Das Wichtigste sind die Produkte und deren langfristiges Umsatzpotential. Hier kommt es auf die medizinische Indikation an und wie viele Patienten davon betroffen sind. Wir analysieren den Aufbau der klinischen Studien und deren Ergebnisse sehr genau. Dabei suchen wir oft das Gespräch mit meinungsführenden Forschern und Medizinern. Zweiter Punkt ist die erwartete Profitabilität, die wir in Form von Cash Flow Return on Investment (CFROI) berechnen, und die wir über mindestens 5 Jahre in unseren Modellen prognostizieren. Daneben betrachten wir marktübliche Bewertungskriterien wie KGV oder EV/EBITDA. Bei jungen Bi
otechnologieunternehmen muss man den Horizont über 5 Jahre hinaus legen, bis vernünftige Rentabilitäts- oder Umsatzniveaus erreicht werden.
Pfizer ist zwar einer der größten Einzeltitel im Portfolio, aber gegenüber der Benchmark MSCI World Health Care untergewichtet. Die Probleme mit dem Medikament haben sich bereits seit längerem abgezeichnet. Wir hatten für Torcetrapib keine Umsätze angesetzt und mussten so in unserem Modell nichts ändern. Wenn überhaupt hätten wir die Einführung erst ab 2010 erwartet. Auch die DWS hat aus diesen Gründen keine wesentlichen Positionen in Pfizer. Überraschend an der Einstellung des Medikaments war vor allem, dass die Ankündigung zwei Tage nach einer Analystenkonferenz kam, in der davon keine Rede war.
Welche Rolle spielt es, dass Pfizer gleichzeitig mehr Informationen über seine Forschungspipeline und dabei auch über frühere Entwicklungsphasen offen gelegt hat?
Die Entwicklung eines Medikaments erfolgt in mehreren Stufen. Es wird erst an Tieren ausprobiert, dann in einer kleinen Studie an gesunden Menschen, in der Phase II werden die Dosierungen ausprobiert. In Phase III werden Zulassungsstudien durchgeführt, in der Regel eine in Europa und eine in den USA. Erste gute Anhaltspunkte bekommt man erst mit Phase-II-Daten, möglicherweise noch darüber hinaus mit zusätzlichen kleineren Studien am Menschen. Informationen über frühere Phasen sind in der Regel mit einer hohen Unsicherheit behaftet. Sie fließen in unserer Betrachtungen kaum ein. Wenn Pfizer mehr Informationen über die frühe Forschungs-Pipeline gibt, ist das schön, ändert aber nichts am grundlegenden Bild des Unternehmens.
Sie sagten, dass ein Titel wie Pfizer im Fonds derzeit untergewichtet ist. Können Sie sich vorstellen, eine solche Aktie, die einen großen Anteil am Vergleichsindex hat, gar nicht zu halten?
Ja. Allerdings sind wir für das Unternehmen nicht so negativ gestimmt, als dass wir es komplett meiden würden. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis von 12,5 anhand der geschätzten Gewinne für 2007 ist günstig. Zudem wurde eine deutliche Dividendenerhöhung angekündigt sowie ein massives Aktienrückkaufsprogramm, das durch den Verkauf der Konsumgütersparte an Johnson & Johnson ermöglicht wurde. Über zwei Jahre sollen es 17 Mrd. US-Dollar sein, was etwa 10% der Marktkapitalisierung entspricht.
Pfizer reduziert sein Verkaufsteam. In diesem Zusammenhang ist von einem positiven Paradigmenwechsel in der Branche die Rede. Was ist damit gemeint?
Der Pharmaindustrie ist es sehr wohl bewusst, dass sehr viele Patente auslaufen und dass man mit der Produktneuentwicklung nicht so schnell vorankommt wie erhofft. Die etablierten Konzerne sind so groß geworden, dass sie ihr Umsatzwachstum nur noch schwer voranbringen. Es liegt gegenwärtig nur noch bei 5-6%. Das reicht den Aktionären in der Regel nicht, da sie noch von früheren Umsatzwachstumszahlen in der Höhe von 10% und Gewinnsteigerungen von 15% verwöhnt sind. Mittlerweile ist das Gewinnwachstum auf 10% gefallen. Um das Wachstum der Gewinne pro Aktie zu beschleunigen, können die Unternehmen Aktien zurückkaufen oder aber die Kosten senken. Der Markt und auch wir würden es nicht begrüßen, wenn die Forschungsausgaben reduziert würden, denn dies sind Investitionen in die Zukunft. Es bleibt also der große Block der Kosten für die Vertriebsmannschaft, die Pharmareferenten. Seit zwei Jahren wird diskutiert, welcher große Pharmakonzern sich zuerst bewegt und die Anzahl seiner Vertriebsleute deutlich reduziert. Denn es ist vor allem in den USA oftmals so, dass ein Medikament bei einem Arzt mit mehreren Vertriebsleuten beworben wird. Das ist ineffizient. Die Ärzte reagieren ganz natürlich und schalten auf Durchzug. Deshalb hat Pfizer angefangen, seine Vertriebsmannschaft zu reduzieren. Die Frage ist, ob die Konkurrenten folgen oder im Gegenzug sogar ihren Vertrieb aufstocken. Wahrscheinlich ist letzteres nicht der Fall. Ein Paradigmenwechsel würde demnach einsetzen, wenn alle großen Pharmakonzerne die Zahl ihrer Pharmareferenten verringern.
Wie hoch sind die Vertriebskosten bei den großen Branchenvertretern?
Sie werden nicht genau aufgeschlüsselt, dürften aber nach Schätzungen bei 20-25% des Umsatzes liegen.
