UBS: Morningstar hebt Fair Value-Schätzung an

Wir erhöhen die Schätzung des fairen Wertes für die Schweizer Bank um 22% auf CHF 27,50 pro Aktie. Hintergrund ist die Einbeziehung der Credit Suisse.

Johann Scholtz 13.06.2023
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UBS Die Erhöhung unserer Fair-Value-Schätzung für UBS um 22% auf CHF 27,50 ist hauptsächlich auf die Übernahme der Credit Suisse zurückzuführen. Wir bemessen den Wert des übernommenen Credit Suisse-Geschäft damit mit rund CHF 19 Milliarden.

Um unsere Bewertung in den Kontest zu setzen: Im Februar 2023, vor dem endgültigen Kollaps der Credit Suisse, bewertete der Markt diese mit CHF 13 Milliarden. Noch im März 2021 hatte die Credit Suisse indes einen Marktwert von CHF 32 Milliarden. Wir erkennen an, dass es für UBS schwierig, wenn nicht gar unmöglich, sein wird, die jüngsten Ertragsverluste der Credit Suisse rückgängig zu machen. UBS ist jedoch viel besser als die Credit Suisse in der Lage, die verlustbringenden, volatilen und kapitalintensiven Investment Banking-Aktivitäten drastisch zu reduzieren und die Rentabilität des Wealth Managements der Credit Suisse wiederherzustellen.

Wir sind der Ansicht, dass Kosteneinsparungen anstelle von Ertragswachstum in absehbarer Zukunft der wichtigste Treiber für das Ertragswachstum von UBS sein werden. Wir gehen aber auch davon aus, dass die Übernahme längerfristig sehr ertragssteigernd sein wird. Zudem schätzen wir, dass UBS nach Abschluss der Integration der Credit Suisse im Jahr 2027 einen Gewinn pro Aktie von USD 3,92 erzielen wird, verglichen mit den USD 2,25 pro Aktie, die UBS im Jahr 2022 für sich allein ausgewiesen hat.

Die Integration der Credit Suisse wird das Ergebnis in den nächsten drei bis vier Jahren stark verzerren. Wir schätzen, dass UBS nach Abschluss der Integration eine Eigenkapitalrendite von 14% erwirtschaften kann, was der jüngsten Rentabilität von UBS vor der Übernahme entspricht. Wir gehen davon aus, dass das übernommene Credit Suisse-Geschäft in der Mitte des Zyklus rund 25% zum Gewinn der UBS beitragen wird.

Das Geschäft ist zwar mit Risiken und Unsicherheiten verbunden, bietet aber auch Chancen. Das Wealth- und Asset-Management-Geschäft der Credit Suisse war in der Vergangenheit ein profitables und qualitativ hochwertiges Geschäft. UBS erwarb talentierte Mitarbeiter,
gute Kundenbeziehungen und eine bedeutende Vermögensbasis zu einem Spottpreis. Sorgen um die Solvenz der Bank trieben die Refinanzierungskosten der Credit Suisse in den letzten Monaten ihres Bestehens in die Höhe. Niedrigere Refinanzierungskosten werden fast unmittelbar den konsolidierten Ertrag unterstützen.

Buchhalterische Anpassungen und einmalige Posten werden das Ergebnis von UBS in den nächsten vier Jahren belasten. Wir schätzen, dass das konsolidierte Wealth-Management- und Asset-Management-Geschäft bis 2027 mit einem Gewinnanteil von 63% noch dominanter sein wird als bei einer eigenständigen UBS. Gleichzeitig erwarten wir, dass das Investment Banking nur 11% zum Gewinn beitragen wird. Unser Basisszenario ist, dass UBS das heimische Schweizer Bankgeschäft der Credit Suisse behält, was zusammen mit dem heimischen Bankgeschäft von UBS 27% beisteuern wird.

Nach der globalen Finanzkrise 2008 befand sich UBS in einer ähnlichen Lage wie die Credit Suisse vor ihrem Zusammenbruch. Die UBS Kapitalallokation war völlig unausgewogen: 70% ihres Kapitals flossen in das volatile, unrentable Investment Banking. In den folgenden 15 Jahren reduzierte UBS das dem Investmentbanking zugewiesene Kapital auf 30%, und beendete Investment Banking-Aktivitäten, die das Kerngeschäft Vermögensverwaltung nicht unterstützten. UBS halbierte ihre Vermögensbasis und reduzierte ihre Kostenbasis um 30%, während sie gleichzeitig ihre Erträge steigerte. Durch die daraus resultierende Kapitaladäquanz und Rentabilitätsverbesserung konnte sie in den letzten fünf Jahren 20% ihrer Aktien zurückkaufen. Jetzt wird UBS all das noch einmal tun müssen.

