Seit 2016 kalkulieren wir das Morningstar Sustainability Rating („Globe“-Rating), ein auf den in einem Fonds gehaltenen Unternehmen basierendes Maß für das ESG-Risiko eines Portfolios im Vergleich zu Konkurrenten. Es ist zwar ein nützlicher Indikator, kann aber nicht die gesamte Bandbreite der Faktoren erfassen, die das ESG-Engagement eines Fonds ausmachen.
Um Anlegern einen umfassenderen Überblick über die ESG-Stärken von Fonds zu geben, hat Morningstar ein neues qualitatives Rating eingeführt, das Morningstar ESG Commitment Level für Fonds. Damit nehmen unsere Fondsanalysten eine qualitative Einschätzung vor, wie und in welcher Qualität in einem Fonds ESG-Faktoren berücksichtigt werden. Zum Start haben wir 147 Fonds, die 107 Strategien repräsentieren, bewertet. Künftig werden wir das Morningstar ESG Commitment Level für Fonds erstellen, für die wir Morningstar Analyst Ratings vergeben, unabhängig davon, ob diese Fonds ein ESG-Mandat aufweisen oder nicht. Das Morningstar ESG Commitment Level wird auch für Vermögensverwalter erstellt.
Die Bewertung erfolgt auf einer vierstufigen Skala (in absteigender Reihenfolge): „Leader“ (führend), „Advanced“ (fortgeschritten), „Basic“ (Grundstufe) und „Low“ (niedrig).
Leader sind vollumfänglich ESG-Standards verpflichtet. Leader integrieren ESG-Faktoren vollständig in ihrer Wertpapier-Analyse und der Portfoliokonstruktion und streben auf Portfolioebene eine bestimmte ESG-Qualität an, wie z.B. niedrigere CO2-Emissionen als die Benchmark, Fortschritte bei den SDG-Zielen der Vereinten Nationen (SDG steht für Sustainable Development Goals) oder ähnliche Ziele. Um dies zu erreichen, verfügen die Investmentteams dieser Fonds über umfangreiche ESG-Daten und eine ESG-Spezialisierung. Schließlich setzen Leader-Strategien Proxy Voting und Engagement gezielt ein, um Unternehmen zu nachhaltigen Praktiken zu bewegen, und verfügen in der Regel über eine Best-in-Class-Berichterstattung über ihre ESG-Aktivitäten.
Nach den „führenden“ Fonds folgen die „Advanced“ Fonds. Auch hier sind ESG-Überlegungen wesentliche Bestandteile der Strategie, auch wenn sie zumeist in einem oder mehreren Bereichen hinter „Leader“ zurückbleiben. Auf der Ebene der Wertpapier-Analyse müssen diese Fonds mehr leisten als nur ESG-Daten als zusätzliche Informationsquelle zu nutzen. Wir erwarten, dass ESG zumindest die Portfoliogewichte und das Risikomanagement beeinflusst, und Ziele auf Portfolioebene vorgegeben werden, um bestimmte nachhaltige Kennzahlen zu erreichen. Dafür muss das Investmentteam starke ESG-Referenzen aufweisen.
Fonds auf der „Basic“-Ebene können immerhin nachweisen, dass ESG bis zu einem gewissen Grad in den Anlageprozess integriert ist und dass die Portfolio-Profis über die Ressourcen und das Fachwissen verfügen, um Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Wir weisen dieses Rating traditionellen Fonds mit einem gut durchgeführten ESG-Integrationsprozess und Fonds, die einfache Ausschlussverfahren anwenden, zu.
Fonds der Stufe „Low“ unternehmen dagegen nichts oder nur wenig an der ESG-Front. Es kann auch sein, dass das Team trotz der Behauptungen, ESG in das Wertpapier-Research zu integrieren, nicht wirklich über glaubwürdige ESG-Ressourcen verfügt, oder dass ESG-Erwägungen die Anlageentscheidungen des Portfoliomanagers nicht wirklich beeinflussen, auch wenn ESG-Ressourcen zur Verfügung stehen. „Low“ erhalten auch Indexfonds, die eine traditionelle Benchmark ohne ESG-Screening nachbilden, selbst wenn sich der Vermögensverwalter engagiert und ESG-Faktoren in seinem HV-Abstimmungsverhalten berücksichtigt, um die ESG-Praktiken der Unternehmen zu verbessern.
Qualitative Analyse auf mehreren Ebenen
Doch wie kommen wir zu unseren Urteilen? Dafür bewerten unsere Fondsanalysten drei Bewertungspfeiler – „Ressourcen“, „Prozess“ und „Fondsgesellschaft“.
Beim Bewertungspfeiler Ressourcen bewerten die Analysten die ESG-Expertise der Personen, die einen Beitrag zur Strategie leisten, der sich auf die Ergebnisse auf Portfolioebene auswirkt. Wir untersuchen, ob der Portfoliomanager über Erfahrung und Fachwissen in der ESG-Analyse verfügt. Es wird auch berücksichtigt, welche Ressourcen dem Manager zur Verfügung stehen und wie diese Ressourcen strukturiert sind, z.B. ob spezialisierte ESG-Analysten in das Anlageteam eingebettet sind oder ob sich das ESG-Team vom traditionellen Finanzanalystenteam unterscheidet. Ist letzteres der Fall, möchten wir die Beziehung zwischen den Teams, ihre Kommunikation und Interaktion verstehen.
