Wer sollte sich mehr um KI sorgen? Aktive Manager oder Berater?

Berater könnten von den Vorteilen profitieren. Aktive Manager haben nichts zu verlieren. Aber ist Künstliche Intelligenz für die eine Gruppe eine größere Bedrohung als für die andere?

John Rekenthaler 25.07.2023
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Robot eye

Genaue Prognosen zu machen, ist einfach, wenn die Trendlinie feststeht. (Ungenaue Prognosen sind immer einfach.)

Mitte der 1990er Jahre war klar, dass Index-Investments boomen würden. Noch bevor ich mich 2021 in einem Artikel von den aktiven Investmentfonds verabschiedete, hatten börsengehandelten Fonds (ETFs) ihre Zukunft bereits gesichert. Noch kontrollieren ETFs nicht mehr Vermögen als traditionelle Investmentfonds, aber sie würden es sicher tun.

In anderen Fällen ist die Aufgabe gefährlich. Frühe Prognosen über die Aussichten des Internets bestanden im Wesentlichen darin, dass Affen Dartpfeile warfen.

So herrschte zu Beginn des neuen Jahrtausends die Meinung vor, dass die besten Aussichten auf Gewinne im Zusammenhang mit dem Internet bei Business-to-Business-Anwendungen liegen. Falsch!

Heute haben unter den zehn größten Unternehmen der USA vier Firmen einen Bezug zum Internet: Microsoft, Amazon.com, Alphabet und Meta Platforms. Das erstgenannte Unternehmen erzielt die Hälfte seines Umsatzes mit Unternehmen, die drei letztgenannten fast gar keinen.

Und jezt KI

Vorherzusagen, wie sich Künstliche Intelligenz auf die Investmentbranche auswirkt, liegt zwischen diesen beiden Extremen. Das Internet war so schwer vorherzusehen, weil es radikal Neuland betrat.

Telefonate mit dem Handy ähnelten denen im Festnetz, aber die Erfahrung mit dem Internet war anders als alles, was vorher war. Die Vorhersagen waren auf Sand gebaut.

Im Gegensatz dazu hat Künstliche Intelligenz mit Computern zumindest so etwas wie einen Vorläufer.

Vor der Entwicklung der KI waren Mikroprozessoren die große Innovation im Investmentbereich, die 1) Portfoliomanagern mehr Informationen, 2) Finanzberatern Software und 3) Researchern bessere Analysen boten. Die neue Technologie ermöglichte das zuvor Unmögliche. (Morningstar verdankt seine Existenz der Verfügbarkeit von Personal Computern und Desktop Publishing!)

Betrachten wir vor dem Hintergrund der Computerrevolution, wie sich Künstliche Intelligenz auf die drei Segmente der Investmentbranche auswirken könnte.

Portfoliomanager

Es ist unwahrscheinlich, dass Künstliche Intelligenz das professionelle Vermögensmanagement verändern wird.

Hier trifft die Analogie zum Computer voll zu. Als in den 1980er Jahren die Supercomputer aufkamen, erlebten mehrere "quantitative" Investmentfirmen einen Boom. Sie profitierten davon, Wissen aus riesigen Datenbanken schöpfen zu können, das bis dahin nicht genutzt worden war. Ihr Sieg war nur von kurzer Dauer. Innerhalb weniger Jahre fielen ihre Fonds wieder auf den Mittelwert zurück.

Sie wissen, warum. Jeder einigermaßen große Vermögensverwalter konnte eigene Computer und Investmentdatenbanken kaufen und so die Quants nachahmen. Und genau das geschah. Der Wettbewerbsvorteil bestand schnell darin, andere nachzuahmen. Technologie-gestützte Entdeckungen spielten keine Rolle mehr, weil der Markt sie vollständig in die Aktienkurse eingepreist hatte.

Das Gleiche wird bei Künstlicher Intelligenz stattfinden. Jeder Vorteil eines KI-unterstützten Portfoliomanagements wird bald durch Nachahmung zunichte gemacht werden. Der Status quo wird daher bestehen bleiben. Die meisten aktiv verwalteten Fonds werden ihren Benchmarks wegen der Kosten hinterherhinken, und es wird schwierig bleiben, die glücklichen Ausnahmen zu finden.

Vorhersage: Angesichts der Dominanz von Index-Investments haben aktive Portfoliomanager wenig zu verlieren. Die gute Nachricht für sie ist, dass Künstliche Intelligenz ihnen nicht schadet. Leider wird sie ihnen aber auch nicht nützen.

