Trotz der Rückschläge Mitte April: die europäischen Aktienmärkte präsentieren sich überaus freundlich. So liegt der Morningstar Europe Index rund 5,4% höher als Anfang des Jahres und der deutsche Aktienmarkt erzielt ein neues Rekordhoch.
Der breitere Stoxx-Europe-600 notiert mit 516,3 Zählern dank der gut laufenden Berichtssaison am 8. Mai auf Rekordhoch. Eine optimistische Zwischenbilanz zur Berichtssaison ziehen die Analysten der Deutschen Bank (hier finden Sie übrigens unseren Überblick über die Dax-Berichtssaison).
Im ersten Quartal verzeichneten die STOXX Europe 600 wieder einmal ein Gewinnwachstum, schreiben die Analysten am 8. Mai im „Q1 European Earnings Review Summary“. Stand 7. Mai hatten 64% der Unternehmen, die insgesamt 76% der Marktkapitalisierung des STOXX 600 repräsentieren, Gewinne gemeldet.
Die Erträge sind im Jahresvergleich um 11% gesunken, aber im Vergleich zum Vorquartal um 9% gestiegen. Die Erholung ist breit angelegt. Allerdings: Ohne Banken wären die Erträge in Q1 um 2% gegenüber dem Vorquartal gestiegen und ohne den Energiesektor würden die Gewinne in Q1 um 13% gegenüber dem Vorquartal steigen, so die Analysten.
Das Umsatzwachstum hingegen blieb sowohl im Jahres- als auch im Quartalsvergleich negativ. Die Margen haben sich im ersten Quartal im Einklang mit dem stärkeren Gewinnwachstum aber weiter verbessert und liegen weiterhin über dem Durchschnitt vor Covid.
Berichtssaison: Europäische Unternehmen übertreffen Erwartungen
Insgesamt haben 61% (gegenüber nur 50% in Q4) der Unternehmen die Konsenserwartungen übertroffen. Die Gewinne lagen alles in allem 7% über den Konsenserwartungen, hieß es weiter.
Zudem haben 12% der Unternehmen ihre Prognosen erhöht, 83% der Unternehmen haben ihre Prognosen unverändert gelassen und nur 5% der Unternehmen mussten ihre Prognosen senken. Änderungen der Prognosen waren der Hauptgrund für die Kursreaktionen in dieser Gewinnsaison.
Die Deutsche Bank-Analysten bleiben optimistisch für den weiteren Jahresverlauf. „Günstige Basiseffekte nach dem zweistelligen Negativwachstum in Q2 bis Q4 des vergangenen Jahres, ein besser als erwartetes BIP-Wachstum in China und Europa in Q1, sich verbessernde Stimmungsindikatoren sowie mögliche Zinssenkungen der EZB deuten auf eine weitere Beschleunigung der europäischen Gewinne hin. Wir gehen davon aus, dass sich die Erholung der Erträge in den nächsten Quartalen fortsetzen wird (zweistelliges positives Ertragswachstum in H2) und halten an unserer Prognose von 5% Gewinnwachstum für dieses Jahr fest (Konsens: -2%)“, heißt es in dem Bericht.
Noch besser läuft es auf der anderen Seite des Atlantiks. So liegt der US-Markt gemessen am Morningstar US Market Index in Landeswährung über 7% höher als zu Jahresbeginn. „US-Aktien legten dank der unerwartet positiven Berichtssaison zu, obwohl die Fed in ihrer Sitzung bestätigte, dass wir uns in einem strukturell höheren Zinsumfeld befinden“, kommentiert das BlackRock Investment Institute (BII).
Euro bleibt schwach gegenüber US-Dollar und Franken
Anleger aus dem Euroraum, die zum Jahreswechsel am US-Markt investiert waren, können sich sogar über einen Wertzuwachs von knapp 10% freuen. Denn die Gemeinschaftswährung liegt aktuell bei 1,0779 US-Dollar, verglichen mit 1,1062 zu Jahresbeginn. Treiber sind vor allem die Leitzinsen beziehungsweise die Erwartungen am Markt, wie sich die Zinsen dies- und jenseits des Atlantiks entwickeln könnten. Die Erwartung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen vor der US-Notenbank Fed senken könnte, belastet den Euro.
Der Euro hatte zuletzt aber von den schwachen US-Arbeitsmarktdaten profitiert.
In den Vereinigten Staaten stieg die Zahl der Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe deutlich stärker als erwartet. Arbeitsmarktdaten sind für die Fed besonders wichtig, da sie anders als EZB ein duales Mandat von Preisstabilität und maximaler Beschäftigung hat. Zudem wirkt die Beschäftigungszahl in der Regel auf die Teuerungsrate, da mit höheren Arbeitslosenzahlen der Lohndruck sinkt.
Dennoch: Die Fed konzentriert sich vor allem auf die Inflationsstabilität, so dass ein Monat mit enttäuschendem Stellenzuwachs unwahrscheinlich zu einer Beschleunigung der Zinssenkungen beitragen könnte, so Morningstars Chief Markets Editor Tom Lauricella. In den USA wird mit einer ersten Zinssenkung in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 gerechnet. „Und obwohl der Stellenzuwachs im April hinter den Erwartungen zurückblieb, spiegelt der Anstieg um 175.000 Stellen ein anhaltend gesundes Wirtschaftswachstum wider“, so Lauricella.