Wenn ein ESG-Team und ein traditionelles Investmentteam unterschiedliche Ansichten über die Vorzüge eines Wertpapiers haben, versuchen wir herauszufinden, wo die Entscheidungskompetenz für Investments liegt. Zudem beantworten wir die Frage, ob das zentrale ESG-Team eine angemessene Größe hat, in der Lage ist, den jeweiligen Fonds sinnvoll zu unterstützen, und ob das Team eine feste Einheit darstellt oder nur ad hoc zusammenfindet. Die Verfügbarkeit geeigneter Daten ist ebenfalls ein wichtiger Gesichtspunkt innerhalb in Bezug auf die „Ressourcen“. In der Regel nutzen Vermögensverwalter riesige Mengen traditioneller Finanzdaten, um zu ihren Entscheidungen zu kommen. Dagegen ist die Einbeziehung von ESG-Daten für viele nicht so selbstverständlich. Einige Manager nutzen möglicherweise proprietäre, also intern erstellte ESG-Ratings, was ein Unterscheidungsmerkmal gegenüber denen sein könnte, die von externen Anbietern abhängig sind.
Bei der Bewertung des „Prozesses“ ermitteln wir, inwieweit ESG-Erwägungen im Anlageansatz integriert sind. Dies umfasst alle Phasen des Anlageprozesses, von der Definition des investierbaren Universums (Negativ- und Positiv-Screening), über die qualitative Wertpapieranalyse, die Titelauswahl, die Portfoliokonstruktion, bis hin zum Risikomanagement. Dabei reicht ein einfaches Negativ-Screening allein nicht aus, um hier zu punkten. Zu den weiteren Faktoren, die eine Rolle spielen, gehören die Bedeutung von ESG-Kriterien im Vergleich zur traditionellen Fundamentalanalyse, die Frage, ob bestimmte ESG-Kriterien/Ziele auf der Ebene des Gesamtportfolios angepeilt werden, und ob ESG-Kriterien oder Scores die Positionsgrößen direkt beeinflussen.
Darüber hinaus wird geprüft, wie ein gravierendes ESG-Problem in einem Unternehmen gehandhabt wird und ob der Portfoliomanager Maßnahmen ergreifen muss. Unsere Analysten vergleichen die Angaben mit dem tatsächlichen Portfolio, um festzustellen, ob es ihren Erwartungen an den angegebenen Ansatz entspricht. Kennzahlen wie das Morningstar Sustainability Rating und Analysen von Sustainalytics können hier von Bedeutung sein.
Eine weitere zentrale Überlegung zur Wirksamkeit des ESG-Ansatzes einer Strategie ist das „Active Ownership“ über die Stimmrechtsvertretung. In vielen Fällen werden solche Funktionen von einem zentralen Team wahrgenommen, aber wir versuchen zu verstehen, in welchem Maße Portfoliomanager involviert sind, wenn ihre Portfolios Wertpapiere des betreffenden Unternehmens halten, und ob die Verantwortlichen für aktive Eigentümeraktivitäten eng mit den Investmentteams zusammenarbeiten, um Erkenntnisse auszutauschen.
Schlussendlich bewerten wir für das Morningstar ESG Commitment Level die Ebene des Fondsgesellschaft. Diese fließt als eine der drei Bewertungspfeiler in das ESG Commitment Level auf Fondsebene ein. Die Einschätzung zum Vermögensverwalter basiert auf der Bewertung der ESG-Philosophie und des ESG-Prozesses, der Ressourcen und der aktiven Eigentümerschaft eines Unternehmens durch unsere Analysten. Eine ausführliche Diskussion darüber, wie Morningstar Vermögensverwalter in diesem Zusammenhang beurteilt, finden Sie hier.
Bei aktiv verwalteten Fonds fließt der „Prozess“ mit 45 Prozent in die Gewichtung der Endnote ein, die zur Verfügung stehenden Ressourcen mit 35 Prozent und die Fondsgesellschaft mit 20 Prozent.
Etwas anders sieht es bei Indexfonds aus. Hier tragen wir der Tatsache Rechnung, dass fast alle passiven ESG-Fonds auf Indizes basieren, die von Drittanbietern lizenziert werden, wobei die Indexmethode über das ESG-Profil des Indexfonds bzw. ETFs entscheidet. Damit spielen die ESG-Spezialisten und -Daten des Anbieters selbst eine geringere Rolle. Wir schließen daher Ressourcen aus unserer Bewertung aus und konzentrieren uns in erster Linie auf den Prozess, der bei passiven Fonds 80 Prozent des ESG Commitment Levels ausmacht; das ESG Commitment Level der Fondsgesellschaft steuert die restlichen 20 Prozent bei.
Hier gelangen Sie zum Übersichtsartikel zum Morningstar ESG Commitment Level.
Hier gelangen Sie zum Artikel, der das ESG Commitment Level für Fondsanbieter erläutert.
Hier gelangen Sie zum Methoden-Papier (in englischer Sprache)