Der niederländische Aktienmarkt ist der nachhaltigste der Welt

Nord- und mitteleuropäische Länder schneiden in Sachen ESG am besten ab. Zu diesem Ergebnis kommt der aktuelle Morningstar Sustainability Atlas. Aber es gibt auch Überraschungen in anderen Regionen.

Valerio Baselli 04.05.2023
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Tulips

Nachhaltiges Investieren und die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (ESG) sind mittlerweile zum Mainstream bei Investments geworden.

Während der Marktturbulenzen in der Coronavirus-Pandemie erwiesen sich Fonds, die auf Aktien mit guten ESG-Kennzahlen setzen, als sicherer Hafen für Anleger. Die russische Invasion in die Ukraine hat indes eine breite Diskussion über ESG im Allgemeinen und insbesondere über Ausschlüsse ausgelöst.

Letztendlich haben die beiden Großereignisse aber einen seit langem bestehenden Trend verstärkt: Immer mehr Anleger wollen mit ihren Investitionen etwas Positives bewirken und vertreten die Ansicht, dass ESG-Risiken wesentlich im Investmentprozess sind.

Wie stehen einzelne Länder in dieser Hinsicht im internationalen Vergleich da? Laut der neuesten Ausgabe des Morningstar Sustainability Atlas sind die europäischen Länder bei ESG-Praktiken führend. Dies haben auch bereits frühere Ausgaben des Morningstar Sustainability Atlas gezeigt. 

Der Atlas verwendet Morningstar-Länderindizes, um die Nachhaltigkeitsprofile von 48 länderspezifischen Aktienmärkten zu untersuchen. Die Bewertungen auf Unternehmensebene stammen von Morningstar Sustainalytics, Herausgeber des Morningstar Sustainability Ratings für Fonds. 

 

Die Niederlande sind top

Das vierte Jahr in Folge zeigen die Daten, dass die Niederlande der nachhaltigste Aktienmarkt der Welt sind, dank Positionen wie ASML Holding, der größten Komponente in der Benchmark. Unter den Herstellern von Halbleiter-Aausrüstungen ist ASML ein ESG-Führer - insbesondere in den Bereichen Unternehmensführung und Arbeitskapital.

Finnland folgt dank Unternehmen wie Nokia, einem führenden Unternehmen in der globalen Technologie-Hardware-Industrie, und Sampo, einem großen Namen in der Versicherungsbranche. Beide haben ein ESG-Risiko-Rating von "Niedrig".

Hongkong verbessert sich im Vergleich zum Vorjahr um einen Platz und verdrängt Frankreich vom dritten Platz des Rankings. Der Versicherer AIA Group - der bei weitem größte Name innerhalb der Benchmark - verbindet ein geringes Risiko mit einem starken Management.

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Besonders hervorzuheben ist in dieser Studie Taiwan, das von Platz 11 im Jahr 2022 auf Platz 5 im Jahr 2023 aufsteigt. Eine wichtige Rolle spielt hierbei Taiwan Semiconductor Manufacturing Company, ein weltweit führendes Unternehmen in Sachen ESG.

Auf Platz 16 von 48 liegen die Vereinigten Staaten. Einerseits gelten Unternehmen wie Apple, Nvidia, UnitedHealth Group und Visa als führend in Sachen Nachhaltigkeit, andererseits bestehen ESG-Risiken für große Namen wie Amazon, Meta und ExxonMobil. In den meisten dieser Fälle sind die schlechten Bewertungen das Ergebnis von Kontroversen.

So sah sich Amazon beispielsweise mit Streiks und Vorwürfen wegen schlechter Arbeitsbedingungen in Deutschland, Frankreich und dem Vereinigten Königreich konfrontiert. Hinzu kamen Dinge wie die kartellrechtliche Untersuchung, die die Europäische Kommission im Juli 2019 wegen der Doppelrolle des Unternehmens eingeleitet hat. Im Jahr 2020 erntete das Unternehmen viel Kritik für seinen Umgang mit der Frühphase der Coronavirus-Pandemie, insbesondere gegenüber dem Lagerpersonal.

Tesla hat ein mäßiges ESG-Risiko, aber ein hohes Maß an Kontroversen. Laut Sustainalytics weist das Risikomanagement von Tesla in den Bereichen Humankapital und Produktmanagement erhebliche Mängel auf. Tesla war auch in wiederholte Vorfälle in Bezug auf die Lieferzeiten für Autos, die Sicherheit seiner autonomen Fahrtechnologie und das Personalmanagement verwickelt. Darüber hinaus sind die Tweets des Vorstandsvorsitzenden Elon Musk, die den Aktienkurs des Unternehmens beeinflussen, nach wie vor ein Problem für die Unternehmensführung.

