Die plötzliche Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die meisten neuen Zölle - einschließlich der so genannten reziproken Zölle gegen europäische Länder - für 90 Tage auszusetzen, hat die Aktienkurse weltweit in die Höhe schnellen lassen.
Der Leitindex Stoxx Europe 600 stieg am frühen Donnerstag um bis zu 7 % und machte damit die starken Verluste wett, die er seit Wochenbeginn aufgrund von Befürchtungen über einen sich zuspitzenden Handelskrieg mit den Vereinigten Staaten erlitten hatte.
Die europäischen Banken flagen vorne, wobei der Stoxx 600 Banks-Index um bis zu 9 % und der Index des Finanzdienstleistungssektors um 8 % zulegte. Die britische Barclays BARC war mit einem Plus von 12 % am späten Vormittag der Spitzenreiter in diesem Sektor.
“Viele sagen, dass das Worst-Case-Szenario nun vom Tisch ist”, sagte Michael Field, Chefstratege für europäische Märkte bei Morningstar. “Aber die Auswirkungen des Handelskriegs werden wahrscheinlich noch einige Zeit bestehen bleiben.
Nachdem der US-Leitindex S&P 500 am Mittwoch fast 10 % höher schloss, deuten die Futures auf den Index auf eine leicht negative Eröffnung hin. Der japanische Nikkei 225 schloss 9 % höher. Chinesische Aktien stiegen indes zumeinst nicht, da das Land weiterhin im Zentrum von Trumps Zorn steht und mit weiteren Zollerhöhungen rechnen muss.
Trump macht Rückzieher
Inmitten eines weltweiten Aktienausverkaufs kündigte Trump am Mittwoch an, dass die meisten der am “Liberation Day” beschlossenen Maßnahmen für 90 Tage ausgesetzt würden und dass alle Länder, die keine Vergeltungsmaßnahmen ergriffen hätten - alle außer China - stattdessen mit einem reduzierten “Gegenzoll” von 10 % belegt würden. Gleichzeitig wurden die US-Zölle gegen China erneut auf 125 % erhöht.
Während der 90-tägigen Pause sollen 75 Länder mit den US-Offiziellen über Schritte zur Abschwächung der ausgesetzten Handelshemmnisse verhandeln - z. B. über eine Verlagerung der Produktion in die USA oder die Zustimmung zu verstärkten Einfuhren von US-Waren, vor allem Energie.
“Ein großer Rückzieher von Trump; er stand eindeutig unter großem Druck von seinen Anhängern und der Partei”, sagte Field von Morningstar. Zuvor hatten die Ökonomen von Goldman Sachs am Mittwoch vorausgesagt, dass die USA als Folge von Trumps Politik in eine Rezession geraten würden. Die Investmentbank nahm diese Vorhersage unmittelbar nach Trumps Ankündigung der 90-tägigen Pause zurück.
Turbulenzen am Anleihemarkt lassen nach
Die Renditen von US-Treasuries fallen am Donnerstag wieder. Dies folgt einem dramatischen Abverkaufs am Mittwoch, der die Renditen auf einen Höchststand von 4,5 % getrieben hatte. Die Anleiherenditen bewegen sich entgegengesetzt zu den Anleihekursen und steigen während eines Ausverkaufs stark an. Die 10-jährige Treasury-Rendite lag am Donnerstag bei 4,29 %, während die 30-jährige Rendite von einem Höchststand von 5 % am Mittwoch auf 4,73 % fiel.
“Die Disziplin auf den Anleihemärkten hat sich einmal mehr als wirksames Instrument erwiesen, mit dem Regierungen ihren Ansatz neu ausrichten können”, sagte Nichola James, Managing Director in der Global Sovereign Ratings Group bei Morningstar DBRS. “Was wir jetzt sehen, ist jedoch keine Abkehr von der grundlegenden US-Politik, sondern ein alternativer Weg, um sie zu erreichen, und in diesem Umfeld bleibt die schädliche Unsicherheit für Unternehmen bestehen.”
Am Mittwoch hatten sich die Anleger von US-Staatsanleihen getrennt und damit deren Status als sichere Anlagen in Frage gestellt. Außerdem waren viele Hedgefonds gezwungen, ihre Positionen aufgrund des Markteinbruchs aufzulösen. Deutsche Bundesanleihen profitierten von der Flucht aus US-Papieren.
Am Donnerstag kehrte sich der Trend wieder um: die 10-jährige Bundesanleihe verzeichnete einen Renditeanstieg auf 2,65 % gegenüber 2,58 % am Vortag. Bei den Staatsanleihen der Peripherieländer blieb die 10-jährige italienische BTP stabil bei 3,87 %, während der Spread zwischen BTP und Bund deutlich auf 120 Punkte zurückging, was einem Rückgang von 7,44 % gegenüber Mittwoch entspricht.
Sara Silano hat zu dieser Geschichte beigetragen.
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