Für das fusionierte Unternehmen prognostizieren wir in den nächsten fünf Jahren ein bescheidenes Ertragswachstum von 1% pro Jahr. Wir gehen davon aus, dass der Ertrag der bisherigen Credit Suisse in den nächsten fünf Jahren kumuliert um 16% zurückgehen wird. Wir gehen davon aus, dass UBS das Investment Banking-Geschäft der Credit Suisse aggressiv schrumpfen wird. Wir prognostizieren für das Wealth Management-Geschäft der Credit Suisse einen anfänglichen Ertragsrückgang von 16% im Jahr 2023, der durch Kundenabflüsse ausgelöst wird, gefolgt von einer Rückkehr zum langfristigen Trend bei Kundenzuflüssen ab 2024. Ohne die Auswirkungen der Integration sehen wir ein solides Ertragswachstum von jährlich 4% über die nächsten fünf Jahre, wobei das Wealth Management-Geschäft von UBS weiterhin von stabilen Kundenzuflüssen profitieren wird, während die Erträge im Investment Banking aufgrund der erwarteten Marktvolatilität nachlassen.

Wir erwarten in den nächsten fünf Jahren einen jährlichen Rückgang der Betriebskosten von 2 % für das konsolidierten Geschäft. UBS hat erklärt, dass sie den jährlichen Geschäftsaufwand bis 2027 um mindestens USD 8 Milliarden senken will. Wir gehen davon aus, dass die meisten, wenn nicht alle, Kostensenkungen auf der bisherigen Kostenbasis der Credit Suisse erfolgen werden. Wir schätzen, dass die Kostenbasis der Credit Suisse bis 2027 um 53% niedriger sein wird als das, was die Credit Suisse für 2022 als eigenständiges Unternehmen ausweist. Um diese Kosteneinsparungen zu erreichen, wird UBS erhebliche Restrukturierungskosten in Kauf nehmen müssen. Wir rechnen mit kumulierten Restrukturierungskosten in Höhe von USD 10 Milliarden über die nächsten vier Jahre, wobei der grösste Teil der Restrukturierungskosten im Jahr 2024 anfallen wird. Wir erwarten, dass etwa 70% der Kosteneinsparungen und der damit verbundenen Restrukturierungskosten
auf den Abbau großer Teile des kränkelnden Investment Banking-Geschäfts der Credit Suisse entfallen werden.

UBS hat bereits rückwirkend Nettoabschreibungen in Höhe von USD 13,5 Milliarden auf das übernommenen Credit Suisse-Geschäft vorgenommen. Darüber hinaus hat sie eine Rückstellung in Höhe von USD 4 Milliarden für potenzielle Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten gebildet. Die USD 17 Milliarden an Kapital, die durch den
Bail-in der AT1-Anleihen der Credit Suisse aufgebracht wurden, reichten aus, um diese beiden Belastungen auszugleichen. Die buchhalterischen Anpassungen sind Teil der so genannten Kaufpreisallokation, die UBS zur Berechnung des negativen Goodwills in Höhe von USD 35 Milliarden berechnet hat, den sie in ihrem Ergebnis 2023 als Gewinn aus einem günstigen Kauf verbuchen wird. UBS hat keine zusätzlichen Abschläge angedeutet, aber wir gehen von weiteren Abschlägen in Höhe von USD 5 Milliarden aus. Sollten die Abschläge mehr als USD 5 Milliarden betragen, würden die Schweizer Behörden weitere Abschläge in Höhe von USD 9 Milliarden finanzieren. Anfängliche Anzeichen deuteten darauf hin, dass UBS und die Schweizer Behörden Abschläge von mehr als USD 14 Milliarden teilen würden.  Wir glauben, dass UBS zögern wird, diese Unterstützungsmassnahmen in Anspruch zu nehmen, da wir denken, dass dies die Möglichkeiten von UBS einschränken könnte, wenn es darum geht, überschüssiges Kapital an die Aktionäre zurückzugeben.

Wir gehen davon aus, dass UBS ihre Politik der schrittweisen Erhöhung der Dividendenausschüttung fortsetzen wird, und wir schätzen, dass UBS im Jahr 2023 eine Dividende von USD 0,61 pro Aktie ausschütten wird. UBS hat ihr Aktienrückkaufprogramm ausgesetzt, wir gehen jedoch davon aus, dass sie über genügend Überschusskapital verfügt, um bis 2027 Aktien im Wert von USD 15 Milliarden (20% des aktuellen Marktwerts) zurückzukaufen. Die Verkleinerung des kapitalintensiven Investment Banking-Geschäfts der Credit Suisse wird erhebliches Kapital freisetzen, das UBS an ihre Aktionäre zurückgeben kann. Sobald die anfänglichen Restrukturierungskosten und Wertberichtigungen wegfallen, wird UBS wieder in der Lage sein, organisches Kapital zu generieren, um weitere Aktionärsrenditen zu erzielen.

