HeidelbergCement erscheint unterbewertet

Das Unternehmen bleibt weiter abhängig von unbeliebten Baumaterialien.

Matthew Donen 03.01.2022
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Die Strategie, durch Kostensenkungen und Veräußerungen eine höhere Eigenkapitalquote zu erreichen, hat das Fragezeichen beseitigt, das über der Bilanz von HeidelbergCement hing. Außerdem hat sie die großzügige Kapitalertragspolitik der letzten Zeit unterstützt mit einem Aktienrückkaufprogramm in Höhe von EUR 1 Milliarde, das im September 2023 abgeschlossen werden soll. Zum Zeitpunkt der Ankündigung entsprach der Wert 8% der Marktkapitalisierung von HeidelbergCement. Auch wenn das für Anleger attraktiv ist, ist es unserer Meinung nach unwahrscheinlich, dass der Markt dem Unternehmen ein höheres Multiple zuweist. Zudem sind weitere Investitionen in grüne Initiativen erforderlich.

Zwar reichen Kostensenkungen nicht, um großartig zu sein, aber wir denken, dass der Konzern damit eine gute Grundlage geschaffen hat, um von einer zyklischen Erholung zu profitieren, die durch eine breite Palette von Konjunktur- und Infrastrukturprojekten auf der ganzen Welt angeheizt wird. Etwa 30% des EBITDA-Beitrags von HeidelbergCement stammen aus dem Bereich Zuschlagstoffe, dem Baustoff, der am meisten von steigenden Infrastrukturausgaben profitiert. Wir gehen davon aus, dass die Konjunkturprogramme der Europäischen Union und die höheren Infrastrukturausgaben in den USA (21% des Umsatzes) eine Erholung der Bauwirtschaft und höhere Preise fördern. Eine strengere Regulierung der Kohlendioxidemissionen in Europa wird die Kapazitäten der Industrie wahrscheinlich verknappen. Eine bessere Auslastung durch ein höheres Nachfragevolumen und die Veräußerung von Anlagen mit niedrigeren Margen sind Triebkräfte für eine Margenausweitung, die dazu beitragen wird, die höheren Energiepreise abzufedern. Das Gewinnwachstum von HeidelbergCement verläuft im Vergleich zu Wettbewerbern gedämpfter. Gründe dafür sind der größere Beitrag langsam wachsender Regionen zum Gesamtergebnis und die Veräußerung von Vermögenswerten in den USA an Martin Marietta.

Das im Vergleich zum historischen Durchschnitt niedrige EV/EBITDA-Multiple von HeidelbergCement geht unserer Ansicht nach auf die starke Abhängigkeit vom Zement zurück, der offenkundig CO2-Emissionen verursacht. Die Abhängigkeit erfordert höhere Investitionen in CO2-arme Produkte und Technologien zur Kohlenstoffabscheidung. Im Gegensatz zu den Wettbewerbern CRH und Holcim sehen wir keine Anzeichen dafür, dass HeidelbergCement vermehrt in den nachgelagerten Sektor der Bauprodukte einsteigt, der ein geringeres Umwelt-, Sozial- und Governance-Risiko aufweist.