Die Entwicklungsprobleme bei den großen Konzernen sind bekannt. Gibt es Zeichen der Besserung?
Die europäischen Konzerne standen in den letzten 3-4 Jahren besser da als die Amerikaner. Dies haben wir auch im Portfolio entsprechend umgesetzt. Momentan lässt sich diese Unterscheidung nicht mehr so leicht machen.
Es gibt isolierte Fälle, wo sich etwas tut. Beispiel ist Roche durch die starke Biotechkomponente. Roche wird unserer Einschätzung nach in den kommenden Jahren das höchste Umsatz- und Gewinnwachstum unter den großen Pharmakonzernen zeigen.
Im Gegensatz dazu fokussieren wir uns für die Fonds zunehmend auf die innovativen kleinen und mittelgroßen Pharmaunternehmen. Hier ist die Übernahme- und Konsolidierungswelle im Sektor ist voll im Gange. So gab es in Europa in diesem Jahr die Übernahme von Schering durch Bayer, von Schwarz Pharma durch UCB oder der Altana-Pharmasparte durch Nykomed. Die Kriegskassen von Big Pharma sind gut gefüllt. Sie werden damit verstärkt extern entwickelte Medikamente aufkaufen, um ihre Produktpipelines aufzufüllen. Davon sollte insbesondere Biotechunternehmen profitieren.
Herkömmliche Medikamente haben durch Patentabläufe Konkurrenz durch günstigere Generika. Wie sieht es damit für biotechnologische Wirkstoffe aus?
Generika für Tabletten, i.d.R. chemisch-synthetische Wirkstoffe, sind relativ leicht herzustellen. Die Gesetzgebung und gesundheitsbehördliche Zulassungswege hierfür sind ausgereift. Anders sieht es bei der Nachahmung von Proteinen aus. Diese werden in aufwendigen biotechnologischen Verfahren hergestellt. In Europa wurden erst vor kurzem Registrierungsrichtlinien geschaffen, in den USA wird die Gesetzgebung für Biogenerika aber erst noch diskutiert. Wir sehen deshalb keine wesentliche Bedrohung vor 2010 für die meisten biotechnologischen Produkte. Auch danach erwarten wir, dass Ärzte bei der Einführung von Biogenerika den Wechsel nur langsam vollziehen werden, da sie erst im Laufe der Zeit das Vertrauen gewinnen müssen, dass das Nachahmerprodukt dieselben Eigenschaften aufweist wie das Originalpräparat.
Inwieweit sind Generikahersteller im Fonds vertreten?
Wir erwarten aufgrund zahlreicher Patentabläufe und dem Kostendruck im Gesundheitssystem für Generika ein zweistelliges Volumenswachstum. Das Problem ist, dass der Preis fast genauso schnell fällt wie das Volumen wächst. Der Generikamarkt als solcher ist daher nicht attraktiv. Stattdessen setzen wir vor allem auf diejenigen Unternehmen, die von Volumenssteigerungen profitieren, wo also dieser Volumenseffekt den Preiseffekt überkompensiert. Sie sind stark in Schwellenmärkten wie Osteuropa präsent, wo Generika aus Kostengründen oft die einzige Alternative sind und der Medikamentenverbrauch noch weit unter dem Niveau in den etablierten Märkten liegt. Dazu gehört Stada durch die starke Expansion in Russland. Oder Zentiva, der tschechische Generikahersteller.
Der Fonds liegt im laufenden Jahr hinter seiner Benchmark. Ein Grund waren die US-Krankenversicherer im Portfolio.
Grundsätzlich denken wir, dass die Privatisierung des staatlichen US Krankenversicherungswesens weiterhin starke Wachstumschancen bietet. Nach 5 Jahren steigender Gewinnmargen sind allerdings möglicherweise die Grenzen erreicht und das Risiko-Chancen-Profil hat sich etwas verschlechtert. Dennoch generieren die Untenehmen sehr hohe Cash-Flows. Wir haben den Anteil der Krankenversicherer im Portfolio reduziert bleiben aber übergewichtet.
In Branchenfonds für Gesundheitswerte sind US-Unternehmen sehr stark vertreten. Wie gehen Sie mit dem Währungsrisiko für Euro-Anleger um?
40% des Umsatzes und sogar 60% der Gewinne in der Gesundheitsbranche werden in den USA erwirtschaftet. Etwas über die Hälfte des Portfolios besteht momentan aus amerikanischen Werten. Wenn es im Hause DWS eine starke Meinung in Bezug auf den Dollar gibt, sichern wir üblicherweise 10-20% der Dollar-Bestände gegen Wechselkursrisiken ab. Zur Zeit findet keine Absicherung statt.
Nun sind Health-Care-Fonds derzeit nicht besonders gefragt und stehen auch nicht im Vertriebsfokus.
Aktien aus dem Gesundheitssektor gelten als defensives Investment. Tatsächlich hat sich die Branche genauso entwickelt, wie man es erwarten würde. Wenn negative Konjunkturaussichten vorherrschten, floss Geld in den Sektor und wurde wieder abgezogen, sobald die Stimmung sich aufhellte.
Für die Gesundheitsbranche spricht neben der geringen Konjunkturempfindlichkeit, dass sie einer der forschungsintensivsten und innovativsten Wirtschaftszweige ist. Das größte Potenzial liegt in den Bereichen Biotechnologie, Diagnostik, Medizintechnik und Dienstleistung. Diese haben wir auch aufgestockt, während der Anteil der großen Pharmakonzerne im Portfolio in den vergangenen Jahren gesunken ist.
Vielen Dank für das Gespräch.