Deutsche Aktien: Der Ausblick für 2025

2024 lief soweit gut, was könnte für 2025 anstehen?

Antje Schiffler 10.12.2024
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Nach einem grundsoliden Aktien-Jahr 2024 - der Morningstar Germany Index markierte Anfang Dezember ein Allzeithoch - stehen die Weichen auch fürs neue Jahr auf Gewinn. Allen Negativnachrichten rund um Geopolitik, Regierungskrisen in Deutschland und Frankreich, Konjunkturschwäche und möglichen US-Zöllen zum Trotz: der deutsche Aktienmarkt präsentiert sich erstaunlich robust. Doch die Unsicherheiten mehren sich. Was spricht dafür, dass es weiter nach oben geht, was dagegen?

Deutsche Aktien: Weitere Aufschläge erwartet

Zum einen sind europäische und deutsche Aktien zurzeit günstig bewertet. “Auf absoluter Basis werden europäische Aktien nach unserem Bottom-up-Bewertungsmodell mit einem Abschlag von etwa 5% gehandelt. Nicht billig, aber auch nicht teuer im Vergleich zu dem, was die Märkte in den letzten Jahren gehandelt haben”, heißt es in Morningstars “2025 Outlook”. Europa - insbesondere das Vereinigte Königreich - sei die attraktivste Region der entwickelten Märkte weltweit. “Hinzu kommt der makroökonomische Rückenwind durch das steigende Bruttoinlandsprodukt, die sinkende Inflation und die niedrigeren Zinssätze”, so die Analysten.

Die Gewinnerwartungen sind ebenfalls positiv, was die Kurse stützt. Die Experten der DZ Bank erwarten Ende 2025 einen DAX-Wert von 21.500 Punkten. „Die Gewinnerwartungen der Großunternehmen sind trotz durchwachsener Konjunkturaussichten ordentlich“, betont Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie und Privatkunden bei der DZ Bank. Es helfe eine weiterhin starke globale Nachfrage nach hochwertigen deutschen Exportgütern, vor allem in Sektoren wie Technologie und Industrie.

Aktienkurse entkoppelt von Konjunktur

“Der Ausblick des DAX ist auch in Zukunft losgelöst von der deutschen Volkswirtschaft zu betrachten”, konstatiert Joachim Schallmayer, Leiter Kapitalmärkte bei der Deka, am 20. November vor Journalisten. Um die deutsche Wirtschaft ist es indes nicht gut bestellt. Laut Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater ist der Standort Deutschland ein „Sanierungsfall“ und steht vor immensen Herausforderungen, die sich durch die Wiederwahl Donald Trumps zum nächsten US-Präsidenten noch verschärfen. “Zur Gefahr für die deutsche Volkswirtschaft wird vor allem ihre hohe Abhängigkeit von der Automobilindustrie und deren Zulieferindustrien”, räumt Schallmayer ein. Allerdings spielen Automobilwerte für die Kapitalmärkte eine kleiner werdende Rolle.

Im Morningstar Germany Index etwa kommen die vier großen deutschen Autokonzerne kumuliert gerade einmal noch auf ein Indexgewicht von 7,86%. Zum Vergleich: SAP allein hat ein Gewicht von 13,5% in dem Index (lesen Sie hier mehr darüber, welche Aktien weitere Indexschwergewichte sind und hinter der Rallye in 2024 standen).

Die großen Unternehmen jenseits der Automobilindustrie hätten in diesem Jahr gute Unternehmenszahlen vorgelegt und solide Ausblicke gegeben, betont Schallmayer. Deshalb hätte selbst ein potenzieller weiterer Rückgang in den Unternehmensgewinnen und Kursen der Automobilaktien für den Kursverlauf des DAX nur sehr geringe Auswirkungen.

Globale Rahmenbedingungen wie fortschreitende Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank und ein gemäßigtes Wachstum der Weltwirtschaft stützen die Stimmung ebenso. Die divergierende Zinspolitik zwischen EZB und der US-Notenbank Fed (diese dürfte die Zinsen langsamer senken als die Europäer) dürfte den Euro schwächen. Das wiederum ist positiv für exportorientierte Unternehmen, welche in Deutschland reichlich zu finden sind.

