Immobilienfonds: Betongold mit Schrammen

66 Prozent Wachstum in zweieinhalb Jahren. Deutsche Immobilienfonds sind die neuen Stars in der Fondsbranche, sie sammeln mehr Geld ein als jede andere Fondskategorie. Doch die gewohnte Wertentwicklung ist nicht weiter zu halten, von mehreren Seiten kommen die konservativen Portfolios unter Druck.

Adriaan Bonauer, 29.07.2003
Facebook Twitter LinkedIn
Das Fondsvermögen der in Deutschland zugelassenen offenen Immobilienfonds stieg nach Berechnungen des Maklerunternehmens Dr. Lübke in den vergangenen zweieinhalb Jahren um 66 Prozent auf über 80 Milliarden Euro. Auch im laufenden Jahr sind diese Portfolios gefragt wie nie. Nach Zahlen der Bundesbank wurden im Mai Anteile von Publikumsfonds im Wert von zwei Milliarden Euro neu abgesetzt. 1,3 Milliarden davon machen die Bau-und-Boden-Fonds aus.

Vier Probleme auf einmal

Diese starken Zuflüsse bilden das erste Problem für die Anbieter. Denn die Mittel können nicht sofort in neue Immobilien investiert werden. `Ein Kaufabschluss von

Immobilien braucht nicht selten mehrere Monate´, wie Dietmar Müller vom Marktführer Commerz Grundbesitz Invest bestätigt. Während dieser Zeit wird der Barbestand am Geld- oder am Rentenmarkt zwischengeparkt. Durch den starken Rückgang der Zinsen sind hier aber keine hohen Renditen mehr zu erwirtschaften.
Dass die Fonds Probleme mit den Zuflüssen haben, zeigt sich an den hohen Liquiditätsquoten (siehe Tabelle rechts). Anbieter geeigneter Objekte kennen den Anlagenotstand der Fondsmanager und können gegebenenfalls höhere Preise durchsetzen. Die hohen Mittelzuflüsse dürften sich in der nächsten Zeit auch nicht ändern: Nach einer Umfrage des Maklers Dr. Lübke von Anfang Juli erwarten 67 Prozent der befragten Immobilienfonds-Anbieter gleichbleibende Zuflusse. 23 Prozent sehen weniger neue Gelder, während zehn Prozent sogar einen steigenden Erfolg voraussagen. Einigkeit herrscht in der Dr. Lübke-Untersuchung auch darin, dass sowohl Leerstandsraten steigen und Mieten sinken werden.

Problem zwei und drei sind mehr und mehr unvermietete Flächen und zugleich fallende Mieten. Im Durchschnitt besteht ein Immobilienportfolio zu 74 Prozent aus Büro- und Praxisflächen, wie der BVI ausgerechnet hat. Doch gerade hier kriselt es. Während der Pressekonferenz für das größte Portfolio Haus-Invest im Juni wurde vermerkt: „Die gesamtwirtschaftlich ungünstigen Rahmenbedingungen der letzten Monate haben die Gutachterausschüsse veranlasst, bei ihren inländischen Nachbewertungen niedrigere Mieten bei anstehenden Neuvermietungen oder Vertragsverlängerungen anzusetzen. Erst nach einer Belebung der konjunkturellen Entwicklung in Deutschland (...) sind wieder positive Wertentwicklungen zu erwarten.“ Auch Atis Real Müller, einer der großen Berater für Gewerbeimmobilien, stellt in einem Lagebericht vom Juli fest: „Die Höchstmieten haben an fast allen Standorten in den ersten sechs Monaten 2003 weiter nachgegeben.“ Der aktuelle Jahresbericht des SEB Immonvest beschreibt den europaweiten Rückgang der Spitzenmieten mit durchschnittlich über zehn Prozent, im Höchstfall Frankfurts sogar mit mehr als 19 Prozent.
Die noch weiter sinkenden Mieten wirken sich besonders dann negativ aus, wenn ein großer Anteil der enthaltenen Mietverträge kurzfristig ausläuft. Im Durchschnitt aller offenen Immobilienfonds laufen elf Prozent des Bestandes noch im laufenden Jahr aus. 2004 werden voraussichtlich acht Prozent fällig, wie der Branchenverband BVI analysierte. Portfolios, die einen hohen Bestand an bald auslaufenden Verträgen ausweisen, sind also besonders gefährdet. Denn neue Verträge werden heute zu wesentlich günstigeren Konditionen für Mieter geschlossen.

Auch der Anstieg der Leerstandsquote muss als besorgniserregend bezeichnet werden. Das Forschungsinstitut Gesellschaft für Immobilienwirtschaftliche Forschung e.V. kommt in einer Untersuchung zu dem Schluss, dass vom Jahr 2000 bis 2002 die Leerstandsquoten in den wichtigsten deutschen Büromärkten von 3,4 über 3,6 auf 5,7 Prozent gestiegen sind.

Die Ursache dieser schlechten Zahlen liegt in der Konjunktur. Besonders Deutschland lieferte zuletzt im europaweiten Vergleich schlechte Zahlen. Fondsinitiatoren versuchen, auf ausländische Immobilien auszuweichen. Von den 12,5 Milliarden Euro, für die die Fonds von Mai 2002 bis April 2003 Objekte kauften, wanderten 7,6 Milliarden ins Ausland, mit großem Abstand nach Frankreich, dann nach Großbritannien und Italien. So hat der größte offene Immobilienfonds, der Haus-Invest, mittlerweile über 75 Prozent seines Bestandes nicht in Deutschland.

Abgesehen von den enormen Mittelzuflüssen und den Tücken der Konjunktur wird regelmäßig auch die fehlende Transparenz diskutiert. Der Immobilienberater Ernst & Young Real Estate kritisierte Ende Juni die deutschen offenen Immobilienfonds. Er fragt sich, ob Gutachter ihre Bewertungsspielräume nicht etwa in einem zu hohen Ausmaß genutzt haben. Um Zweifel an der Bewertung der Immobilien zu beseitigen, fordern die Berater eine zweite, unabhängige Kontrollinstanz neben dem bisherigen Gutachterausschuss.
Heute werden die Immobilien im Bestand regelmäßig durch ein solches Gremium bewertet. Da es keinen laufenden Handel für Immobilien gibt, bestehen durchaus Spielräume bei der Schätzung. Nur so ist es übrigens zu erklären, dass die Portfolios noch niemals in einem Jahr einen Verlust ausweisen mussten.

Fazit

Insgesamt spiegeln sich die Probleme in der Wertentwicklung wieder. Die Jahresperformance ist in den meisten Fällen niedriger als die jährliche Entwicklung nach drei oder fünf Jahren. Auch wenn die Fonds wegen der bestehenden Bewertungsreserven kaum je nachhaltig einen Verlust ausweisen werden, werden sich Anleger doch mit niedrigeren Wachstumsraten zufrieden geben müssen.

Facebook Twitter LinkedIn

Im Artikel erwähnte Wertpapiere

BezeichnungKursVeränderung (%)Morningstar Rating
CS Euroreal A EUR2.06 EUR0.00

Über den Autor