Die Marktturbulenzen, die durch die russische Invasion in der Ukraine verursacht wurden, haben eine hitzige Debatte über nachhaltige Investitionen ausgelöst, insbesondere über Entscheidungen im Zusammenhang mit Ausschlusslisten - und hier vor allem bezüglich des Waffensektors und der fossilen Brennstoffe.
Jon Hale, Director of Sustainability Research bei Morningstar, argumentiert, dass solche Kritiken oft oberflächlich und nicht durch Daten gestützt sind (hier geht es zum englischsprachigen Artikel). Schließlich spiegeln diese Debatten größtenteils ein völliges Unverständnis für die Heterogenität von ESG-Strategien wider.
Denn eine große Lehre aus diesem Konflikt ist, dass Investitionen in Ländern, in denen Politiker das freie wirtschaftliche Handeln stark beeinflussen können und in denen die Führung vieler Unternehmen durch Politik und Machthaber beeinflusst werden, ein Anlagerisiko darstellen, das es zu managen gilt. Wenn es um Investitionen in autokratischen Ländern wie Russland geht, können die üblichen Regeln für die Auswahl von Aktien und Anleihen, wie beispielsweise die fundamentalen Daten, über Nacht irrelevant werden.
Trotz der aktuellen Herausforderungen sind die langfristigen Ergebnisse von nachhaltigen Strategien aber ermutigend. Die Tatsache, dass sich ESG-Filter während der Coronavirus-Pandemie als widerstandsfähig erwiesen haben, stützt die Wahrnehmung, dass das Konzept des „ESG-Risikos“ relevant ist.
Nordeuropäische Länder führend
Laut der neuesten Ausgabe des Morningstar Sustainability Atlas führen europäische Länder, insbesondere die des Nordens, das Ranking der nachhaltigsten Aktienmärkte an. Das ist nichts Neues. Diese Länder waren in dieser Angelegenheit schon immer einen Schritt voraus. Aber sie sind durchaus nicht die einzigen Märkte, die ein außergewöhnlich solides Nachhaltigkeitsprofil aufweisen.
Finanzberater und Asset Manager können diese Daten verwenden, um Länder mit den besten ESG-Investitionsmöglichkeiten sowie die größten Risiken zu identifizieren. In der neuesten Ausgabe des Atlas bewertet Morningstar die Nachhaltigkeitsprofile von 48 globalen Aktienmärkten, indem es die verschiedenen Bestandteile der jeweiligen Länderindizes analysiert. Die jedem Unternehmen zugewiesenen Bewertungen stammen von Sustainalytics, das auch die Daten für die Erstellung des Morningstar -Nachhaltigkeitsratings der Fonds liefert.
Der niederländische Aktienmarkt liegt ganz vorne
Die Niederlande werden (erneut) Weltmeister in Sachen Nachhaltigkeit. Wichtige Aktien der niederländischen Benchmark wie Adyen (Zahlungsunternehmen) und insbesondere der Halbleiterhersteller ASML Holding sind sehr wenigen ESG-Risiken ausgesetzt.
Im Vergleich zur letzten Ausgabe überholt Finnland Frankreich auf dem zweiten Platz. Der skandinavische Markt kann auf Aktien wie Nokia (ESG-Führer im globalen technologischen Hardwaresektor) und KONE (ESG-Führer im Maschinensektor) zählen.
Was die Pariser Börse anbelangt, so sind wichtige Namen wie der Weltmarktführer im Luxussegment LVMH, L'Oréal oder der Elektroausrüster Schneider Electric laut der Analyse von Sustainalytics nur geringen ESG-Risiken ausgesetzt.
Hongkong ist der einzige außereuropäische Markt im obersten Quintil. Laut Sustainalytics kombiniert die Versicherungsgesellschaft AIA Group eine begrenzte Exposition gegenüber ESG-Risiken mit einem soliden Management.
Deutschland auf Rang 7
Deutschland befindet sich auf Rang 7 und die Schweiz und Österreich auf den Plätzen 13 und 14.
Die Vereinigten Staaten rangieren auf Platz 16 von 48. Einerseits gelten Unternehmen wie Apple, Microsoft oder Berkshire Hathaway als führend in Sachen Nachhaltigkeit; Andererseits wird das ESG-Risiko für große Namen wie Amazon, Meta oder Exxon Mobil als „hoch“ eingestuft. Dies ist hauptsächlich auf das Ausmaß an Kontroversen zurückzuführen, an denen diese Unternehmen beteiligt waren.
China rutscht auf das zweitunterste Quintil ab, und zwar auf Platz 39 von 48. Das ist neun Plätze tiefer im Vergleich zum Vorjahr. Tencent ist der größte Name im Index, gefolgt von Alibaba. Beide Unternehmen haben eine „durchschnittliche“ ESG-Risikobewertung und sind in Rechtsstreitigkeiten verwickelt.
Kohlenstoffrisiko: Schweiz auf Platz 2
Ein weiterer grundlegender Punkt ist der Klimawandel. Trotz der Fortschritte, die auf der COP26 – der Klimakonferenz der Vereinten Nationen im Jahr 2021 – mit neuen Zusagen zur Finanzierung verschiedener Initiativen erreicht wurden, haben die entwickelten Nationen den selbst gesteckten Zielwert noch nicht erreicht. Gleichzeitig müssen die Staats- und Regierungschefs der Welt noch die Regeln fertigstellen, die notwendig sind, um die im Pariser Abkommen vereinbarten Ziele wahr werden zu lassen.
Morningstar verwendet den Carbon Risk Score, um zu eruieren, inwieweit der Wert eines Unternehmens durch den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft gefährdet ist. Aus dieser Sicht finden wir unter den am besten positionierten Märkten mehrere westeuropäische Länder.
Die ersten Plätze belegen die Niederlande, die Schweiz, Dänemark, Frankreich, die Vereinigten Staaten und Belgien. Deutschland folgt auf Platz 8. Weiter abgeschlagen auf Platz 28 liegt Österreich.
Die USA – nach China das Land mit den zweitgrößten CO2-Emissionen der Welt – können sich auf einen Aktienmarkt verlassen, der den Risiken, die sich aus dem Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft ergeben, nur schwach ausgesetzt ist. Dies ist auf das sehr Gewicht des Technologie- und Gesundheitssektors im Index zurückzuführen, während das von Energieunternehmen und Versorgern marginal ist.
Wichtiger Hinweis: Angesichts der russischen Invasion in der Ukraine und der daraus resultierenden Sanktionen der USA, der EU und des Vereinigten Königreichs hat Morningstar den russischen Aktienmarkt vom Status „Schwellenmarkt“ auf „nicht klassifiziert“ umgestuft. Am 18. März 2022 wurden alle russischen Aktien, einschließlich ADRs und GDRs, aus den Indexfamilien Morningstar Global Markets und Morningstar Target Market Exposure zum Nullpreis entfernt. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass viele Anleger nicht mehr mit diesen Wertpapieren handeln können. Folglich wurde der russische Aktienmarkt für diese Analyse nicht berücksichtigt.
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