China liegt auf Platz 39 von 48 und ist im Vergleich zu 2021 um neun Positionen zurückgefallen. Der Internetriese Tencent ist der größte Name im Index, gefolgt von Alibaba. Beide Unternehmen haben ein ESG-Risiko-Rating von mittel und sind in beunruhigender Weise in Kontroversen verwickelt. Zwei große Namen, Industrial and Commercial Bank of China und Bank of China, haben ein hohes ESG-Risiko-Rating.

 

Länder mit dem geringsten CO2-Risiko

Der Klimawandel bleibt ein wichtiger Bestandteil des Gesamtbildes. Mark Carney, Sonderbeauftragter der Vereinten Nationen für den Klimaschutz und ehemaliger Gouverneur der Bank of England, bezeichnete die Umstellung auf Netto-Null-Emissionen als die "größte wirtschaftliche Chance unserer Zeit". Aber dieser Übergang bedeutet auch, dass Investoren Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre Portfolios vor Klimarisiken zu schützen: Einige Investitionen werden durch den Übergang zu Netto-Null-Projekten benachteiligt, während andere für physische Risiken durch extreme Wetterereignisse anfällig sein werden.

In der Tat kann der Klimawandel eine Bedrohung für die physischen Vermögenswerte und auch für die Geschäftsmodelle von Unternehmen darstellen. Sie können durch politische Maßnahmen oder Vorschriften zur Verringerung der Treibhausgasemissionen beeinflusst werden; ihre fossilen Vermögenswerte können wertlos werden - man spricht von "gestrandeten Vermögenswert" oder "Stranded Assets". Zudem kann die veränderte Wahrnehmung den Marken der Unternehmen schaden.

Wir verwenden den Morningstar Portfolio Carbon Risk Score, um zu beurteilen, inwieweit der Wert eines Unternehmens durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gefährdet ist.

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Nord- und mitteleuropäische Märkte wie die Niederlande, die Schweiz, Dänemark, Belgien, Schweden und Deutschland weisen das geringste CO2-Risiko auf. Die USA schneiden ebenfalls sehr gut ab und liegen auf Platz acht von 48. Aufgrund der Ausrichtung auf die Bereiche Technologie und Gesundheitswesen und angesichts des geringen Engagements im Energie- und Versorgungssektor ist nur ein kleiner Teil der börsennotierten Unternehmen von einem Wertverlust bedroht. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist Berkshire Hathaway, dem in der Morningstar-Analyse unter Verwendung von Sustainalytics-Daten ein hohes CO2-Risiko zugewiesen wird.

Laut Sustainalytics ist Berkshire aufgrund der Verteilung seiner Investitionen und seiner Größe den Risiken im Zusammenhang mit ESG-Integrationsprozessen und verantwortungsbewussten Investitionen deutlich stärker ausgesetzt als andere Unternehmen. Darüber hinaus ist Berkshire durch seine Beteiligungen an mehreren Unternehmen auch indirekt ESG-Risiken ausgesetzt, insbesondere in den Sektoren Finanzen, Konsumgüter, Energie und Industrie.

Hongkong, einer der kohlenstoffintensivsten Aktienmärkte, hat einen Portfolio Carbon Risk Score von Low und befindet sich im ersten Quintil. Große Unternehmen und bedeutende Kohlenstoffemittenten wie der Industriekonzern CK Hutchison Holdings, die Versorgungsunternehmen CLP Holdings und Power Assets Holdings sowie die Galaxy Entertainment Group werden von Sustainalytics mit einem Carbon Risk Rating von mittel bewertet. Obwohl sie von Natur aus einem hohen CO2-Risiko ausgesetzt sind, sind sie aber in der Lage, dieses Risiko durch geeignete Maßnahmen zu steuern.

Am anderen Ende des Spektrums befindet sich Pakistan, dessen Marktkapitalisierung zu fast 60 % in den Bereichen Energie, Versorger und Rohstoffe liegt. Es hat daher den höchsten Portfolio Carbon Risk Score der Welt. Die energieintensiven Märkte von Saudi-Arabien, der Tschechischen Republik und Katar weisen ebenfalls erhebliche CO2-Risikowerte im Portfolio auf.

 

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Über den Autor

Valerio Baselli

Valerio Baselli  ist Redakteur bei Morningstar.