Elektrofahrzeuge werden in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich ein massives Wachstum verzeichnen. Das heißt aber nicht, dass jedes Elektroauto-Startup eine sichere Investitionsmöglichkeit darstellt. Anleger sollten die Risiken gut abwägen, bevor sie in neue Unternehmen in diesem Sektor investieren.
US-Präsident Joe Biden kündigte vor Kurzem an, dass er eine Executive Order unterzeichnen will, die den Verkauf von Elektrofahrzeugen in den Vereinigten Staaten zum Ziel hat.. Laut dem Dekret sollen bis 2030 40 % bis 50 % aller erworbenen Neuwagen Elektrofahrzeuge (einschließlich Hybridfahrzeuge) sein. Diese Ankündigung und die Pläne des US-Kongresses zur Förderung der Ladeinfrastruktur könnten den Weg für Wachstum und eine stärkere Nutzung von Elektroautos in den USA ebnen.
Etablierte Automobilhersteller wie Tesla (TSLA), BMW (BMWYY), Ford (F) und General Motors (GM) haben bereits damit begonnen, sich zu positionieren, um vom weltweiten Wachstum der Elektromobilität zu profitieren, indem sie ihr Elektrofahrzeugangebot langfristig ausbauen. Die steigende Nutzung von Elektroautos wird für Unternehmen in der gesamten Lieferkette Chancen eröffnen, einschließlich für Anbieter von Ladelösungen, Batterien und Halbleitern.
Auch Startup-Unternehmen möchten mitmischen, sind aber möglicherweise mit hohen unternehmensspezifischen Risiken behaftet, die die Anlegerrenditen auch dann beeinträchtigen könnten, wenn die Nutzung von Elektrofahrzeugen weiterhin zunimmt.
Weltweit werden 2030 voraussichtlich zwei Drittel der verkauften Wagen Elektro- und Hybridautos sein
Morningstar-Analysten erwarten in den nächsten zehn Jahren ein signifikantes Wachstum des Elektrofahrzeugsegments. Im Electric Vehicle Observer 2021 prognostizieren sie, dass bis 2030 30 % der weltweiten Autoverkäufe auf Elektroautos und 37 % auf Hybridautos entfallen werden. Die schnelle Verbreitung von Elektroautos wird durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur in China, Europa und den USA, die sinkenden Kosten der Einstiegsmodelle und die gegenüber Verbrennungsmotoren gleichwertige Leistung von Elektrofahrzeugen unterstützt.
Seth Goldstein, Senior Equity Analyst bei Morningstar, ist der Meinung, dass spezielle Übernahmegesellschaften (Special Purpose Acquisition Companies, SPACs) eine der riskantesten Möglichkeiten sind, diesen Trend zu nutzen. Diese neu börsennotierten Unternehmen lösen zwar in der Regel Begeisterung am Markt aus, befinden sich aber auch in einem frühen Wachstumsstadium. Manche dieser Unternehmen müssen noch deutlich wachsen, bevor sie überhaupt Gewinne machen. Andere arbeiten noch an der Entwicklung von Produkten, die womöglich nie auf den Markt gebracht werden.
Insgesamt könnten die unternehmensspezifischen Risiken ihr Engagement im Bereich der Elektrofahrzeuge überwiegen, so Goldstein, und die Anleger könnten nicht von den wachsenden Elektrofahrzeugverkäufen profitieren, wenn sie sich in SPACs oder andere neue Marktteilnehmer einkaufen.
Morningstar deckt zwar keine privaten oder neu an die Börse gegangenen Elektrofahrzeugunternehmen ab, aber unsere Aktienanalysten haben ein einfaches Rahmenmodell entwickelt, mit dem evaluiert werden kann, wie hoch das Risiko eines Unternehmens im Vergleich zu jungen Konkurrenzunternehmen ist.
Das Rahmenmodell umfasst drei Faktoren:
- Produktumsätze. Hat das Unternehmen ein Produkt erfolgreich auf den Markt gebracht und mit dem Verkauf begonnen?
- Vorhandene Technologie. Ist das Unternehmen ein Neueinsteiger auf einem bestehenden Markt oder setzt es auf eine bahnbrechende Technologie, um Umsatzerlöse zu erzielen?
- Relative Risikoprognose. Wie hoch sind die Risiken eines Unternehmens im Vergleich zu anderen SPACs?
Bei der Betrachtung der Produktumsätze schließen die Morningstar-Analysten Vorbestellungen aus, da ein in der Entwicklung stehendes Produkt möglicherweise nie auf den Markt kommt. Nehmen wir Lordstown Motors (RIDE) als Beispiel. Das Unternehmen ging im Oktober 2020 über ein SPAC an die Börse, bevor es ein Elektrofahrzeug auf den Markt brachte. Im Juni 2021 legte das Unternehmen dann gegenüber der US-Aufsichtsbehörde offen, dass es nicht über ausreichend Kapital verfügt, um die kommerzielle Produktion zu starten, und warnte, dass es seine Tätigkeit 2022 möglicherweise einstellen muss, wenn es nicht mehr Kapital aufbringen kann. Und das obwohl Lordstown Motors früher verkündet hatte, dass es für seine Fahrzeuge mehr als 100.000 Vorbestellungen erhalten hatte. Laut PitchBook, einem Morningstar-Unternehmen, stand Lordstown Motors zum 26. Juli 2021 in Verhandlungen, um 400 Mio. US-Dollar über eine Privatplatzierung zu beschaffen.
Auch wenn brandneue Technologien am Markt Begeisterung auslösen können, ist das Risiko, dass sie scheitern, höher. QuantumScape (QS) versucht zum Beispiel, eine Solid-State-Batterie herzustellen und zu verkaufen. Diese Technologie wurde für Autos noch nie erfolgreich auf den Markt gebracht. Das heißt, dass QuantumScape-Investoren möglicherweise nicht am Wachstum der Elektroautos teilhaben können, wenn es das Unternehmen nicht schafft, seine Solid-State-Batterie zu produzieren.
Insgesamt ist ein Unternehmen, das versucht, eine neue Technologie zu entwickeln, die noch nie kommerzialisiert wurde, risikoreicher als ein Neueinsteiger auf einem bereits bestehenden Markt. Außerdem stufen Morningstar-Analysten das Risiko von SPACs meist höher ein als jenes von reiferen Unternehmen, die bereits Umsatzerlöse erzielen und die Gewinnschwelle überschritten haben.
Die folgende Tabelle verdeutlicht das relative Risiko von Elektrofahrzeugunternehmen, die vor Kurzem an die Börse gegangen sind oder über ein SPAC an die Börse gehen werden, unter Berücksichtigung des Produktumsatzes, der vorhandenen Technologie und der relativen Risikoprognose:
Die Morningstar-Analysten halten Arrival (ARVL), ChargePoint (CHPT), Microvast (MVST), Proterra (PTRA), Transphorm (TGAN), Volta Charging, Xiangfenghua, XL Fleet (XL) und XPeng (XPEV) für relativ weniger riskant als den Rest der Gruppe, auch wenn diese Unternehmen nicht formell erfasst werden. Diese Unternehmen, die in verschiedenen Bereichen der Lieferkette für Elektroautos tätig sind, haben ihre Produkte alle erfolgreich auf den Markt gebracht und die Gewinnschwelle überschritten. Ob sie langfristig Erfolge erzielen können, bleibt allerdings fraglich. Dennoch sind diese Unternehmen möglicherweise einen Blick wert, da der Markt für Elektroautos weiter wächst.