Reise ins Ungewisse

Biotechfonds hielten sich zwar während der durch die Hypothekenkrise ausgelösten Marktkorrektur vergleichsweise gut. Insgesamt tun sich Investoren mit dem Thema Gesundheitswesen aber weiterhin schwer.

Natalia Wolfstetter 31.08.2007
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Gesundheitsaktien gelten als defensives, konjunkturresistentes Investment. Gesundheitsdienstleistungen werden immer gebraucht und nachgefragt, unabhängig von der konjunkturellen Großwetterlage. Allerdings beheimatet die Biotechbranche auch viele kleine und mittlere Unternehmen. Diese können in Zeiten steigender Risikoaversion, wie wir sie gerade beobachten, dennoch unter Druck geraten. Insgesamt konnte sich die gesamte Branche aber im Juli und August, als die US-Hypothekenkrise die Märkte erschütterte, relativ gut behaupten. Blickt man allerdings auf das gesamte Jahr oder auch 12 Monate zurück, wird deutlich, dass Investoren dem Thema „Health Care“ auch nach der langjährigen Underperformance nicht viel abgewinnen können.

Von großer Bedeutung für den Gesundheitssektor sind die Ere

ignisse auf dem US-Markt, wo die Nachrichtenlage eher gemischt war. Amerika ist der weltweit wichtigste Gesundheitsmarkt und auch in Biotechfonds spielen US-Titel mit einem Anteil von durchschnittlich 80% die Hauptrolle.

Kostendruck

Negative Meldungen kommen zum einen aus der klinischen Forschung, was allerdings angesichts der hohen Entwicklungsrisiken zum Alltagsgeschäft in dieser Branche gehört. Schwerer wogen aber Diskussionen um eine restriktivere Kostenerstattungspraxis im amerikanischen Gesundheitssystem. In den USA war es bisher bei schweren Erkrankungen üblich, Medikamente auch außerhalb des ursprünglich definierten Therapiegebiets einzusetzen – sofern es als aussichtsreich erschien - verbunden mit einer recht großzügigen Erstattung der dabei entstehenden Kosten. Dies wird in Europa restriktiver gehandhabt. Der Kostendruck im Gesundheitswesen führt dazu, dass der Trend auch in den USA in diese Richtung geht, mit den entsprechenden Konsequenzen für das Umsatzpotential der Medikamentenentwickler. Auch Biotechunternehmen sind betroffen, etwa der Branchenprimus Amgen. Für einen seiner wichtigsten Umsatzträger (und eines der meistverkauften biotechnologischen Präparate), ein Medikament gegen Blutarmut, wurde die Kostenerstattung durch die staatlichen US-Gesundheitsprogramme Medicare und Medicaid eingeschränkt. Amgen gehört zu den größten Positionen in vielen Biotech-Portfolios und schockierte die Anleger zuletzt mit einer Gewinnwarnung, durch die der Börsenkurs zeitweise um 40% einbrach.

Deutscher Biotech-Markt

Rückschläge erlebte im laufenden Jahr auch die deutsche Biotech-Branche. GPC Biotech scheiterte im Juli mit dem Versuch, in den USA für sein Prostatakrebsmedikament Satraplatin eine vorzeitige Zulassung zu erhalten. Die darauf folgende Talfahrt des Aktienkurses erfasste den gesamten deutschen Biotech-Sektor. Dieser spielt im globalen Vergleich keine große Rolle und ist auch in Biotechfonds mit Ausnahme des UniSector: GenTech nicht nennenswert vertreten. In diesem Portfolio macht er allerdings über 20% aus. Der Fondsmanager hat sich mittlerweile von seiner Position an GPC Biotech, die vor dem Kurssturz etwa 1% des Fondsvermögens ausmachte, getrennt.

Der Deutsche Biotechnologie-Report 2007 von Ernst & Young spricht von steigenden Umsätzen und Fortschritten in den Produktpipelines der deutschen Branchenvertreter. Die Marke von 1 Mrd. Euro bei den Umsätzen sei bald erreicht. Mit Ausnahme eines Nischenmedikaments wartet die Branche allerdings noch auf den Durchbruch mit umsatzträchtigen Zulassungen.

