Emerging Markets: Der demographische Wandel ist entscheidend

Bei Anlagen in Schwellenländern sind differenzierte Strategien vonnöten.

Lee Davidson 17.05.2012
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Das starke Wirtschaftswachstum der Schwellenländer gilt als das schlagende Argument für ein Aktieninvestment in den aufstrebenden Ländern. Investoren, die dieser Logik gefolgt sind, wurden jedoch bislang bitter enttäuscht. Auch langfristig lagen die Renditen unter den optimistischen Erwartungen. Obwohl die Wirtschaft in den Emerging Markets rasant gewachsen ist, haben die Aktienmärkte nicht Schritt halten können. Tatsächlich haben sowohl Wissenschaftler und als auch Praktiker gleichermaßen herausgefunden, dass das BIP-Wachstum und der Aktienmarkt erstaunlich gering miteinander korreliert sind. Da ETFs letztlich handelbare Aktienindizes darstellen, ergibt sich die Frage, wie Investoren sie am besten einsetzen sollten, um am künftigen Wirtschaftswachstum der Schwellenländer teilzunehmen. Um dieser Frage nachzugehen, müssen wir die bisher häufig geäußerte globale Wachstumsthese überdenken: Statt von dem Wachstum zu sprechen, gilt es, die eigentlichen Wachstumsfelder in den Emerging Markets zunächst trennscharf zu identifizieren. Erst danach stellt sich die Frage nach den geeigneten Anlagevehikeln. 

Die Investment-Story der Schwellenländer sollte heutzutage am ehesten mit Blick auf die demographische Entwicklung aufgesetzt werden. Mit Ausnahme der USA schrumpft der Anteil der arbeitsfähigen Bevölkerung in den Industrieländern. Bis Mitte 2020 wird die Bevölkerung der Eurozone wahrscheinlich irreversibel zurückgehen, und bis 2050 wird ein Drittel der Bevölkerung über 65 Jahre alt sein. Im Gegensatz dazu befinden sich die Schwellenländer derzeit im sogenannten demografischen Sweetspot, wo sich die Bevölkerungsentwicklung positiv auf das Wirtschaftswachstum auswirkt. In der ASEAN-Wirtschaftsregion sind z. B. über 40% der Bevölkerung unter 20 Jahre alt. Einen ähnlichen, wenn auch weniger stark ausgeprägten Trend gibt es in den so genannten BRIC-Staaten. Die beiden unteren Grafiken (Quelle: UNO) zeigen beispielhaft die unterschiedliche demographische Entwicklung zwischen Entwicklungsländern und den Industrienationen anhand des Vergleichs der Asean-Staaten mit der Eurozone.


 


Das relative und absolute Übergewicht der jungen Bevölkerungsgruppen in den Schwellenländern impliziert ein künftiges Wirtschaftswachstum – allerdings mit einer speziellen Ausprägung: es kommt dem privaten Konsum zugute. In den vergangenen 20 Jahren wurde das BIP-Wachstum der Schwellenländer sowohl durch Infrastrukturinvestitionen als auch durch ein exportorientiertes Wachstumsmodell getrieben. Produktivitätssteigerungen haben das Exportwachstum begünstigt, was zu Einnahmen in harten Währungen führte, was wiederum dazu beitrug, die Produktionskapazitäten erneut zu steigern. Dieser dynamische Kreislauf hat die Industrialisierung dieser Länder beschleunigt und somit auch den Lebensstandard erhöht.

Doch dieses Wachstumsmodell ist endlich. Da die Schwellenländer immer mehr zu den Industriestaaten aufschließen, entwickeln sich diese Länder von exportorientierten hin zu konsumorientieren Ökonomien. Mit einer aufstrebenden Mittelschicht in den meisten Schwellenländern steigt heutzutage das frei verfügbare Einkommen pro Kopf zwangsläufig. Daher sind heimatorientierte Unternehmen am besten positioniert, um von der zunehmenden Kaufkraft zu profitieren. Hierzu zählen Firmen aus den Konsumgüter- und Verbrauchsgüterbranchen sowie solche aus den Sektoren Gesundheit, Finanzen und Industrie.

