Die Krise rund um die britische Regierung hat sich am Mittwoch deutlich verschärft, nachdem die Bank of England (BoE) in den Anleihemarkt eingegriffen und langlaufende britische Staatsanleihen (Gilts) gekauft hatte. Hiermit sollten "geordnete Marktbedingungen wiederhergestellt werden“. Zudem sollte die „Dysfunktion“ der letzten Tage beendet. Dieser Schritt erfolgt nur wenige Tage, nachdem die Zentralbank eine Notzinserhöhung zur Beruhigung sowohl der Devisen- als auch der Anleihenmärkte in letzter Minute unterlassen hatte.
Die heutige Intervention zum Kauf von Staatsanleihen hatte den beabsichtigten Effekt, die Renditen nach unten zu drücken, die seit dem so genannten "Mini-Budget" von Finanzminister Kwasi Kwarteng am Freitag, dem 23. September, sprunghaft angestiegen sind. Kwarteng hatte angekündigt, mit milliardenschweren Hilfen die hohen Energiepreise abfedern zu wollen und gleichzeitig die Steuern zu senken.
Der Referenzwert für 10-jährige Staatsanleihe sank am Mittwochmittag um 23 Basispunkte auf 4,26%, ist aber allein in diesem Monat um 167 Basispunkte und auf Jahressicht um 327 Basispunkte gestiegen. Das bedeutet, dass die 10-jährige Staatsanleihe seit September letzten Jahres von einer Rendite von 0,99% auf 4,26 % gestiegen ist.
Die Erklärung der Bank vom Mittwoch bezog sich auf die „erhebliche Neubewertung britischer und globaler Finanzanlagen“, die dazu geführt hat, dass das Pfund am Montag ein Rekordtief gegenüber dem Dollar erreicht hatte. Außerdem kam es zu beträchtlichen Bewegungen nach oben bei den britischen Renditen, die die Kosten der Regierung zur Kreditaufnahme und die Hypothekenzinsen nach oben getrieben haben.
Risiko für die Finanzstabilität
Warum greift die Bank ein? In der Mitteilung heißt es, dass die aktuellen Marktbedingungen ein „wesentliches Risiko für die britische Finanzstabilität“ darstellen, das zu „einer ungerechtfertigten Verschärfung der Finanzbedingungen und einer Verringerung des Kreditflusses an die Realwirtschaft“ führen könnte. Die Bank schloss am Montagabend eine bevorstehende Zinserhöhung aus und sagte, dass ihre Sitzung im November wahrscheinlich die nächste Gelegenheit zum Handeln sein werde, obwohl sie die Situation beobachte und bereit sei, einzugreifen. Der Chefökonom der Bank, Huw Pill, sagte, dass eine Bewegung um mehr als 100 Basispunkte bei ihrer nächsten Sitzung wahrscheinlich sei.
Die Regierung plant indes am 23. November einen „mittelfristigen Finanzplan“ auf den Weg zu bringen. Die aktuellen Marktbewegungen deuten darauf hin, dass es zu spät sein dürfte, bis November auf die Bank und das Finanzministerium zu warten, um diese aktuelle Krise abzuwenden.
Wie wird es funktionieren?
Der Kauf von Staatsanleihen mit langer Laufzeit soll „ein bestimmtes Problem auf dem Markt für Staatsanleihen mit langer Laufzeit angehen“, sagte die Bank heute, und die Auktionen laufen von heute bis zum 14. Oktober. „Die Käufe werden reibungslos und geordnet abgewickelt, sobald die Risiken für das Funktionieren des Marktes als abgeklungen angesehen werden “, hieß es.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) schaltete sich heute ein und schloss sich derer an, die die Steuersenkungsvorschläge des Ministers kritisieren. Der IWF forderte die Truss-Regierung auf, diese Entscheidungen rückgängig zu machen, bevor es zu spät sei. Das Pfund fiel auf 1,07 USD, nachdem die IWF-Kommentare veröffentlicht wurden, und fiel nach dem Schritt der Bank of England weiter auf 1,06 USD.
„Wir verstehen, dass das angekündigte umfangreiche Steuerpaket darauf abzielt, Familien und Unternehmen bei der Bewältigung des Energieschocks zu helfen und das Wachstum durch Steuersenkungen und Versorgungsmaßnahmen anzukurbeln“, so der IWF.
„Angesichts des erhöhten Inflationsdrucks in vielen Ländern, einschließlich Großbritannien, empfehlen wir jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine großen und ungezielten Fiskalpakete, da es wichtig ist, dass die Fiskalpolitik nicht im Widerspruch zur Geldpolitik steht."
„Darüber hinaus wird die Art der britischen Maßnahmen wahrscheinlich die Ungleichheit verstärken.“
Der Hintergrund
Die Bank unterbricht vorübergehend den Verkauf ihrer Staatsanleihen im Wert von 80 Mrd. Pfund, ein Prozess, der letzte Woche beginnen sollte. Bei ihrem Treffen hatte die Bank eine Zinserhöhung um 50 Basispunkte angekündigt. Seit letztem Donnerstag ist aber viel passiert.
Das Jahresziel der Bestandsreduzierung in Höhe von 80 Mrd. GBP bleibe zwar unverändert. "Angesichts der aktuellen Marktbedingungen hat der Vorstand der Bank den Beginn der Gilt-Verkaufsoperationen, die nächste Woche beginnen sollten, verschoben. Die ersten Verkaufsoperationen werden am 31. Oktober stattfinden und danach fortgesetzt werden", hießt es.
Zentralbanken auf der ganzen Welt haben in den letzten Jahren ihre Staatsanleihen in einem als "Quantitative Easing" bekannten Prozess gekauft. Sie waren bereit, Staatsanleihen zu kaufen und die Kreditkosten für Regierungen in einer Zeit zu senken, in der sie erhebliche Summen ausgeben mussten, um ihre Volkswirtschaften in der Covid-Krise zu stützen.
Im Endeffekt bedeutete dies auch für die Verbraucher niedrigere Kreditkosten, aber dieser Prozess wird jetzt unter „Quantitative Tightening“ umgekehrt. Zentralbanken wie die Federal Reserve, die Bank of England und die Europäische Zentralbank haben die Zinssätze erhöht, um die steigende Inflation zu bekämpfen.
Warum steigen die Renditen von Staatsanleihen?
Die Renditen steigen, weil Anleger Anleihen verkaufen und damit ihre Preise nach unten drücken. Dies kann auf einen Vertrauensverlust in die Wirtschaftsstrategie des Emittenten hindeuten – zum Beispiel reagierten die Anleger stark gegen einen britischen Haushalt, der höhere Ausgaben und Steuersenkungen vorsah. Es ist also eine Art finanzielles Misstrauensvotum gegenüber den Aussichten für das Land. Anleiherenditen spiegeln auch Inflations- und Zinserwartungen wider.
Das Vereinigte Königreich wurde zuvor als sichere Wette für Anleiheninvestoren angesehen, aber die jüngsten Ereignisse deuten auf etwas anderes hin. Evangelia Gkeka, Senior Manager Research Analyst, Fixed Income bei Morningstar, sagt, dass der Markt noch weitere Zinserhöhungen einpreist: „Es scheint, dass der Markt der Ansicht ist, dass Stützungsmaßnahmen der Regierung zu mehr staatlicher Kreditaufnahme führen werden, aber wenn die Kreditkosten steigen, wird sich die Verschuldung im Verhältnis zum BIP und das Haushaltsdefizit weiter erhöhen. Gleichzeitig führt dies zu noch höherer Inflation, was wiederum dazu führt, dass die Zinsen noch weiter erhöht werden müssen."