Inflation zu niedrig? SNB könnte am 20. Juni die Zinsen senken

Im März preschte die Schweizerische Nationalbank als erste der grossen westlichen Notenbanken mit einer Zinssenkung voran. Was tut sie am Donnerstag?

Antje Schiffler 17.06.2024
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SNB in ZürichDie kommende Lagebeurteilung der Schweizerischen Nationalbank am Donnerstag dürfte spannend werden: Die Lager der Ökonomen, die eine Zinssenkung erwarten ist in etwa so gross wie das Lager derer, die mit gleichbleibenden Zinsen rechnen.

Die Nachrichtenagentur awp hat 20 Experten befragt. Davon erwarten zwölf, dass die Zentralbank den Zins unverändert bei 1,50% belässt, und acht erwarten eine erneute Leitzins-Senkung auf dann 1,25%.

Die Bank hatte die Kapitalmärkte Ende März mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte überrascht und preschte als erste der grossen westlichen Zentralbanken mit einer Zinssenkung voran.

Schweiz: Inflation zu niedrig?

Möglich machte dies die niedrige Inflation und der starke Schweizer Franken. Laut jüngsten verfügbaren Daten lag die jährliche Teuerungsrate im Mai wie schon im Vormonat bei 1,4%. Gegenüber dem Vormonat lag das Plus bei 0,3%. Damit liegt die Schweiz im internationalen Vergleich auf sehr niedrigem Niveau. 

Die geldpolitische Entscheidung setzte Ende März den Schweizer Franken unter Druck. Doch gegenüber dem Euro kommen zurzeit vor allem die anstehenden Neuwahlen in Frankreich zum Tragen, die der europäischen Gemeinschaftswährung zusetzen. Das Euro/Franken-Paar hält sich aktuell knapp über der 95 Rappen-Marke und damit auf einem Niveau, das es seit Ende Februar nicht mehr gesehen hat. Eine Senkung des Leitzinses würde den Franken wieder schwächen. 

Diese Experten rechnen mit einer Zinssenkung

"Wir erwarten eine Zinssenkung", schreibt Allianz Global Investors auf LinkedIn. "Während sich die meisten Zentralbanken der Welt auf die Bekämpfung der Inflation konzentrieren, steht die SNB vor der genau entgegengesetzten Herausforderung: den „zu niedrigen“ Inflationsaussichten", heißt es in der Research-Note von Martina Honegger-Romahn, Lead Portfolio Manager Fixed Income bei AGI.

Die Märkte sollten sich nicht von der mit 1,4% höher als gedachten Inflationsrate täuschen lassen. Denn die Teuerungsrate sei vor allem den höheren Mietpreisen geschuldet, aber diese seien durch die fallenden Hypothekenpreise gedeckelt. "Wenn man nun die Mietinflation aus den jüngsten VPI-Zahlen herausrechnet, sinkt die Inflation von 1,4% auf etwa 0,8%, was wiederum eher auf eine Lockerung der Geldpolitik hindeutet", folgert Honegger-Romahn.

Auch die Ökonomen um den Chefvolkswirten von J. Safra Sarasin Dr. Karsten Junius rechnen ebenfalls mit einer Zinssenkung. "Wir gehen weiterhin davon aus, dass die SNB ihre Geldpolitik in diesem Jahr zweimal lockern wird, obwohl wir von einer Zinssenkung im September weniger überzeugt sind als zuvor. Zunächst einmal sind wir der Meinung, dass der Leitzins von 1,5% weiterhin restriktiv ist", so die Ökonomen in einer Research Note vom 13. Juni. 

"Unserer Ansicht nach deuten die Daten in diese Richtung: Die Inflation liegt innerhalb des Zielbandes und die Dienstleistungspreise ohne Mieten - ein wichtiger Indikator für den zugrunde liegenden Preisdruck - sind im Mai etwas stärker auf 0,9 % im Jahresvergleich gesunken." Die Produktionslücke sei wahrscheinlich geschlossen oder leicht negativ und die Wirtschaft wachse unter ihrer Potenzialrate.

Ulrich Leuchtmann von der Société Générale betont, dass die SNB an einem Punkt im Zinszyklus ist, an dem Timing-Fragen weniger relevant sind als etwa für die EZB oder die Federal Reserve. Sie habe den Inflationskorridor bereits erreicht. "Würde die SNB nächstes Mal den Leitzins senken, aber verkünden, dass sie es mit weiteren Zinssenkungen nicht eilig hat, wäre das Ergebnis wohl sehr ähnlich einer Situation, in der der Leitzins nicht gesenkt wird, die SNB aber eine weitere Zinssenkung für die nähere Zukunft in Aussicht stellt", so Leuchtmann in einem Research-Bericht vom 13. Juni. 

SNB peilt keine bestimmte Inflationsrate an

Anders als die Europäische Zentralbank peilt die SNB keine bestimmte Inflationsrate an, sondern betrachtet Preisstabilität als erreicht, wenn die Teuerung zwischen 0 und 2% liegt. Zudem habe das Direktorium bei der Gewährleistung der Preisstabilität immer die mittlere Frist im Blick.

"Mit diesem flexiblen Ansatz konnten wir die Preisstabilität in ganz unterschiedlichen Phasen mit angemessenen Mitteln gut verteidigen", so der scheidende Direktoriumspräsident Thomas Jordan in seiner letzten Rede in dieser Funktion Ende April. Er bezifferte den neutralen Zinssatz je nach Inflationserwartung als zwischen 0% oder zwischen 1-1,5% nominal. 

Wie wirken Zinssenkungen auf die Kapitalmärkte?

Aktienmärkte tendieren dazu, bei erwarteten Zinssenkungen zu steigen, während die Anleihemärkte eher unter Druck sind. Andererseits bedeuten sinkende Zinssätze bei bereits hohen Zinsen auch niedrigere Anleiherenditen, was die Anleihekurse nach oben treibt. Niedrigere Zinssätze machen auch bestehende Anleihen, insbesondere solche, die bereits in einer Zeit hoher Zinssätze ausgegeben wurden, attraktiver im Hinblick auf Renditen.

Gleichzeitig werden die Sparzinsen auf Bankkonten wahrscheinlich sinken, zum Nachteil der Sparer. Kreditnehmer hingegen werden von den niedrigeren Zinsen profitieren, da Verbraucherschulden und Hypotheken billiger werden. 

 

STICHWÖRTER
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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.