Nachdem der deutsche Aktienmarkt Mittwochmorgen zunächst postiv auf den sich abzeichnenden Wahlsieg des republikanischen US-Präsidentschaftskandidaten Donald Trump reagierte, drehte die Stimmung am Nachmittag ins Minus. Der Dax stieg am Vormittag zeitweise um mehr als 1,5%, schloss am Ende aber 1,13% tiefer. Die US-Börsen zogen indes an.
Am Donnerstag drehen die Kurse wieder nach oben. Das Ende der Ampel-Koalition in Berlin wird gelassen aufgenommen.
“Grundsätzlich gilt es festzuhalten: Anleger investieren in Assets, nicht ins BIP oder in Regierungen. Aus Investmentsicht sind fundamentale Entwicklungen sowie die Bewertungen daher deutlich wichtiger als politische Ereignisse", so Stefan Hofrichter, Head of Global Economics & Strategy bei Allianz Global Investors, zum Ampel-Aus. Auch aus politischer Sicht seien die Wahlen in den USA wichtiger als ein Regierungswechsel in Deutschland, das allerdings vor großen strukturellen Herausforderungen stehe.
Autokonzerne besonders betroffen
Deutschlands Autobauer dürften zu den Verlierern von Donald Trumps Wahlsieg gehören. Morningstar-Analystin Rella Suskin sieht Porsche besonders unter Druck. Das Unternehmen generiert rund ein Drittel des Umsatzes in den USA, verfügt aber anders als seine europäischen Mitstreiter über keine Produktionskapazitäten in den USA.
„Das Engagement der europäischen Autohersteller in den USA schwankt zwischen 10 % und 30 % in Bezug auf den Fahrzeugabsatz im Jahr 2023. Die meisten verfolgen eine „local for local“-Strategie und begrenzen so die Auswirkungen möglicher Importzölle unter einer Trump-Regierung. Stellantis und Porsche sind in Bezug auf das Absatzvolumen am stärksten exponiert, ihre Produktionsstrategie ist jedoch völlig unterschiedlich. Während der Absatz von Stellantis weitgehend durch die lokale Produktion gestützt wird, da das Unternehmen auf Fiat Chrysler basiert, hat Porsche keine Produktionsstätten in den USA“, erklärt Suskin. Damit dürften die Stuttgarter am stärksten von den Tarifen betroffen sein.
Thomas Altmann, QC Partners, schreibt in einer E-Mail am Mittwochmorgen: „Die USA sind der größte und wichtigste Abnehmer von Produkten „Made in Germany“. Und den deutschen Export könnten von der neuen Trump-Regierung verhängte Zölle empfindlich treffen“.
„Fürchten muss die deutsche Wirtschaft hier Zölle von bis zu 20%. Und das könnte die ohnehin schon am Boden liegende Wirtschaft hart treffen.“
Die DWS sieht keinen Raum mehr für eine Jahresendrallye. „Die Märkte haben daher über die vergangenen Monate in Summe bereits einen Sieg Trumps eingepreist, den sogenannten Trump-Trade. Wir erwarten mittelfristig sicher keine Umkehr dieses Trades, aber er begrenzt eben auch weiteres Aufwärtspotenzial für gewisse Anlageklassen“, so Björn Jesch, Global Chief Investment Officer bei der DWS.
DWS senkt Konjunkturausblick
In Europa sind Handelsrestriktionen zu erwarten, und die Unsicherheit über deren Eintritt und Ausmaß dürfte die Investitionsfreude der Unternehmenslenker senken. „Wir werden unsere europäischen und insbesondere die deutschen Wachstumsraten für 2025 daher leicht reduzieren. Als positiv könnte man die Hoffnung äußern, dass eine weitere Trump-Präsidentschaft den Reformwillen in Brüssel und Berlin vorantreiben könnte“, so Jesch.
Verteidigungssektor dürfte profitieren
Profiteure des sich anbahnenden Trump-Siegs könnten die Verteidigungstitel sein. Im Morgenhandel rangierte Hensoldt HAG mit einem Kursplus von 7,3%, bis sich die Anleger auf die durchwachsenen Quartalszahlen besannen und der Titel genauso schnell wieder absackte, wie er hochgeschossen war. Rheinmetall RHM liegt mit 0,94% im DAX-Mittelfeld und Renk R3NK ist moderat im Plus mit +0,83%.
Schließlich dürften unter einem Präsidenten Trump die Verteidigungsausgaben deutlich steigen.
So hat Trump die NATO-Mitglieder angehalten, die Verteidigungsausgaben zu erhöhen, um sie besser mit den Beiträgen der USA in Einklang zu bringen, sagt Loredana Muharremi, Aktienanalystin bei Morningstar. “Die meisten europäischen Staaten haben das NATO-Ziel von 2 % des BIP für Verteidigungsausgaben bereits erreicht oder übertroffen, und einige planen, dieses Niveau mit Hilfe von Sondermitteln beizubehalten oder zu erhöhen. Dieses Engagement deutet darauf hin, dass Trumps Einfluss auf die europäischen Rüstungsunternehmen begrenzt sein könnte."
Darüber hinaus bleiben die fundamentalen Aussichten für europäische Rüstungsunternehmen unabhängig von den unmittelbaren Ergebnissen der geopolitischen Konflikte robust.
“Der anhaltende Konflikt in der Ukraine hat die Notwendigkeit einer umfassenden militärischen Aufrüstung in Europa unterstrichen und die europäischen Rüstungsproduzenten dazu veranlasst, sich auf die Aufstockung ihrer Bestände zu konzentrieren - ein Prozess, der für einige Länder wie Deutschland ein Jahrzehnt dauern könnte." Diese Aufrüstung dürfte den europäischen Rüstungsunternehmen langfristige Einnahmen durch Wartung, Ausbildung und Aufrüstung der Ausrüstung über den typischen Lebenszyklus von mehr als 20 Jahren sichern.
Auch die Umsätze aus den USA dürften nicht einbrechen. Zum einen haben viele europäische Firmen aus dem Sektor bereits Produktionsstätten in den USA. Zum anderen importiert Europa 65% der militärischen Ausrüstungen aus den USA, so die Expertin.
Die Analysten von Berenberg betonen: „Die einhellige Meinung ist, dass der europäische Verteidigungssektor negativ auf einen Sieg Trumps reagieren wird“, heißt es in einer Research Note. Sie blicken damit auf Trumps Ankündigungen, den Ukraine-Krieg zu beenden. Allerdings: „Ein Trump-Sieg würde die europäischen Verteidigungsausgaben weiter ankurbeln, wie seine erste Amtszeit 2017-2021 gezeigt hat. Wir bekräftigen unsere positive Haltung gegenüber dem Sektor; unser Top-Pick ist Renk (Buy).“
Pharma oben, Wind unten
An den europäischen Aktien reagierte der Ozempic-Hersteller Novo Nordisk NOVO B, der einen großen Anteil an den Umsätzen auf dem US-Markt hat und am Mittwochmorgen positive Ergebnisse meldete, positiv. Die Aktien von Windturbinenherstellern wie der dänischen Vestas VWS und Orsted ORSTED fielen jedoch aufgrund von Befürchtungen über geringere Investitionen in erneuerbare Energien und Zölle auf europäische Hersteller.
„Längerfristig wird ein Wahlsieg Donald Trumps wahrscheinlich ein lockereres regulatorisches Umfeld, eskalierende Handelszölle und mögliche Versuche, Teile des Inflation Reduction Act (IRA) aufzuheben, bedeuten", so Blair Couper von abrdn. “Die Märkte haben die Wahrscheinlichkeit eines Wahlsiegs von Donald Trump bereits eingepreist, aber es sieht so aus, als würden die Republikaner auch den Kongress erobern, was es der Partei erleichtern würde, ihre politische Agenda durchzusetzen."
“Wir gehen davon aus, dass in diesem Szenario Sektoren unter Druck geraten könnten, die stärker von Zollerhöhungen betroffen sind, sowie Bereiche des Inflation Reduction Act IRA, die sich leichter aufheben lassen, was vor allem europäische Automobilhersteller, Elektrofahrzeuge und die Offshore-Windkraft treffen würde", so Blair Couper, Investment Director bei abrdn.
“Mit Präsident Donald Trump an der Spitze sehen sich die USA auch mit erhöhten Inflationsrisiken konfrontiert, so dass zinssensitive Sektoren reagieren werden und der Dollar aufwerten dürfte", erklärt er weiter.
Thematische ETFs spiegeln Erwartungen an Trump-Regierung wider
Thematische ETFs in Europa spiegelten die erwarteten politischen Veränderungen in der Trump-Administration wider: Produkte, die in Cybersicherheit und Cloud Computing investiert sind, legten zu, während chinesische Technologie- und Erneuerbare-Energien-ETFs fielen.
L&G Cybersecurity USPY und WisdomTree Cloud Computing WCLD, beide mit einem Morningstar Medalist Rating von Bronze, waren die größten Tagesgewinner und stiegen um rund 6 %, während der neutral bewertete KraneShares CSI China Internet KWBP und der negativ bewertete Global X Solar RAYZ mehr als 1 % an Wert verloren.
In Großbritannien legte der FTSE 100 mit seinem hohen Anteil an Dollarwerten zunächst zu, verlor aber bis zum Nachmittag an Boden. US-exponierte Aktien wie Ashtead AHT, Rolls-Royce RR und BAE Systems BA waren die größten Kursgewinner.
Der Autor/Autorin oder die Autoren besitzen keine Aktien der in diesem Artikel erwähnten Wertpapiere. Informieren Sie sich über die Redaktions-Richtlinien von Morningstar.