Economic Moat

Aufgrund immaterieller Vermögenswerte in Form behördlicher Genehmigungen, die für den Bau von Zementwerken erforderlich, aber nur schwer erhältlich sind, stufen wir HeidelbergCement mit einem kleinen Economic Moat oder strategischen Wettbewerbsvorteil ein. Die Produktionsstätten des Unternehmens befinden sich in idealer Nähe zu seinen Kunden in städtischen Zentren wie London, Paris, Frankfurt, Mailand und Jakarta - den wichtigsten Bauzentren der jeweiligen Länder. Die Behörden in diesen dicht besiedelten Gebieten werden den Bau neuer Zementwerke wegen der erheblichen negativen Umweltauswirkungen der Produktion kaum genehmigen. Der Produktionsprozess von Zement und Zuschlagstoffen verursacht Luftverschmutzung und Lärmemissionen und stößt daher auf erheblichen Widerstand in den Kommunen ("not in my backyard"). Viele Steinbrüche von HeidelbergCement verfügen über genügend Rohstoffe, um die Produktion für nahezu ein Jahrhundert fortzusetzen. Seine bereits bestehenden Genehmigungen verringern daher die Bedrohung durch neue Marktteilnehmer und ermöglichen einen Vorteil bei den Transportkosten im Vergleich zu weit entfernten Wettbewerbern, was die Rentabilität von HeidelbergCement schützt. Das geringe Wert-Gewichts-Verhältnis von Zement und noch mehr das von Zuschlagstoffen, bei denen HeidelbergCement weltweit führend ist, macht es unwirtschaftlich, diese Materialien über große Entfernungen auf dem Landweg zu transportieren, wodurch eher regionale als globale Märkte entstehen. Wir erwarten, dass in den für HeidelbergCement wichtigsten geografischen Regionen eine ausreichende Nachfrage herrscht, so dass das Unternehmen weiterhin Renditen erzielen kann, die über seinen Kapitalkosten von 8% liegen.

Fairer Wert und Gewinntreiber

Wir halten an unserer Fair Value-Schätzung für HeidelbergCement von EUR 81 je Aktie fest. Der entscheidende Faktor für unsere Prognose ist das Niveau der Bautätigkeit in den wichtigsten Einzelmärkten des Unternehmens, weil davon die Nachfrage nach Baustoffen abhängt. Für das Jahr 2021 prognostizieren wir ein Umsatzwachstum von 4,6%, das von einer Erholung der globalen Baumärkte getragen wird, die wiederum von einer Erholung der Bautätigkeit und einem starken Preisumfeld profitieren. Unsere Schätzung für das Umsatzwachstum 2021 liegt leicht unter dem Umsatzniveau von 2019 und beinhaltet die bereits erwähnte Veräußerung von Vermögenswerten in den USA in Höhe von USD 2,3 Milliarden an Martin Marietta.

Wir prognostizieren für 2021 ein EBITDA-Wachstum von 6% (ohne die oben erwähnte Veräußerung und negative Wechselkursentwicklungen) in Folge einer starken ersten Hälfte des Geschäftsjahres, in der das Management seine Gewinnprognose angehoben hat. Aufgrund höherer Energie- und Rohstoffkosten gehen wir davon aus, dass während unserer längerfristigen Prognosezeiträume eine Ausweitung der Margen aber schwierig sein wird. Unsere langfristige Schätzung der Marge für das EBITDA in Höhe von 21% bleibt unverändert und wird unterstützt durch ein starkes Preisumfeld bei der Veräußerung von Vermögenswerten mit niedrigeren Margen.

Wir denken, dass die im Jahr 2020 reduzierten Investitionsausgaben in Höhe von EUR 246 Millionen im Jahr 2021 wieder anfallen werden, so dass wir das starke Wachstum des freien Cashflows im Jahr 2020 nicht extrapolieren. Darüber hinaus berücksichtigen wir EUR 480 Millionen an jährlichen Wachstumsinvestitionen, die für grüne Initiativen erforderlich sind. Unserer Ansicht nach bleibt die Bilanz von HeidelbergCement auf einem soliden Niveau, nachdem das Unternehmen zu seiner progressiven Dividendenpolitik zurückgekehrt ist und keine wesentlichen Veräußerungen von Vermögenswerten vornehmen muss. Das Unternehmen nutzt seine solide Bilanz, um über einen Zeitraum von drei Jahren bis zu EUR 1 Milliarde durch Aktienrückkäufe an die Aktionäre zurückzugeben - das erste Mal in der Geschichte des Unternehmens. Die Aktienrückkäufe werden unsere Gewinnschätzung je Aktie für die nächsten drei Jahre um weitere 2% erhöhen.

