Krawall an der Börse nach Putins Überfall auf die Ukraine

Russlands umfassender Angriff auf die Ukraine zwingt die Anleger, ihre bisherigen Worst-Case Szenarien einzupreisen. Die Folge sind starke Kursverluste an den europäischen Aktienmärkten.

Lukas Strobl 24.02.2022
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Zerstörte ukrainische Radargeräte
Seit dem frühen Donnerstagmorgen dringen die russischen Streitkräfte auf ukrainisches Territorium vor, in allen Teilen des Landes laufen Luft- und Raketenangriffe. Das ist das schlimmste Szenario, das sich Analysten, Investoren und vor allem die Ukraine selbst bisher vorstellen konnten.

Die Märkte haben die Eskalation schnell eingepreist, die Aktien des S&P Europe 350 brachen bei Handelsbeginn um 2,5% ein. Wirtschaftlich sensible Branchen wie Banken, Automobilhersteller und Industriewerte entwickelten sich unterdurchschnittlich, die am stärksten betroffenen Aktien der Region aber waren diejenigen, die in Russland und der Ukraine engagiert sind.

Dazu gehörten die polnischen Einzelhändler LPP (LPP, -22%) und Allegro.eu (ALE, -10%), die Banken Pekao und PKO (PKO, -9%) und die hautsächlich in Osteuropa tätige Billigfluggesellschaft Wizz Air (WIZZ, -8%). Das anglo-russische Bergbauunternehmen Polymetal International (POLY) stürzte 27% ab und erzielte damit die schlechteste Performance innerhalb der Benchmark.

Wenig überraschend stellten die Verluste in Russland die Verluste in Europa in den Schatten, als der MOEX-Index des Landes durch den Absturz von Banken und Energieunternehmen um 19% nach unten gezogen wurde. Gazprom (GAZP, -51%), Lukoil (LKOH, -40%) und Sberbank (SBER, -50%) belasteten den Index am stärksten, während der Rubel um bis zu 10% auf ein Rekordtief fiel.

Sorgen über Unterbrechungen der Lieferketten beflügelten die Energiemärkte und ließen die Rohöl-Futures der Sorte Brent zum ersten Mal seit 2014 über die 100-Dollar-Marke steigen. Erdgas, bei dem die russischen Lieferungen einen noch größeren Anteil ausmachen, schnellte beim Terminhandel an der Londoner Intercontinental Exchange um bis zu 30% in die Höhe.

Diese Marktbewegungen zusammen trugen dazu bei, die Rückgänge bei großen Energiekonzernen wie Shell (SHEL, -1%), BP (BP, -4%) und Eni (ENI, -2%) abzufedern. Außerhalb des Energiesektors waren defensive Branchen wie Immobilienunternehmen, Nahrungsmittelhersteller und Versorger am wenigsten stark betroffen, da die Anleger in sichere Anlagen flüchteten.

Ausreißer

Im risikoärmeren Bereich legten zudem deutsche Bundesanleihen und 10-jährige US-Staatsanleihen jeweils um etwa 0,5% zu, der Goldpreis stieg um bis zu 2%. Die jüngste Debatte darüber, ob Bitcoin ein Sicherer Hafen - oder sogar ein Ersatz für Gold - geworden ist, beendete die Kryptowährung mit einem Einbruch von 5% auf den tiefsten Stand seit Januar.

Ein kurioser Ausreißer waren am Donnerstagmorgen Aktien aus dem Bereich der erneuerbaren Energien, die sich in Zeiten erhöhter Risiken tendenziell schlechter entwickeln, diesmal aber von der Verringerung des Angebots an fossilen Brennstoffen profitieren. Orsted (ORSTED +0,1%), Vestas (VWS, -1%), Nordex (NDX1, -0,3%) und Siemens Gamesa (SGRE, -1,7%) waren die klaren Outperformer.

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Über den Autor

Lukas Strobl  ist Redaktionsleiter für die EMEA-Region bei Morningstar.