Investieren in 1001 Nacht

Noch im Jahr 2005 konnten Investoren im arabischen Raum gute Gewinne einfahren. Ein Allzeit-Hoch jagte das Nächste. 2006 kam die bittere Realität und die Börsen in Saudi-Arabien, Dubai, Kuwait oder Katar gingen in den Sturzflug. Was spricht heute für oder gegen Investitionen im Nahen Osten?

Michael Haker, 22.12.2006
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Die Marktkapitalisierung der arabischen Börsen ist im Vergleich zu den europäischen Märkten klein. Beispielsweise sind es in Ägypten rund 50 Mrd. Euro, in den Vereinigten Arabischen Emiraten etwa 135 Mrd. Euro und in Bahrain nur 16 Mrd. Euro. Hierzulande hat allein Siemens eine Marktkapitalisierung von 65,3 Euro. Die Deutsche Bank, Siemens und die Deutsche Telekom sind zusammen mehr wert als alle in Dubai notierten Aktien. Ein besonderes Risiko bei Anlagen in solch kleinkapitalisierten Märkten ist deren Abhängigkeit von großen Investoren. Entschließen sich beispielsweise zwei oder drei institutionelle Anleger, größere Geldmengen aus diesen Märkten abzuziehen, so wirkt sich das unmittelbar auf die gesamte Börse aus und lässt die Kurse fallen. Gleiches gilt für den Einfluss von Privatanleger

n in der Region. Einmal treiben sie die Kurse nach oben, dann wieder kann keiner schnell genug den Ausgang finden.

Des Weiteren ist bei einer Investition in den Orient das ökonomische Umfeld zu betrachten. Die meisten Länder exportieren nach wie vor hohe Ölmengen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten machen die Einnahmen aus dem schwarzen Gold rund 37% des BIP aus. In Saudi-Arabien werden fast 90% der Einnahmen durch den Verkauf von Erdöl und Erdölprodukten erzielt. Auch Kuwait ist von dem fossilen Brennstoff sehr abhängig. Das bedeutet kurzum: Wenn der Ölpreis unter Druck gerät, so könnte das auch die Aktienmärkte in Mitleidenschaft ziehen. Andererseits: Wieso sollte man überhaupt in Länder investieren, die förmlich in Geld schwimmen?

Bahrain

Bahrain ist in der Region eine Ausnahme. Dort verlor der Aktienmarkt während der Korrektur weniger als im regionalen Durchschnitt. Öl- und Erdgasexporte tragen nur zu ca. 18% zum Bruttosozialprodukt bei. Zudem wird vermutet, dass die Ressourcen an fossilen Brennstoffen schon bald zu Ende sein werden. Die zweite wichtige Einnahmequelle des Landes ist die Aluminiumherstellung, die 3% vom Weltmarkt ausmacht. Zudem entwickelt sich Bahrain zum zentralen Standort für Finanzdienstleister in der Region mit über 350 dort registrierten Finanzinstitutionen, von denen viele auch „Islamic Banking“ anbieten. Jüngst hat die Hannover Rück in Bahrain eine Tochtergesellschaft für Sharia-konformes Rückversicherungsgeschäft eröffnet. Sie ist nun zusammen mit Siemens und der Deutschen Post ein weiteres großes Unternehmen in dem 700.000 Einwohner kleinen Königreich.

Wie investieren die Profis?

Die Auswahl an Fonds mit Fokus auf den arabischen Raum ist beschränkt. Wer sich trotz gewisser Risiken dennoch für eine Investition interessiert, sollte sich den JPM Middle East Equity (LU0083573666) genauer ansehen. Der Fonds hat ein Volumen von 306 Mio. USD, ist allerdings in keinem der oben genannten Länder investiert. Die größten Positionen des Fonds liegen in der Türkei (33%), Israel (27%), Ägypten (25%) und Marokko (7%). All diese Länder haben eines gemeinsam: Der Export von Erdöl oder Erdölprodukten trägt nicht wesentlich zum Bruttoinlandsprodukt bei.

