Auf Fonds-Transparenz folgt Anleger-Gerechtigkeit

Das Beispiel Großbritanniens zeigt, dass Transparenz in der Kapitalanlage eine erhebliche Eigendynamik entwickeln kann – im Sinne des Anlegers. Die Assessment of Value Regeln haben auf der Insel faktisch einen Zwang zur Offenheit mit sich gebracht.   

Ali Masarwah 19.03.2021
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(Unterhaltung am Rande einer Investmentkonferenz in Frankfurt am Main im Jahr 2004 oder 2005)

Finanzjournalist zum Pressesprecher einer Fondsgesellschaft: „Die Fondsbranche sollte für Privatanleger die Handelskosten offenlegen, auch die impliziten.“

Pressesprecher: „Die impliziten Handelskosten?“

Finanzjournalist: „Ja, zum Beispiel die Market Impact Kosten“ (Market Impact Kosten drücken den negativen Effekt auf die Fonds-Rendite aus, der durch das Handeln des Fonds selbst entsteht.)

Pressesprecher: Also Herr Masarwah, das ist doch Voodoo, die Messung des Market Impacts ist voller Imponderabilien, das ist doch gar nicht machbar. Was wollen Sie eigentlich noch alles von uns? 

Die verlorenen 20 Jahre bis MiFid II

Einerseits hat sich viel getan seit diesem Dialog vor gut 15 Jahren. Seit dem Inkrafttreten der EU-Richtlinie MiFid II im Jahr 2018 gehört die Veröffentlichung der Handelskosten, die impliziten wie die expliziten, zum Transparenz-Pflichtenheft der Fondsanbieter in der EU. Das ist sehr zu begrüßen. Denn Transparenz ist essenziell für eine gesamtheitliche Analyse von Finanzanlagen. Das betrifft vor allem die Kosten.

Andererseits war das Tempo der Umsetzung der Transparenz für Privatanleger, gemessen an dem, was man institutionellen Anlegern schon seit Ende der 1990er offenlegen konnte – und musste! – schleppend. Es ging sehr viel Zeit verloren. Und wir alle wissen, dass der Faktor „Zeit“ in der Kapitalanlage essenziell ist: Je länger das Kapital gebunden ist und arbeitet, desto besser für die langfristige Rendite des Investors.

Dass bei den Fondskosten längst nicht bei den Verwaltungsgebühren Schluss ist, ist leider immer noch nicht zur Allgemeinheit der Anleger durchgedrungen. Liegen die jährlichen Managementkosten eines hypothetischen Fonds bei 1,5 Prozent, dann klingt das moderat. Wenn aber der Fonds zusätzlich vier Prozent Handelskosten produziert, weitere 0,5 Prozent an Nebenkosten anfallen und eine Performance Fee von 2 Prozent des Fondsvermögens erhoben wird, dann müssen bei Anlegern die Alarmglocken schrillen. Denn die Rendite des Beispielfonds in einem Jahr wird nicht um 1,5 Prozent, sondern um satte acht Prozent gemindert.

Prüfen Anleger die Fonds-Informationsblätter auf die Kosten genau?

Mit der EU-Richtlinie MiFid II müssen Fondsanbieter weitaus mehr Kostenpositionen offenzulegen als zuvor. Damit hat der europäische Gesetzgeber Anlegern die Möglichkeit gegeben, zu einem qualifizierteren Urteil über Performance-Chancen und Performance-Risiken von Fonds zu gelangen. Doch die Abstimmung der Anleger mit den Füßen findet nur in wenigen Ländern statt. Das liegt auch an der mitunter technischen Umsetzung der Richtlinie. Man muss sich als Anleger schon einigermaßen auskennen, um zu wissen, wie die aufgeführten Kosten zu deuten sind. Auch deswegen ist in Deutschland oder Österreich das Thema Kosten immer noch nicht in der Allgemeinheit der Anleger als hochrelevanter Faktor für die Rendite angekommen. In der Schweiz sieht es zwar besser auf Fondsebene aus, aber Anleger zahlen hier für Fondsmandate häufig noch immer ordentliche Batzen.