Fraglich ist allerdings, wohin diese exportorientierten Unternehmen ihre Waren verschiffen sollen, wenn die USA Importe erschweren, China sich nur langsam erholt und Trump einer möglichen Annäherung Europas und Chinas wohl nicht tatenlos zuschauen würde, gibt Carsten Roemheld, Kapitalmarktstratege bei Fidelity, im Gespräch mit Morningstar zu bedenken. Zwar seien die Bewertungen deutscher Aktien günstig, doch seiner Einschätzung nach brauche es einen Auslöser, der die Stimmung hierzulande verbessert. Dieser könne etwa von einer neuen Regierung ausgehen, wenn diese zukunftsorientierte Investitionen ermöglicht. Hierzu gehöre auch, die Schuldenbremse zu lockern. Roemheld zeigte sich aber skeptisch, ob eine neue Bundesregierung alles wirtschaftspolitisch Notwendige auf den Weg bringen könne.

Konjunktureller Tiefpunkt dürfte erreicht sein

Johannes Müller, Chief Economist der DWS, verwies im Pressegespräch am 7. November indes auf die Resilienz europäischer, einschließlich deutscher, Unternehmen. „Wir unterschätzen immer wieder, wie flexibel Unternehmen auf Änderungen reagieren“, so Müller. Die europäische Wirtschaft dürfte die Talsohle durchschritten haben, vor allem, da der Tiefpunkt im Produktionszyklus erreicht sein dürfte. Zwar sei das Sentiment in Europa und Deutschland derzeit negativ, aber Unsicherheit könne sich auch in Aufbruchstimmung übersetzen.

„Der langanhaltende globale Abwärtstrend in der Industrie könnte 2025 enden. Davon dürften dann insbesondere europäische Unternehmen profitieren, insbesondere auch Nebenwerte“, erwartet Marcus Poppe, Co-Head europäische Aktien bei der DWS.

„Wir sehen weiteres Aufwärtspotential für den DAX und blicken für das kommende Jahr auch positiv auf die zurückgebliebenen Nebenwerte“, ergänzt DWS-Fondsmanagerin Sabrina Reeh. „Einige Unternehmen haben an den Kursbewegungen nicht partizipiert und nach wie vor ist der DAX im globalen Vergleich niedrig bewertet“, schrieb sie in einer Research Note am 3. Dezember, nachdem der deutsche Leitindex die Rekordmarke von 20.000 Zählern durchbrochen hatte.

Sollte es zu einem Stimmungswechsel kommen, könnte auch der private Konsum für einen erheblichen Schub sorgen, wenn die derzeit sehr hohe Sparquote in Europa von 15% sinkt und die Bevölkerung wieder mehr konsumiert.

Allerdings sei in näherer Zukunft nicht zu erwarten, dass europäische Aktien besser abschneiden als US-Titel – und das trotz des rekordhohen Bewertungsabschlags von 45%. Dazu seien die Konjunkturaussichten für die USA zu gut. Es gelte: Globale Investoren investieren nur dann verstärkt in Europa, wenn sich ein zyklischer Aufschwung abzeichne, betont Poppe.

Welche Auswirkungen hatte die Trump-Wahl 2024 für deutsche Aktien?

Während die Aussicht für die US-Konjunktur robust ist – auch durch wirtschaftsfreundliche Maßnahmen des designierten US-Präsidenten Donald Trump – dürfte dessen Wiederwahl die europäische Wirtschaft insbesondere durch protektionistische Maßnahmen ausbremsen. Exportabhängige Sektoren wie die Automobil- und Chemieindustrie stehen vor erheblichen Herausforderungen. Die DZ Bank prognostiziert für Deutschland ein BIP-Wachstum von nur 0,3%, stark belastet durch diese Handelspolitik, und auch die DWS schraubte ihre BIP-Prognose für Deutschland und die Eurozone nach dem Trump-Sieg herunter. Die DWS erwartet nun für 2025 ein BIP-Plus von 0,6% für Deutschland (vorige Prognose: 0,8%) und 0,9% (zuvor 1%) für die Eurozone.

Allerdings profitieren einige deutsche Unternehmen indirekt durch Trumps Wirtschaftspolitik. „Zum einen machen DAX-Konzerne rund 30% ihrer Umsätze in den USA. Sie könnten von niedrigeren Steuern profitieren. Darüber hinaus könnten europäische Unternehmen Nutznießer sein, wenn sich chinesische Produkte noch deutlich stärker verteuern und dadurch Marktanteile an Konkurrenten aus der Europäischen Union übergehen. Ganz in Eigenproduktion werden die USA ihre Importe kaum ersetzen können,“ so Sören Hettler von der DZ Bank im Kapitalmarktausblick der Bank. Profitieren dürften insbesondere traditionelle Energie- und Finanztitel, die von der erwarteten Deregulierung profitieren, sowie der Rüstungssektor, lautet seine Einschätzung.