„Trotz des großen Rückstands in den Headline-Daten sollten wir die Zahlen der nächsten Monate abwarten, bevor wir von einer Abschwächung des Arbeitsmarktes reden können“, sagt Preston Caldwell, Chefökonom für die USA bei Morningstar. Denn Arbeitsmarktdaten seien äußerst volatil.
Und wann senkt die EZB die Zinsen?
Im Euroraum dürfte die Zinssenkung im Juni anstehen. Die Gesamtinflation war im April im Jahresvergleich in etwa stabil, während die Kerninflation (ohne Energie und Nahrungsmittel) sank. „Der anhaltende Rückgang der Kerninflation ist ein positives Zeichen“, sagt Michael Field, europäischer Marktstratege bei Morningstar. „Die Falken hatten zuvor befürchtet, dass die Dienstleistungsinflation in Europa aufgrund der angespannten Lage auf den Arbeitsmärkten wieder anziehen könnte, aber die Daten sagen zum Glück etwas anderes." Die nächste Sitzung des EZB-Rates findet am 6. Juni statt.
„Fraglich bleibt allerdings, wie zügig und wie umfangreich die EZB die Zinsen danach senken kann, wenn die Fed vorerst die Füße still hält. Schwankungsreiche Inflationsdaten sollten auch im Euroraum an der Tagesordnung bleiben“, bemerkt Ann-Katrin Petersen, Leiterin Kapitalmarktstrategie in Deutschland, der Schweiz, Österreich und Osteuropa beim BII.
In anderen europäischen Ländern fallen die Leitzinsen bereits. So preschte die Schweizer Nationalbank (SNB) Ende März mit einer Zinssenkung um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5% vor. Auch die Schwedische Zentralbank (SRB) läutete die Zinswende ein. Sie senkt den Leitzinssatz ab dem 15. Mai um 25 Basispuntke auf dann 3,75% - die erste Zinssenkung seit acht Jahren, wie meine Kollegin Johanna Englundh berichtet.
Leichte Entspannung bei Rohölpreisen
Die Rohölpreise legten seit Jahresbeginn angesichts der geopolitischen Spannungen im Nahen Osten, Anschlägen auf russische Raffinerien und der Verlängerung der OPEC+-Produktionskürzungen bis Juni zu. Futures-Kontrakte auf die Rohölsorte Brent erreichten Anfang April ein Zwischenhoch bei über 90 Dollar/Barrel.
Im April drehten die Preise – sowohl für das europäische Brent als auch die US-Sorte WTI - allerdings die Richtung. Die weltweiten Vorräte stiegen an, da die Nachfrage leicht zurückläuft und Nicht-OPEC+-Länder (allen voran die USA) ihr Output erhöhten, berichtet die Internationale Energieagentur IEA. Hinzu kamen Rolleffekte, da die Öl-Futureskurve zurzeit in Backwardation ist, die nächstfälligen Kontrakte also über den später fälligen notieren.
„Wir glauben, dass es der OPEC nicht gelungen ist, die Ölpreise durch Angebotskürzungen zu schützen. Die Organisation wird die freiwilligen Kürzungen wahrscheinlich bis 2024 verlängern und vertiefen müssen, mehr als sie ursprünglich kommuniziert hat“, so Mornigstars Energie-Strategist Stephen Ellis. Die Fusions- und Übernahmeaktivitäten in den USA im Permian-Gebiet sowie die damit verbundenen Produktionskürzungen seien indes nach wie vor die positivsten Nachrichten für die OPEC.
Deutschlands Wirtschaft dümpelt vor sich hin
Doch Deutsche Bank Research erinnert daran, wie volatil die Ölmärkte sind und wie stark geopolitische Entwicklungen sowohl Energiepreise als auch die Teuerungsraten beeinflussen können. Die Analysten heben in Erwartung festerer Energiepreise den Inflationsausblick für Deutschland auf nun 2,3% für 2024 (zuvor: 2,2%) und auf 2,2% für 2025 (Zuvor; 1,9%).
Europas größte Volkswirtschaft dümpelt weiter vor sich hin. Im ersten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt (BIP) gerade einmal 0,2%, berichtet das Statistische Bundesamt.
Die führenden deutschen Wirtschaftsinstitute haben ihre Wachstumsprognosen zuletzt deutlich nach unten korrigiert, zeigen sich aber vorsichtig optimistisch, dass fallende Zinsen und steigende Löhne die Binnennachfrage steigern könnten.
Am deutschen Aktienmarkt hinterlassen die konjunkturellen Sorgen wenig Spuren. Der Dax ist am Freitag in seinem Rekordlauf über die Marke von 18.800 Punkte gestiegen. Denn die Dax-Konzerne sind große internationale Konzerne, erläutert Sven Streibel, Chef-Aktienstratege bei der DZ Bank: So werden rund 30% der Dax-Umsätze im Schnitt in den USA erzielt.