Türkei

In der Türkei liegt ein deutliches Ost-West-Gefälle vor. Während der Osten und Südosten hauptsächlich von der Landwirtschaft abhängig sind, liegt im Westen des Landes die Industrieproduktion (Textil, Fahrzeuge, Chemie, Maschinen, Elektrobranche). Den größten Teil zum BIP trägt der Dienstleistungssektor mit einem Gewicht von rund 60% bei. Die Türkei ist sehr vom Tourismus abhängig, daher stellen Terroranschläge in Tourismusgebieten einen Störfaktor für die Wirtschaft des Landes dar. Im ersten Halbjahr 2006 lag das Wachstum bei 7,5% nach 7,6% in 2005 und 10% in 2004. Hauptanker für den weiteren Aufschwung ist die Aussicht auf einen Beitritt zur EU, von dem sich das Land weitere Mehreinnahmen erhofft. Die drittgrößte Position im JPM Middle Eastern Equity Fund ist die Turkcell Iletisim. Die Aktie des größten Mobilfunkanbieters der Türkei ist mit 6,7% im Fonds gewichtet. Es wird kalkuliert, dass im türkischen Markt eine Mobilfunkabdeckung von etwa 68% herrscht. Der Marktanteil von Turkcell beläuft sich auf 62%. In Deutschland, Italien oder Finnland beträgt die Handy-Marktabdeckung bereits über 100%, was auf weiteres Potential in der Türkei hoffen lässt.

Israel

Die zweitgrößte Position des JPM Middle East Equity ist das israelische Pharmaunternehmen Teva Pharmaceutical Industries mit einer Gewichtung von 8%. Es gehört nach eigenen Angaben zu den 20 größten Pharmakonzernen weltweit mit einer Marktkapitalisierung von rund 20 Mrd. Euro. Teva ist der größte Generika-Hersteller mit einem Jahresumsatz in 2005 von 4 Mrd. Euro. 90% der Produktion werden in den USA und in Europa verkauft. Daneben finden sich im JPM Middle Eastern Fund zu rund 10% Aktien von israelischen Finanzinstituten. Ein Vorteil Israels ist die hoch entwickelte Marktwirtschaft und das dort vorhandene Potential der Arbeitskräfte. Zudem zählen israelische Personen- und Objektschützer sowie Militärausbilder zu den besten in der Branche. Durch die politisch angespannte Lage im Nahen Osten sind israelische Unternehmen gezwungen, Geschäftspartner im Ausland zu suchen. Zumal auch die 7 Mio. Menschen kleine Bevölkerung keinen ausreichend großen Absatzmarkt darstellen kann. Einige der wichtigsten Exportprodukte sind neben Pharmaerzeugnissen auch militärische Ausrüstung sowie Softwareprodukte und Hightech-Zubehör. So gehört Israel zu den größten Rüstungsexporteuren weltweit. Die Hauptabsatzmärkte sind neben den USA auch Russland, China und Indien.

Ägypten

Ägypten ist mit 77,5 Mio. Einwohnern das bevölkerungsreichste Land des Nahen Ostens. 20% lebten jedoch unterhalb der Armutsgrenze. 16% des BIP sind von der Agrarwirtschaft abhängig, in der ein Drittel der Bevölkerung beschäftigt ist. Der Industriesektor trägt 34% und der Dienstleistungssektor 50% zum BIP bei. Die wichtigsten Wirtschaftssektoren Ägyptens sind neben dem Öl- und Erdgasexport der Tourismus, in dem 10% aller Arbeitsplätze angesiedelt sind. Am meisten investieren Großbritannien und die USA in Ägypten. Für sie stellen neben dem Rohstoffsektor auch der Telekommunikations- und Informationssektor sowie die Tourismusbranche die größten Chancen dar. In Ägypten werden etwa 1% der weltweiten Gasvorkommen vermutet. Die Fördermenge der fossilen Brennstoffe beträgt 700.000 Barrel pro Tag. Die Orascom Telecommunication ist die größte Position des JPM Middle East Equity mit 8,8% Gewichtung. Das Telekommunikationsunternehmen ist führend in 7 Ländern der Emerging Markets und hat bei 460 Mio. potentiellen Kunden nach eigenen Angaben einen Marktanteil von 8%. Orascom ist ein Mischkonzern, der neben Telekommunikationsdiensten auch im Bereich Tourismus und Bauwesen tätig ist. Im Jahr 2005 hatten in Ägypten 10 Mio. Menschen einen regulären Telefonanschluss, 14 Millionen ein Handy und nur 5 Mio. Menschen besaßen einen Internetanschluss. Somit hat der ägyptische Telekommunikationsmarkt noch viel Aufholpotential.

Der Fonds aus dem Hause JP Morgan hat einen Ausgabeaufschlag von 5%. Als jährliche Managementgebühr werden 1,5% fällig zuzüglich operativer und administrativer Aufwendungen von 0,45%. Die Rücknahmegebühr beträgt 0,5%.

Ein solch spezialisiertes Investment ist nur für Anleger mit hoher Risikotoleranz als Beimischung geeignet. Andere Interessenten fahren mit breiter aufgestellten Osteuropafonds, von denen einige auch im Nahen Osten und dem Mittelmeerraum investieren, besser. Noch breiter lassen sich die Risiken in einem globalen Schwellenländerfonds streuen.
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