Folglich haben viele Anleger im deutschsprachigen Raum noch immer nicht den recht einfachen Wechsel von teuren zu günstigen Fonds vorgenommen.

Aufsichtsbehörde FCA untersucht den britischen Fondsmarkt überaus gründlich

Den Entscheidungsträgern in manchen Ländern geht das Tempo der Veränderung hin zu günstigeren Fonds nicht schnell genug. Das Beispiel Großbritannien zeigt, dass die Fondsbranche noch viel stärker in die Pflicht genommen werden könnte. Hierzulande weitgehend unbemerkt hat sich Großbritannien zum Champion für Anlegertransparenz aufgeschwungen, und Investoren profitieren davon durch Kosteneinsparungen.

Das Stichwort lautet: „Assessment of Value“.

Man muss wissen, dass in Großbritannien Fonds eine eminent wichtige Funktion für die Altersversorgung haben. Hohe Kosten können sich dort zu einem handfesten gesellschaftlichen Problem auswachsen, da die gesetzliche Rente allenfalls Lücken stopft, aber keine auskömmliche Absicherung im Alter bietet.

Daher ist die dortige Aufsichtsbehörde FCA nach der Finanzkrise tätig geworden. Den Anfang machte die „Asset Management Market Study“, die im November 2015 erschien und seitdem regelmäßig neu aufgelegt wurde. Bereits in einem Zwischenbericht 2016 machte die FCA klar, dass unter den aktiven Managern zu wenig Wettbewerb herrsche, die Kosten der Produkte beständig zu hoch seien, derweil die Branche Margen von durchschnittlich 36 Prozent verdiene.

Eine Konsequenz aus diesem Befund war, dass britische Fondsanbieter seit September 2019 in einem Assessment of Value offenlegen müssen, ob ihre Fonds Mehrwert für Anleger erbracht haben. Und zwar Fonds für Fonds. Dabei geht es nicht nur um die Messung der Fondsperformance. Zu sieben Kriterien müssen die Fondsanbieter vielmehr Stellung nehmen:

Performance: Erfüllt der Fonds seine Performance-Ziele?

Fondskosten: Wie hoch sind sie im Vergleich zu den Fonds der Konkurrenz?

Fondskosten: Wie hoch sind sie im Vergleich zu den Fonds derselben Kategorie?

Fondsmanagerkosten: Sind sie „vernünftig und angemessen“?

Größenvorteile: Erzielt der Fonds Skaleneffekte und werden Kostenvorteile an die Anleger weitergegeben?

Service-Qualität: Bringen Umfang und Qualität der Dienstleistungen der Fondsgesellschaft Anlegern einen Mehrwert?

Fondstranchen: Werden Anlegern die günstigsten Fondstranchen angeboten?

Abschließend müssen die Fondsanbieter Fonds für Fonds die Frage beantworten, ob diese insgesamt einen Mehrwert erbracht haben. Damit zusammenhängend müssen die Fondsanbieter offenlegen, ob sie „tätig geworden sind“ bei solchen Fonds, die keine oder nur eine teilweise zufriedenstellende Leistung erbracht haben.

Auch wenn diese Transparenz-Anforderungen theoretisch keinen unmittelbaren Zwang zum Handeln nach sich ziehen, so hat die Assessment of Value faktisch einen immensen Druck auf die Fondsanbieter in Großbritannien aufgebaut. Auch durch einfache Sprache. Dass in einem MiFid-Informationsblatt ein Balken-Chart kleinteilig illustriert, wie oft ein Fonds in zehn Jahren seine Benchmark outperformt hat, ist wenig intuitiv erfassbar. Eine klipp und klare Äußerung, ob ein Fonds sein Geld wert war, dagegen schon. Auch die Erfordernis, zu erläutern, ob an der Verbesserung der Fondsbilanz gearbeitet wird, birgt Sprengstoff in sich.

