Die Schweizer Nationalbank senkt den Leitzins ab dem 21. Juni um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25%. Im Vorfeld gingen die Meinungen der Analysten auseinander, ob die SNB diesen Schritt gehen werde oder den Zins unverändert belässt, wobei zuletzt eine 68%-ige Wahrscheinlichkeit einer Senkung eingepreist wurde.
Hinter diesem Schritt stehen die nachlassende Inflationsdruck und der starke Schweizer Franken. Gegenüber dem Euro fiel der Franken nach Ankündigung drastisch ab: Das EUR/CHF Währungspaar notierte zuletzt bei 0,9545, verglichen mit 0,9494 am frühen Morgen. Bei Bedarf sei die SNB ausserdem bereit, am Devisenmarkt aktiv zu sein, teilt sie in ihrer Pressemitteilung mit.
Laut Direktoriumspräsident Thomas Jordaner habe der Franken von Januar bis Ende Mai zwar abgewertet, berichtet die Nachrichtenagentur awp. Doch in den letzten Wochen habe er wieder deutlich an Wert gewonnen. Dies sei vor allem auf politische Unsicherheiten in Europa zurückzuführen. Daher bleibe die Unsicherheit über die weitere Inflationsentwicklung erhöht.
Auch der SMI reagierte auf den Zinsentscheid mit einem deutlichen Plus.
"Die Nationalbank wird die Inflationsentwicklung weiter genau beobachten und die Geldpolitik wenn nötig anpassen, um sicherzustellen, dass die Inflation mittelfristig im Bereich der Preisstabilität bleibt", heißt es in der SNB-Mitteilung. Laut jüngsten verfügbaren Daten lag die jährliche Teuerungsrate im Mai wie schon im Vormonat bei 1,4%. Damit liegt die Schweiz im internationalen Vergleich auf sehr niedrigem Niveau.
Es ist der zweite Lockerungsschritt der SNB, nachdem sie schon im März ihren Leitzins vor allen anderen grossen Notenbanken um 0,25 Prozentpunkte gesenkt hatte.
Langfristige Inflationsprognose etwas tiefer
"Unter Berücksichtigung der heutigen Zinssenkung ist die neue bedingte Inflationsprognose
ähnlich wie jene im März. In der längeren Frist liegt sie leicht unterhalb der alten Prognose.
Dies spiegele etwas geringere Zweitrundeneffekte, wider, so die SNB.
"Die SNB senkt den Leitzins wie erwartet um 0,25 auf 1,25%, da die zugrunde liegende Inflation erneut gesunken ist. Ausserdem senkte sie ihre mittelfristige Inflationsprognose für 2026 auf 1,0% von zuvor 1,1%. Das bedeutet, dass die Risiken für die Inflationsprognose gleichermaßen auf beiden Seiten liegen", kommentiert Karsten Junius, Chief Economist, Bank J. Safra Sarasin, auf X.
Die Inflation sei seit der letzten Lagebeurteilung zwar leicht angestiegen, räumt die SNB ein. Allerdings habe zu diesem Anstieg insbesondere eine höhere Teuerung bei den Mieten, bei den Dienstleistungen im Tourismusbereich und bei den Erdölprodukten beigetragen, so die SNB.
Im Jahresdurchschnitt liegt die prognostizierte Inflation nun bei 1,3% für 2024, 1,1% für 2025 und 1,0% für 2026. Die Prognose beruht auf der Annahme, dass der SNB-Leitzins über den gesamten Prognosezeitraum 1,25% beträgt. Ohne die heute beschlossene Zinssenkung läge die Prognose tiefer, so die SNB.
SNB-Zinssenkung: Reaktionen
Die SNB schwächt den Schweizer Franken, so Kathleen Brooks, Research Director bei XTB, in einer Email nach dem Zinsentscheid. "Das Risiko ist, dass eine starke Währung eine Deflation verursacht und die Exporte belastet. Die Kerninflation in der Schweiz ist im Mai von 1,3 % auf 1,2 % gesunken, was der SNB Spielraum bei den Zinsen verschafft. Auch die Exporte sind im letzten Monat um 3,5 % gesunken, was der stärkste Rückgang seit 9 Monaten ist. Die Schweizer Wirtschaft könnte auch von globalen Trends beeinflusst werden. Dazu gehören der politische Stress in Europa, der Druck auf die Anleihemärkte und die nachlassende Nachfrage nach Luxusgütern. Die SNB ist fest entschlossen, den 'Swissie' zu schwächen, um diese Herausforderungen zu bewältigen, und sagte in ihrer Pressekonferenz nach der Sitzung am Donnerstag auch, dass sie notfalls am Devisenmarkt intervenieren würde. EUR/CHF hat sich am Donnerstag nach oben bewegt, aber wir werden beobachten, ob die Zinssenkung der SNB ausreicht, um die Stärke des Swissie weiterhin zu unterdrücken."
Tim Graf, Head of EMEA Macro Strategy bei State Street Global Markets, reagierte auf die heutige SNB-Zinsentscheidung: ""Die Schweizerische Nationalbank hat den Leitzins um weitere 25 Basispunkte gesenkt und damit die Inflationsprognosen etwas zurückgenommen, obwohl dies von den Ökonomen nicht erwartet wurde", hieß es in der Email. "Wir vermuten, dass die Rückkehr der politischen Unsicherheit in der Eurozone bei der Entscheidung, die Zinsen jetzt zu senken, eine Rolle gespielt hat, da man eine ähnliche Erfahrung wie die extreme Stärke des Schweizer Franken verhindern wollte, die während der verschiedenen Haushaltskrisen von 2010-2012 zu Disinflation und Deflation geführt hat. Institutionelle Anleger haben den Franken in den letzten Wochen stark übergewichtet. Sollte die politische Volatilität nach den Wahlen in Frankreich nachlassen, sehen wir gute Gründe, den Franken wieder zu verkaufen, um Long-Positionen in höher rentierenden Währungen zu finanzieren."
"Die Zinsentscheidung der SNB dürfte eine knappe Entscheidung gewesen sein", kommentierte der UBS-Ökonom Alessandro Bee im Nachgang zum heutigen Entscheid laut awp. Eher für eine Zinssenkung habe die mittelfristige Inflationserwartung gesprochen, während die Tatsache, dass die anderen grossen Notenbanken mit Zinssenkungen eher zögerlich seien, dagegen gesprochen habe. "Was möglicherweise den Ausschlag gab, war die jüngste deutliche Aufwertung des Frankens", so Bee laut awp.
So sieht es auch Renato Flückiger von der Valiant Bank, wie die Nachrichtenagentur weiter berichtet. "Die SNB hat die Zinssenkung zwar mit dem abnehmenden Inflationsdruck begründet. Wir gehen aber davon aus, dass die substanzielle Euro-Abschwächung nach den Europaratswahlen ebenfalls deutlich ins Gewicht gefallen ist."