Rating Agentur-Schelte

Rating Agenturen stehen im Zuge der Krise von Geldmarkt- und geldmarktnahen Fonds in der Kritik. Wir antworten.

Werner Hedrich 12.10.2007
Facebook Twitter LinkedIn
Folgende Frage haben wir von einem Morningstar Leser erhalten:

Könnten Sie mir erklären, warum der Pioneer Investments Euro Geldmarkt Plus ein 5 Sterne Rating von Morningstar erhält, wobei er überwiegend in ABS investiert und während eines Zeitraums von etwa 3 Monaten als Geldmarktfonds über 2 % verliert. Für mich stellt das ex-post eine unerträgliche Verschleierung von Anlagerisiken durch die Rating-Agenturen und die KAG dar.

Der Pioneer Investments Euro Geldmarkt Plus ist in die Kategorie ‚Euro Geldmarkt, dynamisch’ einkategorisiert. Morningstar fasst Fonds in dieser Kategorie zusammen,

die eine durchschnittliche Restlaufzeit der investierten Papiere von über 90 Tagen aufweisen. Diese Fonds beschränken sich nicht nur auf die besten Bonitäten und investieren auch in Instrumente, die nicht vollkommen liquide sind (z.B. Asset Swaps). Eine Erklärung finden Sie auch in unserem Kategoriedokument .

Daneben führen wir eine Kategorie mit dem Namen ‚Euro Geldmarkt, stabil’. Die Fonds dieser Kategorie legen den Schwerpunkt auf Kapitalerhalt. Sie weisen eine durchschnittliche Restlaufzeit von höchstens 90 Tagen und eine hohe durchschnittliche Bonität auf. Das Schlüsselwort ist hier Kapitalerhalt. ‚Dynamisch’ bedeutet dagegen, dass es sich um geldmarktnahe Fonds handelt, die einen Mehrertrag generieren wollen. Diesen Schnaps mehr als im risikolosen Geldmarkt können Money Market Manager über Anlagen mit mehr Bonitätsrisiko (ABS, CDO) oder die Laufzeiten der Papiere erreichen.

Der Pioneer Investments Euro Geldmarkt Plus hat über 3 und 5 Jahre ein 3 Sterne Rating, was rein quantitativ darauf hindeutet, dass der Fonds sich im Mittelfeld der Kategorie ‚Euro Geldmarkt, dynamisch’ bewegt hat. Über 10 Jahre gehört der Fonds mit 4 Sternen zu dem besten Drittel seiner Vergleichsgruppe. Sie finden diese Kennzahlen für fast jeden in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Investmentfonds unter dem Reiter ‚Rating und Risiko’ .

Das Morningstar Rating ist ein relatives Maß. Fonds werden quantitativ im Verhältnis zu Vergleichsfonds bewertet. Die Sterne visualisieren den Morningstar Risk Adjusted Return, der sich aus den Komponenten Performance, Risiko und Kosten zusammensetzt. Das Morningstar Sterne Rating ist ein Hilfsmittel, ein erster Schritt zur Fondsauswahl, danach muss eine Analyse folgen. Das Morningstar Rating sagt noch nichts über die absolute Rendite eines Fonds aus.

Zweifelhafter Mehrertrag durch Kredit- und Liquiditätsrisiken

Die Krux ist nun, dass zahlreiche geldmarktnahe Fonds (Geldmarkt, dynamisch) Bonitätsrisiken eingegangen sind, die offensichtlich zu niedrig gepreist waren, sprich die Geldverwalter hätten einen höheren Zins für das eingegangene Risiko verlangen müssen. Auch die Illiquidität wurde nicht eingerechnet, sonst hätten sie die Papiere wohl nicht gekauft. Fairerweise muss aber darauf hingewiesen werden, dass über Jahre hinweg mit Commercial Papers und Asset Backed Securities in den Fonds gutes Geld verdient wurde. Ob dieser mit Kredit- und Liquiditätsrisiken erkaufte Mehrertrag gegenüber den Geldmarktsätzen lohnend war, müssen Anleger selbst entscheiden.

