Johanna Englundh: Willkommen bei Morningstar. Themenfonds werden bei Anlegern immer beliebter. Bei mir ist Kenneth Lamont, Senior Analyst für passive Strategien bei Morningstar. Mit ihm wollen wir einen Blick auf diese Fondsgattung werfen.
Kenneth, Aktienfonds haben bisher in diesem Jahr massive Abflüsse erlitten. Ist dieser Trend auch bei Themenfonds zu beobachten?
Kenneth Lamont: Nun, obwohl der Rest des Aktienfondsuniversums Abflüsse verzeichnen musste, stehen Themenfonds in diesem Jahr bemerkenswerterweise im Plus. Sie haben einen Nettozuwachs - oder nicht. Für die ersten drei Quartalen des Jahres vermelden sie Nettomittelzuflüsse und zeigen damit eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit, vor allem wenn man bedenkt, dass die überwiegende Mehrheit dieser Fonds wachstumsorientiert ist und viele schlechter abgeschnitten hat als der breite Markt.
JE: Richtig. Das ist wirklich ein starker Kontrast, vor allem wenn man bedenkt, dass viele Anleger Themenfonds als sehr trendig betrachten. Man würde eher erwarten, dass sie größere Abflüsse verzeichnen als Aktienfonds im Allgemeinen. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
KL: Ich denke, es lohnt sich, das Wort "trendig" etwas näher zu beleuchten. Es ist ein Wort, das vielen Anlegern in den Sinn kommt, wenn sie sich diese Fonds ansehen. Und in der Tat ist der Begriff angemessen und taucht in einigen Fällen im Namen der Fonds auf, weil sie säkularen Veränderungen in der Gesellschaft oder technologischen Innovationen folgen.
Aber in unserem jüngsten Research-Papier haben wir etwas genauer hingeschaut, was das bedeuten könnte. Und wir waren tatsächlich überrascht von dem, was wir gefunden haben. Betrachtet man die globalen Zahlen für Themeninvestments, also aktive und passive Fonds, so zeigt sich, dass diese Fonds über 1, 3, 5, 10 und 15 Jahre tatsächlich seltener geschlossen werden, was sehr überraschend ist. Verbindet man das mit der Erkennntis, dass diese Fonds in Zeiten, in denen der Markt stark rückläufig ist, stark gelitten haben, dann hat man trotzdem nicht gesehen, dass die Anleger zum Ausgang gestürmt sind.
Ich denke, das zeigt, dass diese Fonds eine überraschende Widerstandsfähigkeit an den Tag gelegt haben und vielleicht nicht ganz so trendy sind, wie manche Anleger meinen. Grund dafür scheint zu sein, dass die Anleger diese Fonds wirklich auf lange Sicht betrachten. Oder zumindest betrachten einige Anleger diese Anlagen langfristig. Die meisten der Themen, in die sie investieren, sind langfristige Themen, und die Gründe, in sie zu investieren, sind heute die gleichen wie vor sechs Monaten oder vor zwei Jahren. Ich gehe also davon aus, dass die Anleger auf die nächste Hausse warten, die sie wieder nach vorne bringen wird.
JE: Das ist eine interessante Beobachtung. Wenn wir uns die verschiedenen Themen genauer ansehen, welche sind dann die beliebtesten bei den Anlegern und welche sind jene, die 2022 am besten abschneiden?
KL: Nach Vermögenswerten gemessen sind in Europa breit angelegte Themenfonds am beliebtesten. Das sind Fonds, die explizit in die gesamte Palette von Themen investieren können, wenn sie es für richtig halten. Diese Fonds ersetzen in einem Portfolio oft Kerninvestments. Am zweitbeliebtesten, und auch das wird niemanden überraschen, ist das Thema Energiewende. Die Beliebtheit der Themen hängt also zu einem großen Teil mit technologischen und ESG-Entwicklungen zusammen. Was die Zuflüsse betrifft, so spiegeln sie das Marktgeschehen wider. Zu den kleineren Themen, bei denen größere Zuflüsse zu verzeichnen waren, gehört beispielsweise das Thema Nahrungsmittel, was angesichts der weltweiten Situation in diesem Bereich und angesichts der Entwicklung in der Ukraine ebenfalls niemanden überraschen dürfte. Wenn man auf die Performance der Themen schaut, kann man tatsächlich dabei zusehen, wie sie sich in der Weltwirtschaft auswirken.
JE: Abschließend noch eine Frage: Gibt es Risiken bei Investments in Themenfonds?
KL: Es gibt durchaus Risiken. In einer kürzlich erschienenen Publikation haben wir gezeigt, dass weltweit neun von zehn Themenfonds über fünf Jahre eine höhere Standardabweichung haben als die globale Aktienbenchmark, was wiederum keine allzu große Überraschung sein sollte, denn in vielerlei Hinsicht sind diese Fonds von vornherein riskant. Andererseits ist Risiko ein interessantes Konzept. Wenn beispielsweise ein Investor ein bestimmtes Thema abdecken möchte und dazu eine einzelne Aktie kauft, geht er ein hohes idiosynkratisches Risiko, also das Risiko der einzelnen Aktie ein. Kauft er dagegen einen Korbs von 30 oder 40 Aktien, die das Thema verfolgen, wird ein Teil des idiosynkratischen Risikos gestreut.
Was also für sich allein genommen eine riskante Anlage im Vergleich zu einem breiten Aktienindex ist, könnte tatsächlich die weniger riskante Option sein. Und ich denke, es ist wichtig zu sagen, dass man wirklich verstehen sollte, wo diese Anlagen in ein Portfolio passen. Etwas, das ein hohes Beta oder ein höheres Risiko aufweist, kann das Risiko insgesamt verringern, wenn es einem breiten Portfolio beigemischt wird und mit einigen anderen Positionen darin unvollkommen korreliert.
JE: Alles klar. Herzlichen Dank, Kenneth. Bis zum nächsten Mal. Ich bin Johanna von Morningstar.