Portfolio läuft zudem Gefahr, für das anvisierte Anlageziel zu konservativ aufgestellt zu sein.
Es funktioniert, wenn man es lässt
Wenn Sie daran glauben, für ein höheres Risiko auch mit einer höheren Rendite entlohnt zu werden, dann sollten sie auch daran glauben, dass sich eine Buy-and-Hold-Strategie auszahlt. Sie müssen diese aber in eine sinnvolle langfristige Planung einbinden und genug Zeit mitbringen, um Schwankungen auszusitzen.
Beim Kochen ist es nicht anders. Man sollte hin und wieder den Deckel anheben und überprüfen, ob nichts anbrennt. Und ansonsten einfach kochen lassen.
Die Originalversion dieses Artikels erschien ursprünglich auf www.Morningstar.com.