Analysen dieser Sektoren anhand des Fama/French-Faktormodel zeigen jedoch, dass diese naheliegenden Investmentideen schon gut gelaufen sind. Unter Berücksichtigung der Marktrisiken weisen heimatorientierte Unternehmen seit 1995 konstante Renditeprämien gegenüber exportorientierten Unternehmen aus den Branchen Energie, Grundstoffe, IT- und Versorger auf. Die Prämien bei den heimatorientierten Unternehmen können in allen Fällen auf verschiedene Faktoren bzw. Faktorkombinationen wie Größe, Bewertung und Momentum zurückgeführt werden, die so nicht in export- und investitionsorientierten Unternehmen vorzufinden sind. Dies heißt im Umkehrschluss, dass in der Vergangenheit durch ein Investment in heimatorientierte Branchen und Unternehmen der Schwellenländer mit demselben Marktrisiko (sprich Beta) ein statistisch signifikantes "Alpha" (in Gestalt von Größen-, Value- und Momentumprämien) erzielt werden konnte.

Die Prämien, die auf dem Nebenwerte-Faktor beruhen, machen Anlagen in nach Marktkapitalisierung gewichtete Indizes allerdings problematisch. Aufgrund ihrer relativ geringen Größe werden heimatorientierte Unternehmen in den meisten herkömmlichen Indizes relativ zu ihrem zukünftigen Beitrag zum BIP-Wachstum untergewichtet. Daher ist es wenig überraschend, dass die meisten ETFs auf Aktien der Schwellenländer diese Sektoren untergewichten. Einen großen, liquiden ETF auf diese Sektoren zu finden ist daher leichter gesagt als getan.

Derzeit ist db x-trackers der einzige ETF-Anbieter in Europa, der ein komplettes Angebot an Branchen-ETFs für Schwellenländeraktien anbietet. Allerdings haben die meisten dieser ETFs ein verwaltetes Vermögen von weniger als 4 Mio. Euro und weisen einen durchschnittlichen Tagesumsatz von nur 15.000 Euro auf. Während potenzielle Anleger die geringe Liquidität im Kopf behalten sollten, können diese ETFs für die gewünschten Märkte der Schwellenländer verwendet werden, um von der bestmöglichen Fama/French-Faktorkombination zu profitieren.

Mit 200 Mio. Euro an verwaltetem Vermögen und einem relativ hohen Tagesumsatz findet sich der iShares MSCI Emerging Markets Small Cap ETF mit Blick auf die Marktkapitalisierung eine Stufe unterhalb der anderen ETFs, die den MSCI Emerging Markets Index abbilden. Dieser ETF bildet jene Sektoren, die vom Binnenwachstum profitieren, nahezu perfekt ab. Der Bezugsindex des iShares-ETF besteht zum Großteil aus Basiskonsumgütern (20%) sowie Industrie- (17%) und Finanzwerten (17%). Hingegen machen die IT-, Versorger-, und Telekommunikationsbranchen nur insgesamt 14% des Indexwertes aus. Darüber hinaus besteht das Portfolio zu rund 50% aus demographisch besonders begünstigten Ländern, wie etwa Brasilien und die ASEAN-Staaten.

Die demographische Entwicklung zeigt, dass sich die Schwellenländer von exportorientierten zu konsumorientierten Ökonomien wandeln werden. Nach diesem Szenario bestehen die profitabelsten, langfristigen Investmentmöglichkeiten wahrscheinlich in Unternehmen und Branchen, die die Bedürfnisse der Konsumenten der Schwellenländer bedienen. In der Tat haben heimatorientierte Firmen historisch gesehen stabilere Renditeprämien im Vergleich zu exportorientierten Branchen erwirtschaftet. Obwohl die Möglichkeiten für diese spezielle Strategie begrenzt sind, stellen ETFs dennoch ein ausgezeichnetes Investment dar, um diese Marktnischen auszunutzen.

* Der Beitrag erschien ursprünglich in der Mai-Ausgabe des "Extra Magazin".

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Über den Autor

Lee Davidson  is Head of Manager and Quantitative Research.