Morningstars Analystin für den Rüstungssektor, Loredana Muharremi, sieht es ähnlich. Die Aktien europäischer Rüstungskonzerne dürften von höheren EU-Verteidigungsausgaben inmitten geopolitischer Spannungen und Druck aus den USA profitieren. Insbesondere Rheinmetall sei gut aufgestellt, davon zu profitieren, schreibt Muharremi.

Hinsichtlich der Autokonzerne verweist Morningstar-Autoanalystin Rella Suskin auf den hohen Produktionsanteil deutscher Autobauer in den USA. „Das Engagement der europäischen Autohersteller in den USA schwankt zwischen 10% und 30% in Bezug auf den Fahrzeugabsatz im Jahr 2023. Die meisten verfolgen eine „local for local“-Strategie und begrenzen so die Auswirkungen möglicher Importzölle unter einer Trump-Regierung. Stellantis und Porsche sind in Bezug auf das Absatzvolumen am stärksten exponiert, ihre Produktionsstrategie ist jedoch völlig unterschiedlich. Während der Absatz von Stellantis weitgehend durch die lokale Produktion gestützt wird, da das Unternehmen auf Fiat Chrysler basiert, hat Porsche keine Produktionsstätten in den USA“, erklärt Suskin. Daher sei Porsche vermutlich am meisten von den Zöllen betroffen.

Nach Trump-Sieg: Anleger ziehen massiv Gelder aus ETFs auf deutsche Aktien ab

Die Zu- und Abflüsse in börsengehandelte Fonds eignen sich gut dazu, die Stimmung der Anleger zur Vermögensallokation zu analysieren, da ETFs leicht und schnell handelbar sind und sich auch für kurzfristige taktische Positionen eignen.

Die nachfolgende Tabelle verdeutlicht, wie skeptisch Anleger in der Woche von Trumps Wahlsieg (1. bis 7. November) und in den Wochen darauf deutsche Aktien sahen. So zogen sie allein in der Wahlwoche knapp 50 Millionen Euro aus deutschen Aktien-ETFs ab, in den Wochen darauf wurde es nicht besser. Keinem anderen europäischen Land standen die Investoren annähernd so skeptisch gegenüber wie Deutschland. Etwas stabiler als der Gesamtmarkt präsentierte sich das Segment der deutschen Small- und Mid-Caps.

Auf der anderen Seite des Spektrums standen Schweizer Aktien-ETFs. Sie konnten durchweg und in zwei- bis dreistelliger Millionenhöhe Neugelder anziehen.

Welche Aktien haben 2025 Potenzial?

Laut den Morningstar-Analysten notieren zurzeit 25 der 50 von ihnen beobachteten deutschen Titel im unterbewerteten Bereich, sind also mit vier oder fünf Sternen bewertet. Nach Branchen betrachtet finden sich besonders viele dieser Titel mit Potenzial in folgenden Branchen:

Automobil

Die Morningstar-Analysten sind durchaus positiv für die europäischen Autotitel gestimmt. Mit dem Zustrom chinesischer Elektrofahrzeuge, einem schwachen chinesischen Verbrauchermarkt und möglichen Zöllen auf Exporte in die USA hat sich ein „perfekter Sturm“ über den Autoherstellern zusammengebraut. „Aber wir sehen enorme Preisnachlässe bei vielen der großen europäischen Marken. Wir sind außerdem der Meinung, dass es bei so viel Negativität nicht viele gute Nachrichten braucht, um die Aktienkurse in eine positive Richtung zu bewegen“, so die Morningstar-Analysten. Alle vier DAX-notierten deutschen Autobauer ebenso wie der Auto-Zulieferer Continental notieren zurzeit im unterbewerteten Bereich.

Gesundheitswesen

Alle sieben der von den Morningstar-Analysten abgedeckten Unternehmen aus dem Segment Gesundheit rangieren zurzeit im unterbewerteten Bereich.

Finanzdienstleistungen

DWS und Allianz sind nach Einschätzung unserer Analysten zurzeit unterbewertet und haben somit noch Potenzial nach oben. Die übrigen sieben Banken und Versicherer in unserer Abdeckung haben allerdings bereits von den fallenden Zinsen profitieren können und sind aktuell überbewertet oder fair bewertet (Deutsche Börse, Commerzbank und Hannover Rück).