In Lauerstellung

Zahlreiche Patente der ersten Generation von Biopharmazeutika laufen in nächster Zeit aus oder sind es bereits, so etwa für Biotech-Verkaufsschlager wie Erythropoetin oder Insulin. Die Patentabläufe eröffnen die Möglichkeit, preisgünstigere Nachfolgeprodukte, so genannte Biogenerika auf den Markt zu bringen. In Europa gibt es bereits Rahmenbedingungen für die Zulassung von Biogenerika. Die ersten Produkte haben von der europäischen Zulassungsbehörde die Vertriebserlaubnis bekommen. Zulassungsrichtlinien sind mittlerweile auch in den USA auf dem Weg. Allerdings dürfte der Produktlebenszyklus von biologischen Wirkstoffen dennoch um einiges länger ausfallen als bei klassischen Pharmazeutika. Biotechnologische Wirkstoffe sind komplizierter aufgebaut und damit auch schwieriger im Nachbau. Je nach Wirkstoff müssen Nachahmerprodukte nochmals mehr oder weniger aufwändige klinische Untersuchungen durchlaufen. Sie sind dem Original nur ähnlich, aber niemals identisch. Daher spricht man korrekterweise auch von „Biosimilars“. Angesichts dieser Schwierigkeiten werden Biosimilars auch nicht mit Preisnächlässen von bis zu 80% auf den Markt kommen, die man von konventionellen Generika kennt. Die Rede ist hier eher von etwa 15-20%. All dies bietet einen gewissen Schutz für die Hersteller der Originalpräparate, zumal es für eine ernstzunehmende Konkurrenz (vor allem in den USA) noch etwas dauern wird, ist aber natürlich kein Grund zum Zurücklehnen.

Kleinteilig

Alleine 7 der rund 30 in Deutschland zur Auswahl stehenden Biotechfonds konzentrieren sich auf Werte aus der zweiten und dritten Reihe. Dazu zählen DAC Biotech, FCP OP BioHe@lthTrends, IT Funds BioPharma, Lacuna Apo BioTech, Nordinvest NordGenetics, UniSector: GenTech und VCH Expert BioTech. Kleinere Unternehmen bieten zwar ein hohes Potential und viel Spielraum für aktive Manager, weisen jedoch eine enorme Volatilität auf. Im Nebenwertebereich waren die Verluste im Juli/August auch stärker ausgeprägt als für den breiten Sektor. Die Bewertung dieser kleinen Unternehmen hängt insbesondere von den Fortschritten in der klinischen Forschung ab, die notorisch schwer einzuschätzen sind. Nachrichten von diesen Firmen haben oft einen „Alles oder Nichts“-Charakter. Ausbleibende Forschungserfolge können existenzgefährdend sein. Daher streuen Small-Cap-Fonds das Risiko über durchschnittlich 80 Werte. Dennoch werden sich die meisten Biotechinvestoren mit Fonds, die auch in die etablierten Branchenvertreter investieren, wohler fühlen. Dazu zählen beispielsweise der PF(LUX)-Biotech, der SEB Concept Biotech oder der ESPA Stock Biotech.

Einige dieser Produkte gibt es angesichts des dollarlastigen Anlageuniversums auch mit einer Währungsabsicherung für Euro-Anleger. Dadurch lassen sich Verluste aus einer Abwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro vermeiden. Die Absicherung ist allerdings mit Kosten verbunden und schließt im Gegenzug Währungsgewinne aus. Entsprechende Anteilsklassen stehen für die Fonds von Clariden Leu, FCP OP, Nordea, Oyster und Pictet zur Verfügung.

Eine Umbenennung erfuhr Ende letzten Jahres der Oyster Biotech, der nun unter Oyster Oncology firmiert und sich künftig auf das Thema „Behandlung von Krebserkrankungen“ spezialisiert. Krebs ist die zweithäufigste Todesursache in Europa sowie den USA und gilt als wichtigster Wachstumsmarkt in der Medikamentenentwicklung. Allerdings forschen die wenigsten Unternehmen in nur einem Therapiegebiet, so dass die Abgrenzung zu „traditionellen“ Biotechfonds unscharf ist.

Wohin geht die Reise?

Auf die Frage nach den Zukunftsaussichten verweisen viele Biotech-Fondsmanager auf die im historischen Vergleich niedrige Bewertung des Sektors sowie die guten Umsatz- und Gewinnergebnisse. Auch die erhoffte Trendwende in der Geschäftsentwicklung der großen Pharmakonzerne sollte dem gesamten Gesundheitssektor Auftrieb verleihen. Nicht zuletzt machten die Lücken in den Produktpipelines der großen Pharmakonzerne den Biotechsektor für Übernahmen und Kooperationen attraktiv.

Nur für Mutige

Festzuhalten bleibt aber, dass Biotech sich lediglich als geringe Beimischung im Portfolio eignet. Anleger sollte eine gehörige Portion Risikobereitschaft und einen langen Atem mitbringen, zumal viele Branchenvertreter noch nicht profitabel operieren und die Medikamentenentwicklung langwierig ist und sehr viel Geld verschlingt. Nur ein Bruchteil der Wirkstoffe schafft es bis zur Zulassung und Vermarktung – wo letztendlich das Geld verdient wird.
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Im Artikel erwähnte Wertpapiere

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Über den Autor

Natalia Wolfstetter  ist Director Fund Analysis bei Morningstar