Finanzberater

Hier versagt der Vergleich mit dem Computer teilweise. Er funktioniert insofern, als sowohl Computer als auch Künstliche Intelligenz viel schneller Daten verarbeiten und zu Schlussfolgerungen kommen können als Menschen.

Die Analogie ist jedoch unvollständig, weil Computer im Gegensatz zu Künstlicher Intelligenz nur das tun, was man ihnen sagt. Verantwortung für ihre Ergebnisse zuzuweisen, ist einfach. Ein Computer kann ebenso wenig für fehlerhafte Ratschläge verantwortlich gemacht werden wie ein Hammer für das Einschlagen eines Nagels. Der Fehler liegt bei demjenigen, der die Anweisungen gegeben hat.

Bei Künstlicher Intelligenz lassen sich die Schritte nicht in gleicher Weise nachvollziehen. Das stellt ein großes Hindernis dar, wenn KI in der Finanzberatung eingesetzt werden soll. Einerseits ist KI aufgrund ihrer Flexibilität bestens geeignet, maßgeschneiderte Empfehlungen zu erstellen. Andererseits entzieht sich KI menschlicher Kontrolle. Vielleicht werden KI-Präsentationen so geschickt darin, ihre "Argumentation" (um den Begriff großzügig zu verwenden) zu erklären, dass sich Kunden daran gewöhnen, die Ratschläge ohne Zögern zu akzeptieren.

Vielleicht. Zumindest für die absehbare Zukunft vermute ich jedoch, dass KI die derzeitigen Praktiken der Finanzberatung eher ergänzen als ersetzen wird. Konventionelle Software wird für die meisten Finanzberatungskunden ausreichen. Für diejenigen mit besonderen Anforderungen wird KI als Assistent im Research dienen, der potenzielle, aber diskretionäre Vorschläge macht.

Vorhersage: Im Gegensatz zu aktiven Portfoliomanagern blieben Finanzberater von der Indexfonds-Revolution verschont. Genau wie aktive Portfoliomanager sehen sie sich kaum durch Künstliche Intelligenz bedroht - und könnten davon profitieren, wenn sie sich deren Möglichkeiten zunutze machen.

Investmentanalysten

Am schwierigsten sind die Prognosen für meinem eigenen Bereich: das Investmentresearch. Finanzberater verdienen ihren Lebensunterhalt mit ihren Empfehlungen.

Wir Researchanalysten dagegen werden dafür bezahlt, Aufmerksamkeit zu erregen. Das macht Künstliche Intelligenz zu einem echten Konkurrenten. Wer sich für Investments interessiert, verfügt nur über begrenzte Zeit, um sich mit dem Thema zu beschäftigen. Die kann er mit Researchergebnissen verbringen, die entweder von Menschen oder von KI veröffentlicht wurden.

Ich hoffe natürlich, dass Künstliche Intelligenz nie überzeugend genug sein wird. Sie liefert wertvolle Basisinformationen und Fakten-Checks, wie bei der Google-Suche. Aber ihre Erkenntnisse werden als oberflächlich beurteilt. Das von Künstlicher Intelligenz veröffentlichte Material ist vorher an anderer Stelle aufgetaucht - und zwar bei einem Autor, der das Thema wirklich versteht, anstatt dieses Wissen zu simulieren.

Ob sich meine Hoffnung erfüllt, bleibt abzuwarten. Computerprogramme zu übertrumpfen ist einfach. Selbst die klügsten Programmierer haben Mühe, einen Output zu entwickeln, der nicht sinnlos mechanisch klingt. Künstliche Intelligenz ist eine ganz andere Sache. KI-Artikel sind gekonnt geschrieben. Der Inhalt ist weniger anspruchsvoll, wird sich aber sicher mit der Zeit verbessern.

Vorhersage: Es wird immer einen Platz für originäres Research geben, das KI nicht leisten kann.

Der größte Teil des veröffentlichten Investmentresearchs ist jedoch nicht wirklich neu, sondern besteht eher aus Kommentaren, die bestehende Ideen weiter verbreiten. Schon bald werden solche Arbeiten ernsthafte Konkurrenz bekommen.

Die hier geäußerten Ansichten sind die des Autors.

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Über den Autor

John Rekenthaler  is vice president of research for Morningstar.