Wie in Umfragen allgemein erwartet, gewann Recep Tayyip Erdoğan die Stichwahl zur Präsidentschaft am 28. Mai und sicherte sich damit eine dritte Amtszeit für die nächsten fünf Jahre. Zum ersten Mal, seit Erdoğans an die Macht inne hat, hatte die Opposition mit Kemal Kılıçdaroğlu von der Republican People's Party jedoch ernsthafte Siegchancen. Die Hegemonie Erdoğans war noch nie so schwach.
Erdoğans wird einige Probleme bewältigen müssen, die sich in den letzten Jahren verschärft haben, wie das schwierige Verhältnis zum Westen, die Frage der vier Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei und die sehr fragile Wirtschaftslage. So lag die Inflation im Herbst bei 85,5 % und auch im April noch bei 43 %, während die türkische Lira auf ein Rekordtief gegenüber dem US-Dollar abstürzte.
„Die Türkei hatte in der Vergangenheit Schwachstellen, aber in den letzten drei Jahren geriet das Land zunehmend ins Stocken, wurde finanziert durch Einlagen anderer Zentralbanken, insbesondere aus den Golfstaaten und Russland nach der Invasion in der Ukraine“, erklärt Richard Briggs, leitender Fondsmanager für Schwellenländeranleihen bei Candriam. „Wenn die Türkei weiterhin hohe Leistungsbilanzdefizite aufweist, könnte der Druck auf die Währung und die Wirtschaft erheblich sein, sobald diese Ströme aufhören oder sich umkehren, da es keinen glaubwürdigen politischen Rahmen gibt.“
So werde die Türkei mehr bilaterale und größtenteils bedingungslose externe Unterstützung in Form von Direktkrediten, Währungsswaps und Energiehandelsabkommen benötigen, um den akuten Druck auf die Zahlungsbilanz zumindest teilweise abzupuffern. Multilaterale Hilfe dürfte jedoch nur als letzter Ausweg in Frage kommen, da diese wohl mit strengen politischen Auflagen verbunden wäre, die von den westlichen Gläubigern gefordert werden.
Die Achterbahnfahrt an der türkischen Börse
In der Tat haben die wirtschaftlichen und finanziellen Entscheidungen des Präsidenten die Türkei in den letzten Jahren an den Rand einer tiefen Krise gebracht. Die Zentralbank, die praktisch dem türkischen Präsidenten unterstellt ist, hat beschlossen, die Zinssätze angesichts des schwindelerregenden Anstiegs der Inflation nicht anzuheben (sondern sie sogar zu senken!), um das Wirtschaftswachstum und die Exporte um jeden Preis anzukurbeln. Das hat jedoch die Kaufkraft der Bevölkerung geschrumpft.
Genau dieser Mechanismus hat den Wert türkischer Aktien im Laufe des Jahres 2022 in die Höhe schnellen lassen. ETFs, die den MSCI Turkey tracken, konnten im vergangenen Jahr dreistellige Renditen erzielten und lagen damit an der Spitze der Tracker mit der besten Performance des Jahres.
In einem Umfeld negativer Realzinsen haben türkische Anleger Zuflucht vor der Preisexplosion in Aktien gesucht, was zu steigenden Notierungen, insbesondere in lokaler Währung, geführt hat. Betrachtet man die Renditen der im Morningstar Turkey Index Basket enthaltenen Aktien im Jahr 2022 genauer, so stellt man fest, dass die Sektoren, die am empfindlichsten auf den Konjunkturzyklus reagieren, wie das verarbeitende Gewerbe, Konsumgüter, Rohstoffe und Finanzdienstleistungen, die Istanbuler Börse nach oben getrieben haben.
Allerdings hat sich das Blatt gewendet, und die Türkei ETFs verzeichneten im Jahr 2023 Verluste zwischen -13 % und rund -18 % (in Euro, Stand 30. Mai), wie aus der folgenden Tabelle hervorgeht. Dies ist teilweise auf Gewinnmitnahmen nach der letztjährigen Rallye und die Unsicherheit über den Ausgang der Parlamentswahlen zurückzuführen.
Europäische Anleger haben die Wahl zwischen drei börsengehandelten Fonds, die am türkischen Aktienmarkt engagiert sind. Keiner von ihnen hat ein positives Morningstar Medalist Rating. Sehen wir uns an, warum.
Der MSCI Turkey Index (nachgebildet von allen drei ETFs) ist im Vergleich zum Kategoriedurchschnitt um 6,3 bzw. 3,3 Prozentpunkte übergewichtet in Rohstoffe und Energie. Die Sektoren mit einem vergleichsweise geringen Exposure sind dagegen die defensiven und die zyklischen Konsumgüter. Der Index besteht aus 17 Titeln und ist daher stark konzentriert.
Verglichen mit aktiven Fonds haben die ETFs in den letzten 10 Jahren schlecht abgeschnitten. Die Underperformance lag bei annualisiert 3 %, und das trotz der großen Kostennachteile. Aktive Manager scheinen also mehr Flexibilität und Spielraum zu haben, um in einem hoch konzentrierten und illiquiden Aktienmarkt wie dem türkischen Werte zu generieren.