Geldmarktfonds enthalten wie alle Fonds eine Verwaltungsvergütung. Sie liegt meist unter 50 Basispunkten (100 Basispunkte sind 1%). Dynamische Geldmarktfonds sind einen Tick teuerer. Diese Verwaltungsvergütungen müssen natürlich verdient werden und irgendwo muss das Geld ja herkommen, in der Vergangenheit eben aus Kredit- und Liquiditätsrisiken. Erschwerend kommt hinzu, dass Geldmarktfonds in Konkurrenz mit Lockangeboten der Banken im Tagesgeldbereich und bei Festgeldkonditionen stehen. Kurzum: Anleger sollten für sich festsetzen, ob sie rein am Kapitalerhalt interessiert sind oder etwa 0,3% mehr im Jahr verdienen wollen (geldmarktnahe Fonds). Gilt es im Fondsbereich grundsätzlich auf die laufenden Kosten zu achten, so sind Verwaltungsvergütungen im niedrig verzinslichen Geldmarkt noch einmal wichtiger, weil sie unmittelbaren und leicht nachvollziehbaren Einfluss auf die Performance haben.

Rating Agenturen

Morningstar ist ein unabhängiges globales Research Unternehmen. Wir sind in den Bereichen Fondsanalyse, Aktienresearch, Asset Allokation, institutionelle Beratung und Datenbanken positioniert. Wir offerieren keine Kredit-Ratings. Hypothekenbesicherte Anleihen (ABS, CDO) werden von uns nicht bewertet/ geratet. Die Rating Agenturen S&P, Moody’s und Fitch stehen in der Kritik, die Risiken der forderungsbesicherten Anlagevehikel in ihren Ratings unzureichend berücksichtigt zu haben. Mehr dazu unter Risiken sind global - global sind Risiken .

Wer hat Schuld? Alle.

Sicherlich die Rating Agenturen, weil sie anscheinend die Grenze zwischen Beratung/ Strukturierung für Investmentbanken und der Bewertung von besicherten Anleihen und Kurzläufern übertreten haben. Die Fondsmanager, weil sie die Papiere gekauft haben und scheinbar kein Austrocknen des Marktes (Illiquidität) erwartet haben. Die Produktabteilungen der Fondshäuser, denn sie sind es, die die geldmarktnahen Fonds mit Blick auf ihr Vertriebspotential auflegen. Aber bei allem Verständnis für die Interessen von Privatanlegern: There is no free lunch! Wer Renditen über den Geldmarktsätzen erwartet, der geht auch höhere Risiken ein. Dann kann auch der Kapitalerhalt auf dem Spiel stehen.

Selbstreflektion

Auch wir haben unsere beiden Geldmarktkategorien aufräumen müssen. Dabei haben wir Geldmarktfonds, die der Kategorie ‚Geldmarktfonds, stabil’ zugeordnet waren, die aber über den Sommer hin Verluste zeigten, in die dynamische Kategorie verschoben. Wie konnte es dazu kommen? Wir berechnen die Performance auf Basis des NAV, des Net Asset Values, das ist der Rücknahmepreis für einen Fondsanteil. Der NAV wird täglich von der Fondsgesellschaft ermittelt. Er ist die Summe aller Portfoliopositionen abzüglich laufender Kosten wie zum Beispiel die Verwaltungsvergütung. Der NAV ist ein zuverlässiges Maß (eine zuverlässige Summe sozusagen) für liquide Positionen wie zum Beispiel Aktien oder Bundesanleihen, deren Preise täglich festgesetzt werden können. Illiquide Investitionen wie Asset Backed Securities, wenig gehandelte Nebenwerte oder etwa die Bestandsimmobilien eines offenen Immobilienfonds bilden nur eingeschränkt den Preis eines Assets wieder. Der aktuelle Preis zeigt sich erst im Handel (Markttiefe und –breite). Theoretisch sollten Investoren für illiquide Vermögenswerte eine Liquiditätsprämie erhalten. Die NAVs dynamischer Geldmarktfonds stiegen in der Hausse an, während sie in den Sommermonaten plötzlich rückläufig waren, weil die in den NAVs vorher zugrundegelegten Annahmen für die illiquiden Assets zu hoch angesetzt wurden. Der vermeintlich richtigere Preis hat sich in der Stressituation gezeigt, wo ein Zuschlag für die Illiquidität verlangt wurde. Auf NAV Basis kam es plötzlich zu Verlusten. Geldmarktfonds ohne Kredit- und Liquiditätsrisiken hatten keine Kursrückgänge zu verzeichnen.

Facebook Twitter LinkedIn

Über den Autor

Werner Hedrich