Unsere Fair-Value-Schätzung für UBS ist mit sehr hoher Unsicherheit behaftet. UBS hat nur wenige Informationen über die möglichen finanziellen Auswirkungen der Übernahme der Credit Suisse offengelegt, was unsere Bewertung erschwert.

Damit ein Unternehmen im Rahmen unserer Economic Moat-Methode für einen schmalen Economic Moat in Frage kommt, sollte keine substanzielle Bedrohung durch eine wesentliche Wertvernichtung bestehen. Die Fusion mit der Credit Suisse birgt zusätzliche Risiken, und die damit verbundenen Restrukturierungskosten werden die Rentabilität von UBS kurzfristig unter die Kapitalkosten drücken. Wir sind jedoch der Ansicht, dass die bestehende Kapitalstärke, die Liquidität und die Erfahrung von UBS mit der Durchführung einer ähnlichen Restrukturierung ihrer Investmentbank in der Vergangenheit wichtige mildernde Faktoren sind. Darüber hinaus haben die Schweizer Behörden UBS eine umfangreiche Absicherung gegen Abschläge auf die Vermögenswerte der Credit Suisse von potenziell bis zu CHF 27 Milliarden (10% der risikogewichteten Aktiven der Credit Suisse) bereit gestellt. Es ist auch wichtig zu wissen, dass die Credit Suisse nicht wegen toxischer Vermögenswerte scheiterte. Vielmehr waren ein fehlerhaftes Geschäftsmodell mit einer übermässigen Abhängigkeit von unrentablen Investment Banking-Geschäften und mangelhaftes Risikomanagement die Ursache für den Niedergang der Credit Suisse.

In der Vermögensverwaltung von UBS finden wir Anhaltspunkte für Umstellungskosten und immaterielle Vermögenswerte. Angesichts ihrer Größe könnte eine kombinierte Schweizer Privat- und Geschäftsbank UBS/Credit Suisse durchaus moaty sein. Allerdings gibt es in der Schweiz erheblichen öffentlichen Widerstand dagegen, und UBS könnte sich durchaus für eine Abspaltung der Credit Suisse entscheiden. Auch nach der Umstrukturierung der Investmentbank der Credit Suisse glauben wir nicht, dass die fusionierte Investmentbank ihre Eigenkapitalkosten übertreffen kann.

Wie bei Geschäftsbanken sind auch bei Vermögensverwaltern die Wechselkosten in erster Linie implizit. Dazu gehören der Verlust einer geschätzten Beziehung zum bisherigen Berater, die Zeit, die notwendig ist, um einen neuen Berater und eine neue Firma zu finden und zu prüfen, der Papierkram, der mit der Übertragung von Konten verbunden ist, und die mentale Energie, die notwendig ist, um ein neues Anlageinstrument auszuwählen und zu genehmigen. In den letzten zehn Jahren verzeichnete UBS konstante Nettozuflüsse von Vermögenswerten ihrer Wealth Management-Kunden. Die Nettozuflüsse deuten darauf hin, dass Wechselkosten anfallen könnten. Das Vermögensverwaltungsgeschäft der Credit Suisse verzeichnete ebenfalls Nettozuflüsse, bevor die anhaltenden Fehler im Risikomanagement der Investmentbank Zweifel an der Unternehmensfortführung aufkommen ließen.

Ultra-High-Net-Worth-Kunden legen Wert auf enge Beziehungen zu ihren Bankern, die in der Regel über Jahre und oft über Generationen hinweg aufgebaut werden. UBS richtet ihre Kundenbasis zunehmend auf sehr vermögende Kunden aus, die gegenwärtig rund 40% des Anlagevermögens im Wealth Management-Geschäft von UBS ausmachen. Das Wealth Management-Geschäft der Credit Suisse ist sogar noch stärker auf sehr vermögende Kunden ausgerichtet. Wir sind der Meinung, dass Komplexität im Wealth Management einen Economic Moat ergibt und dass die Betreuung sehr vermögender Privatkunden und Family Offices ein weitaus besser abgesichertes Geschäft darstellt als die Betreuung des Massenmarktes.

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Über den Autor

Johann Scholtz  ist Aktienanalyst bei Morningstar.