EZB hebt Leitzins um 50 Basispunkte

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins wie vielfach erwartet um 0,50 Prozentpunkte angeboben. Die Inflation werde noch über einen längeren Zeitraum über dem 2%-Ziel liegen. Europas Banken seien aber widerstandsfähig, betont die EZB-Chefin Christine Lagarde mit Blick auf die jüngsten Unruhen um SVB und Credit Suisse. Einen Konflikt zwischen monetärer Stabilität und der Stabilität im Finanzsektor gebe es nicht. 

Antje Schiffler 16.03.2023
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EZBDie Inflation werde noch über einen längeren Zeitraum über dem 2%-Ziel liegen. Den Projektionen zufolge bleibt die Inflation für eine zu lange Zeit zu hoch, so die EZB. Der EZB-Rat habe daher beschlossen, die drei Leitzinssätze der EZB um jeweils 50 Basispunkte anzuheben. Dementsprechend werden der Zinssatz für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie die Zinssätze für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität mit Wirkung zum 22. März 2023 auf 3,50 %, 3,75 % bzw. 3,00 % erhöht.

 

 

Die erhöhte Unsicherheit verdeutliche einmal mehr, wie wichtig ein datengestützter Ansatz bei den Leitzinsbeschlüssen des EZB-Rats ist. Diese werden sich nach seiner Einschätzung der Inflationsaussichten vor dem Hintergrund der verfügbaren Wirtschafts- und Finanzdaten, der Entwicklung der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission richten.

 

Europas Banken widerstandsfähig

Der Bankensektor im Euroraum ist widerstandsfähig und verfügt über eine starke Kapital- und Liquiditätsposition, betonte die EZB-Chefin zudem in ihrem Eingangsstatement. Mit der Situation 2008 sei die aktuelle nicht vergleichbar. Architektur und Aufsicht des Sektors hätten sich seit der Lehman-Krise deutlich verbessert. Die Basel III-Vorschriften regelten etwa die Liquidität des Sektors. Deren Exposure sei nicht so einseitig ausgelegt wie etwa in Kalifornien bei der SVB. Sollten Probleme aufflammen, verfüge die EZB über einen prall gefüllten Werkzeugkoffer und erfahrene Mitarbeiter, die schnell kreative Lösungen zur Verfügung stellen könnten. Natürlich habe der EZB-Rat die eigene Geschichte im Blick; der heutige Beschluss sei mit Vorsicht gefällt worden. 

Die neuen gesamtwirtschaftlichen Projektionen der EZB wurden Anfang März erstellt, bevor es zu den jüngsten Spannungen an den Finanzmärkten kam. Diese Spannungen schaffen zusätzliche Unsicherheit in Bezug auf die Bewertung von Inflation und Wachstum in den Basisprojektionen, räumt das Institut ein. Noch vor den jüngsten Entwicklungen war der im Basisszenario für die Gesamtinflation projizierte Pfad nach unten korrigiert worden, was in erster Linie damit zusammenhängt, dass der Beitrag der Energiepreise geringer ausfiel als erwartet.

 

Inflation: Annäherung ans 2%-Ziel erst 2025

Die EZB-Fachleute gehen nun von einer durchschnittlichen Inflation von 5,3 % für 2023, 2,9% für 2024 und 2,1% für 2025 aus. Zugleich ist der zugrunde liegende Preisdruck nach wie vor hoch. Die Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel zog im Februar weiter an. EZB-Fachleute gehen davon aus, dass sie 2023 im Durchschnitt bei 4,6 % und damit über dem in den Projektionen vom Dezember erwarteten Wert liegen wird. Danach wird sie den Projektionen zufolge 2024 auf 2,5 % und 2025 auf 2,2 % fallen, da der aus den vorangegangenen Angebotsschocks und der Wiedereröffnung der Wirtschaft resultierende Aufwärtsdruck nachlässt und eine restriktivere Geldpolitik zunehmend die Nachfrage dämpft.

Die Basisprojektionen für das Wachstum im Jahr 2023 wurden aufgrund der gesunkenen Energiepreise und der größeren Widerstandsfähigkeit der Wirtschaft gegenüber dem schwierigen internationalen Umfeld auf einen Durchschnitt von 1,0 % nach oben korrigiert. Die EZB-Fachleute gehen davon aus, dass sich das Wachstum dann in den Jahren 2024 und 2025 weiter auf 1,6 % erhöht. Gestützt wird es durch einen robusten Arbeitsmarkt, ein steigendes Vertrauen und eine Erholung der realen Einkommen. Zugleich ist der Wachstumsanstieg 2024 und 2025 geringer als in den Projektionen vom Dezember erwartet. 

Die EZB war angesichts der jüngsten Entwicklungen im Dilemma, die nun verkündeten 50 Basispunkte beizubehalten, oder aber angesicht der Unsicherheiten an den Finanzmärkten einen geringeren Zinsschritt vorzunehmen. "Während die Fed und die Bank of England den „Luxus“ einer zusätzlichen Woche haben, um die potenziellen negativen Auswirkungen der aktuellen Spannungen zu bewerten, setzten sich Lagarde und der Ausschuss bereits gestern zusammen – während die Risikomärkte ächzten und die Geldmärkte den künftigen Pfad der europäischen Leitzinsen beschnitten", so Dave Chappell, Senior Fixed Income Portfolio Manager bei Columbia Threadneedle Investments. Allerdings wurde die bisherige verlängerte Forward Guidance gestrichen. 

Die neuen Prognosen für die Gesamtinflation wurden aufgrund der niedrigeren Energiepreise deutlich gesenkt. Die Kerninflation ist jedoch nach wie vor das Hauptproblem, und die revidierten Prognosen dafür waren weniger optimistisch, selbst wenn man von weiteren Zinserhöhungen ausgeht, so Chappell. Das ist ein Grund dafür, das beschleunigte Tempo zumindest vorerst beizubehalten.

Die Entscheidung wurde von einer großen Mehrheit befürwortet, wie Lagarde betonte. Allerdings plädierten einige wenige auch für ein vorsichtigeres Vorgehen in dieser Phase, bis mehr Klarheit über die aktuellen Fragen der Finanzstabilität besteht. "In den kommenden Wochen könnte sich herausstellen, dass die wenigen Vorsichtigen ihre Meinung stärker hätten durchsetzen müssen", so Chappell. 

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Über den Autor

Antje Schiffler  ist Redakteurin bei Morningstar in Frankfurt.