Interview: Risikomanagement nach der Finanzkrise

Wir sprachen mit Ed Fishwick, Spezialist für Risikosteuerung bei BlackRock, über die Lehren, die wir aus der Kreditkrise ziehen können.

Holly Cook 21.06.2010
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Was hat uns die Finanzkrise im Bezug auf das Management von Risiken gelehrt?

In den letzten zwei, drei Jahren waren extremen Turbulenzen und Verwerfungen an den Finanzmärkten zu beobachten. Sie haben uns vor Augen geführt, wie wichtig Risikomanagement für den Investmentprozess ist. Die Finanzkrise hebt dabei mehrere Schlüsselthemen hervor.

Das erste ist die Rolle der Liquidität. Investoren haben immer auf Liquidität geachtet, aber die Krise hat gezeigt, dass sie noch viel entscheidender ist, als man es sich davor vorstellte. Liquidität ist überlebensnotwendig, um finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können.

Zweitens, quantitative Modelle sind in unserer Branche allgegenwärtig und können dabei helfen, Investmentstrategien und –ergebnisse stark zu verbessern. Es sind aber nur Modelle – und sie basieren auf Annahmen. Die letzten Jahre haben zahlreiche Beispiele dafür geliefert, wie diese Annahmen verletzt werden können. Daher sollte man sehr umsichtig damit umgehen und vor allem ein gutes Verständnis für diese Annahmen entwickeln.

Der dritte Punkt bezieht sich auf das Thema Datenqualität und –integrität. Die Krise hat gezeigt, dass man Ressourcen dafür einsetzen sollte, um Daten besser zu verstehen, zu bewerten und deren Qualität zu kontrollieren.

Ein aktuell viel diskutiertes Thema sind politische Risiken. Wir haben früher dazu geneigt, diese vor allem im Zusammenhang mit Schwellen- und Entwicklungsländern zu sehen. Die Ereignisse in letzter Zeit zeigen aber, dass auch politische Entscheidungen, die in wichtigen Finanzzentren und Hauptstädten getroffen werden, zu starken Bewegungen auf den Finanzmärkten führen können.

Was bedeutet das für das Risikomanagement in der Investmentbranche?

Für Vermögensverwalter sollte eine langfristige Verpflichtung zu gutem Risikomanagement ein Kernthema sein, auch in Bezug auf die (Personal)ausstattung und die Firmenkultur. Konzepte, Ideen und Bedeutung der Risikosteuerung sollten bei Anlageentscheidungen eine zentrale Rolle spielen.

Risiko wird oft mit Volatilität gleichgesetzt.

Das stimmt. Dabei gibt es weitere Arten von Risiken, z.B. die Bewertung: Wenn sich Kurse sehr stark verändern, wenn die Bewertungen in die eine oder andere Richtung sehr stark strapaziert werden, kann dies zu stark asymmetrischen Risiken führen. Daher ist es von großer Bedeutung, die Bewertung eines Wertpapiers zu verstehen.

Was sagen Ihnen die aktuellen Volatilitäten und Kurse?

Im laufenden Jahr war die Volatilität lange sehr niedrig, obwohl es an den Märkten sicher sehr viele Risiken gibt. Kein Investor hätte behauptet, dass die Welt sicher sei, auch wenn Volatilitätskennzahlen wie der VIX nahe an langfristigen Tiefständen waren. Das heißt, es gab eine Situation geringer Volatilität in einer Welt voller Risiken. Und damit wären wir wieder bei dem Thema Politik und Diskontinuität von Risiken angelangt. Es hat sich gezeigt, welch massiver Einfluss von Ankündigungen der Europäischen Zentralbank, dem IWF oder etwa aus Deutschland ausgehen kann. Politische Entscheidungen können quasi aus dem Nichts enorme Volatilität auslösen. Ein weiteres Beispiel sind die Steueränderungen in Australien, die zu großen Kursschwankungen bei Minenkonzernen geführt haben.

Danke für das Gespräch.

Dieses Interview erschien ursprünglich auf www.morningstar.co.uk.

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Über den Autor

Holly Cook

Holly Cook  is Manager, Morningstar EMEA Websites