Verteidigung

Angesichts des Ukraine-Krieges plant Europa steigende Ausgaben in dem Segment. Laut Morningstar-Analystin Loredana Muharremi dürfte hiervon kein europäisches Unternehmen so sehr profitieren wie Rheinmetall RHM. “Als einziger vollständig vertikal integrierter Munitionshersteller profitiert Rheinmetall von niedrigeren Kosten, höherer Effizienz und schnelleren Kapazitätsanläufen (ein Jahr gegenüber zwei Jahren bei Wettbewerbern) und sichert sich so langfristige Verträge, die durch dringende Nachfrage angeheizt werden”, schrieb sie in ihrer Research Note vom 20. November.

Versorger

Der Wahlsieg Donald Trumps verunsicherte den Markt, denn noch steht es in den Sternen, ob der den Inflation Reduction Act aufheben wird. Bekannt ist in jedem Fall Trumps harte Haltung gegen Offshore-Wind, was die Aktien in diesem Segment unter Druck setzte. Die beiden DAX-notierten Versorger RWE und E.ON ließen nach Trumps Wahlsieg Federn. Morningstar-Analyst Tancrede Fulop hielt diese Reaktion allerdings für übermäßig und hielt an den Fair Value-Schätzungen fest. Insbesondere die im 5-Sterne-Bereich gehandelte RWE-Aktie hat seiner Einschätzung nach Potenzial nach oben.

Technologie

Die Digitalisierung und der Einsatz von KI treiben Innovationen, besonders in der Automatisierung und Datenverarbeitung. Davon dürfte auch Infineon profitieren. Dax-Schwergewicht SAP ebenso wie Nemetschek und Teamviewer konnten indes schon reichlich Kursplus einfahren und rangieren nun im überbewerteten bzw. fair bewerteten Bereich.

Sehen Sie hier den Überblick über alle derzeit unterbewerteten deutschen Aktien.

Sind deutsche Small- und Mid-Caps interessanter als Large Caps?

Small- und Mid-Caps könnten 2025 tatsächlich eine Outperformance gegenüber Large Caps erzielen. Sie sind laut der DWS weniger abhängig von globalen Handelsströmen und weisen attraktivere Bewertungen auf. Mit einem durchschnittlichen KGV von 12,9 liegen sie deutlich unter den historischen Durchschnittswerten. Zudem profitieren diese Unternehmen stärker von sinkenden Zinsen und weisen häufig eine innovative und spezialisierte Marktposition auf.

Wie wird der deutsche Aktienmarkt im Vergleich zu Europa und den USA performen?

US-Aktien bleiben führend, angetrieben durch starke Unternehmensgewinne und ein robustes wirtschaftliches Umfeld, lautet die einhellige Meinung der Morningstar-Gesprächspartner. Die DWS erwartet für den S&P 500 ein Wachstum von 10–15% bei den Unternehmensgewinnen, während der DAX nur von moderateren Zuwächsen geprägt sein dürfte. Europäische Aktien insgesamt könnten zwar von einem zyklischen Aufschwung profitieren, doch die strukturelle Schwäche in Kernländern wie Deutschland, Frankreich und Italien hemmen das Potenzial.

Auch die Deutsche Bank sieht den DAX besser aufgestellt als die Gesamtwirtschaft, vor allem dank internationaler Diversifizierung und stabiler Unternehmensgewinne. Im Vergleich zu anderen europäischen Märkten könnte der Leitindex trotz politischer und wirtschaftlicher Unsicherheiten eine solide Performance bieten, jedoch hinter den USA zurückbleiben, so die Erwartung der Analysten.

Die Deka rechnet damit, dass sich US-Aktien auch in den kommenden Monaten besser als andere regionale Aktienmärkte entwickeln. Dies liegt allerdings weniger am Wahlausgang, sondern mehr an der guten wirtschaftlichen Entwicklung und den steigenden Unternehmensgewinnen, sowie in der Einzigartigkeit der Aufstellung der großen Technologie- und Plattformunternehmen, betont Schallmayer von der Deka.

„US-Unternehmen sind besonders ertragsstark“, so auch die LBBW. Das liegt an vielen Faktoren, beispielsweise helfen ihnen die Milliarden des Inflation Reduction Act, das Fachkräfteangebot ist höher und es gibt deutlich weniger Bürokratie als hierzulande. Den DAX sehen die Analysten in ihrem Ausblick 2025 auf der Stelle treten und das Jahr 2025 bei 20.000 Zählern abschließen.

Generell erschwere das unsichere Umfeld die Beta-Generierung. Vielmehr werde die richtige Aktienauswahl in den Vordergrund treten, wie mehrere Experten betonen.


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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.