Schroder und BlackRock reagieren auf Underperformance

Zwei Beispiele dazu. In seinem Assessment of Value Bericht 2020 zum Schroder UK Alpha Income Fund kommt der Fondsanbieter Schroders zum Schluss, dass der Fonds insgesamt „nicht durchgängig Mehrwert geliefert“ habe. Besonders die Performance habe geschwächelt. Als Konsequenz führte Schroders an, dass der Fondsmanager das Haus verlassen habe und der Investmentansatz unter zwei neuen Managern verändert worden sei.

Im Assessment of Value seiner britischen Fonds 2020 kommt BlackRock zum Schluss, dass 109 Fonds Mehrwert geliefert hätten; bei sieben Fonds sei die Lage verbesserungswürdig und ein Fonds habe keinen Mehrwert gebracht. Dieser Fonds, der BlackRock Emerging Markets Absolut Alpha Fund, wurde infolge seiner drei- und fünfjährigen Underperformance im August 2020 liquidiert.

Assessment of Value „eine Erfolgsgeschichte“

Insgesamt sei der Assessment of Value, so Andy Pettit, Director Policy Research bei Morningstar in London, “eine großartige Erfolgsgeschichte”. So seien nicht nur die Gebühren vieler Fonds als Folge der verstärkten Transparenz reduziert worden, sondern es wurden auch einige Fonds liquidiert oder mit anderen verschmolzen. Zudem seien die Gelder vieler Investoren in günstigere Fondstranchen migriert worden.

Medienberichten zufolge haben britische Asset Manager seit Inkrafttreten des Assessment of Value Gebühren im Umfang von 120 Millionen GBP (139 Millionen Euro) gesenkt. Anleger in 600 Fonds seien in Fondstranchen mit niedrigeren Gebühren migriert worden, berichtete der FT Fondsnewsletter Ignites Ende Februar (Artikel befindet sich hinter einer Bezahlschranke).

Fazit

Nur knapp 1,5 Jahre nach Inkrafttreten der neuen Transparenz-Regeln hat die FCA nicht nur die Kommunikationspraxis der Fondsanbieter mit ihren Anlegern auf eine neue Grundlage gestellt, sondern die Fondsanbieter faktisch zum Handeln genötigt. Wer minutiös und in klarer Sprache erläutern muss, ob seine Fonds Mehrwert bieten und ob der Fondsmanager Maßnahmen zur Verbesserung der Fondsqualität getroffen hat, der verspürt Handlungsdruck. Entsprechend wurden die Gelder vieler Anleger in günstigere Fondstranchen verschoben, Fonds geschlossen und Gebühren reduziert.

Natürlich ist auch in Großbritannien aus Anlegersicht nicht alles in Butter. Dadurch, dass es Spielräume bei der Auslegung der Transparenzvorschriften gibt, können Fondsmanager auch schwächelnde Fonds schönreden und nur die offenkundigsten Rohrkrepierer – öffentlichkeitswirksam – als Versager outen. Hier spielt natürlich Marketing eine Rolle. Auch das Fehlen von Informationen zu ESG-Kriterien und zu wichtigen Risiko-Faktoren wie Liquidität in den Assessment of Value-Dokumenten wurde von Kritiern moniert. Doch der Anfang ist gemacht, und die öffentliche Kommunikation der FCA erweckt den Eindruck, dass sie es ernst meint mit ihrem Ziel, es Anlegern zu ermöglichen, qualifizierte Entscheidungen anhand einer klaren Faktenlage zu treffen. 

Das recht forsche Regulierungs-Tempo und die -Dynamik der FCA dürften dafür sorgen, dass der Assessment of Value-Stein, der ins Rollen gekommen ist, nicht im Papierwust hölzerner Fondsberichte stecken bleibt. Das dürfte die Rahmenbedingungen für Anleger in Großbritannien in Zukunft weiter verbessern. In der EU ist man da leider längst nicht so weit.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich