Die Märkte blicken auf die Inflationszahlen für die Eurozone, die Eurostat am Freitag, den 5. Januar um 11 Uhr mitteleuropäischer Zeit veröffentlichen wird. Die Anleger erwarten eine Bestätigung des letztjährigen Rückgangs der Verbraucherpreise.
Die jährliche Inflationsrate des Euroraums lag im November 2023 bei 2,4%, gegenüber 2,9% im Oktober. Vor einem Jahr lag die Rate noch bei 11,1 %.
Den größten Anteil an der Inflation im Euroraum hatten im November die Dienstleistungen (+1,69 Prozentpunkte), gefolgt von Nahrungsmitteln, Alkohol und Tabak (+1,37 Prozentpunkte), Industriegütern ohne Energie (+0,75 Prozentpunkte). Die Komponente Energie ging um -1,41 Prozentpunkte zurück.
Stagnation ist ein größeres Risiko als anhaltende Inflation
Laut Tomasz Wieladek, Chefvolkswirt für Europa bei T. Rowe Price, könnte die Inflation schneller in Richtung des 2-Prozent-Ziels der EZB fallen als derzeit erwartet, sofern weitere Rohstoffschocks ausbleiben.
Wieladek warnt vor dem Risiko einer Rückkehr zu einer Stagnation wie in der Zeit vor der Pandemie. "Das ist ein größeres Risiko als eine anhaltende Inflation", sagte er. "Wenn die EZB die Geldpolitik zu schnell strafft, könnte sie die Inflation wieder unter 2 Prozent drücken und die Eurozone erneut in die Stagnation treiben."
Die Inflation in der Eurozone erreichte im Oktober 2022 mit 10,6 Prozent ihren Höhepunkt, bevor sie bei der letzten Messung im November auf 2,4 Prozent zurückging. Die Kerninflation, d. h. die Rate ohne Lebensmittel- und Energiepreise, liegt mit 3,6 % weiterhin höher, aber der Disinflationsprozess scheint in vollem Gange zu sein.
"Betrachtet man die Rohstoffpreise, die seit einigen Monaten stabil sind, und die Wirtschaftstätigkeit, die sich nach der Covid-Pandemie normalisiert hat, so gibt es keinen Grund zu der Annahme, dass der Disinflationsprozess in den kommenden Monaten unterbrochen wird", so Andrea Conti, Leiter der Makroforschung bei Eurizon.
Szenarien für eine Zinssenkung
Zu Beginn des Jahres 2024 bleiben die Inflationsdaten ein Schlüsselfaktor für die Geldpolitik, aber die EZB wird auch den Konjunkturzyklus in Betracht ziehen.
Im dritten Quartal 2023 sank das saisonbereinigte Bruttoinlandsprodukt im Euroraum gegenüber dem Vorquartal um 0,1 %, wie aus einer von Eurostat veröffentlichten Schätzung hervorgeht. Im zweiten Quartal 2023 war das BIP noch um 0,1% gestiegen.
"Es gibt zwei Szenarien, unter denen die EZB wahrscheinlich eine Runde von Zinssenkungen einleiten wird: erstens, wenn das Wachstum schwächer als erwartet ausfällt; zweitens, wenn die Inflation schneller als erwartet in Richtung des 2-Prozent-Ziels fällt", so Wieladek.
Wird die Euphorie an den Märkten anhalten?
Die Finanzmärkte sind bereits vorgeprescht und haben eine Runde von Zinssenkungen eingepreist, aber dieses Szenario muss in den kommenden Monaten durch Daten bestätigt werden.
"Der Grund für die Marktrallye im Dezember war die Überzeugung, dass die Zentralbanken bereit sind, die Zinsen zu senken, und dass das makroökonomische Umfeld für die Aktienmärkte im Jahr 2024 vorteilhafter sein wird", so Michael Field, European Equity Strategist bei Morningstar. Daran hat sich nichts geändert, und die in der Zwischenzeit veröffentlichten Daten zu Inflation, Arbeitsplätzen usw. haben dies letztlich auch bestätigt. So gesehen ist die Dynamik hinter der Rallye immer noch vorhanden, was bedeutet, dass sie sich fortsetzen könnte. Der einzige Wermutstropfen auf dieser Party sind die Bewertungungen. Die europäischen Märkte sind erst kürzlich von leicht unterbewertet zu leicht überbewertet übergegangen."
Antonio Cavarero, Head of Investments bei Generali Insurance Asset Management, glaubt ebenfalls, dass sich der Enthusiasmus vom Ende des letzten Jahres bis Anfang 2024 fortsetzten könnte. Es werde aber wichtig sein, dass die Daten in den kommenden Monaten bestätigen können, was die Märkte bereits eingepreist haben. "In der Tat besteht die Möglichkeit, dass die Auswirkungen der strafferen Geldpolitik und die relativen Schwierigkeiten einiger großer Volkswirtschaften wie Deutschland und China zu einer konservativeren Bewertung risikoreicherer Anlagen führen könnten."