Risiko und Ungewissheit

Wir stufen die Unsicherheit für HeidelbergCement als hoch ein. Die Nachfrage nach seinen Produkten ist an zyklische Faktoren gebunden, die sich der Kontrolle des Unternehmens entziehen. Dazu gehören das Wirtschaftswachstum, das Verbrauchervertrauen, die Verfügbarkeit von Krediten, die Staatsausgaben und die politische Stabilität. Auch das Wetter spielt eine wichtige Rolle. Nach Angaben der Portland Cement Association entstehen fast zwei Drittel des Zementverbrauchs in den USA in den sechs Monaten zwischen Mai und Oktober. Darüber hinaus unterliegen Inputkosten, zu denen unter anderem Kohle und andere Energiekosten (10% des Umsatzes) gehören, ebenfalls Marktkräften, was zu unvorhersehbaren Erträgen führt.

Baumaterialien sind standardisierte Produkte, die kurzfristig und in großen Mengen bestellt werden. Die Nachfrage und damit die Rentabilität sind starken Schwankungen unterworfen, da die Baukonjunktur mit der Stimmung der Verbraucher steigt und fällt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Branche sehr kapitalintensiv ist und eine hohe Produktionsauslastung benötigt, um rentabel zu sein und Preiserhöhungen weitergeben zu können. Der Wettbewerb um Skaleneffekte setzt die Preise unter Druck, insbesondere in Zeiten geringer Nachfrage.

Hinzu kommt das Umwelt-, Sozial- und Governance- oder ESG-Risiko in Folge des sehr energieintensiven Produktionsprozesses, der den Sektor zu einem notorischen Verursacher von Kohlenstoffemissionen macht. Strenge Vorschriften setzen das Unternehmen dem Risiko aus, dass Strafen oder wiederkehrende Ausgaben anfallen, was die Kosten der Geschäftstätigkeit erhöht. Da es jedoch im Bauprozess keine Alternativen zu Zuschlagstoffen und Zement gibt, sehen wir nur geringe materielle Auswirkungen auf die Bewertung von HeidelbergCement, da es möglich sein sollte, alle höheren Kosten letztendlich an die Endkunden weiterzugeben. Das Produktportfolio von HeidelbergCement konzentriert sich am stärksten auf schwere Baustoffe, die große Mengen an Energie erfordern, so dass es in der Branche im Vergleich zu CRH und Holcim zu den größten Treibhausgasemittenten der Welt gehört.

Kapitalallokation

Wir bewerten die Kapitalallokation von HeidelbergCement mit Standard, basierend auf einer soliden Bilanz und der Rückkehr zu einer angemessenen Ausschüttung an die Aktionäre.

Nach der Übernahme von Italcementi für EUR 1,7 Milliarden im Jahr 2016 hat HeidelbergCement den Schuldenabbau zu einer strategischen Priorität gemacht. Durch die Veräußerung von Vermögenswerten und eine verbesserte Generierung von Cashflow brachte das Unternehmen seine Bilanz auf ein solides Niveau, vergleichbar dem seiner Wettbewerber. Wir sind davon überzeugt, dass dies zu stabilen Kapitalerträgen für die Aktionäre führt, obwohl das Unternehmen in einer zyklischen Branche tätig ist.

Unter dem neuen CEO verfolgt HeidelbergCement einen konservativeren Ansatz bei Fusionen und Übernahmen, nachdem bei den Großakquisitionen von Italcementi 2016 und Hanson 2008 erhebliche Wertberichtigungen vorgenommen werden mussten. Beide Käufe schufen ein größeres und diversifizierteres Unternehmen, aber wir sind nicht der Meinung, dass sie den Wettbewerbsvorteil des Unternehmens verbessert haben, da die Märkte stark lokalisiert sind und daher nur begrenzte Synergien bieten. Im Jahr 2020 hat HeidelbergCement Wertminderungen in Höhe von EUR 3,5 Milliarden vorgenommen. Wir bestrafen das aktuelle Management nicht für die Vernichtung von Shareholder Value unter seinen Vorgängern und waren erleichtert, als das Management im dritten Quartal 2020 erklärte, dass es keine länder- oder geschäftsübergreifenden Akquisitionen plant.

Das Unternehmen hat das Fragezeichen hinter seiner Bilanz beseitigt und zahlt seinen Aktionären wieder eine angemessene Dividende - nachdem es die Dividende 2020 gekürzt hatte, um Barmittel zu sparen.

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Über den Autor

Matthew Donen  ist Aktienanalyst bei Morningstar.