Rohstoffe können in einem ausgewogenen, breit gestreuten Portfolio eine Rolle spielen. Gold gilt einigen Anlegern als Versicherung gegen gesamtwirtschaftliche Krisen, Seltene Erden profitieren von der Digitalisierung der Wirtschaft, und Energieträger wie Rohöl oder Öl-Derivate sind eine zyklische Wette auf das Wachstum der Wirtschaft. Auch wenn die Bedeutung fossiler Energien im Zuge des Umbaus der globalen Wirtschaft auf ein nachhaltigeres Geschäftsmodell rückläufig sein wird, bleibt die Wirtschaft bis auf weiteres vom Öl abhängig.
Seit Anfang des Jahres ist der Rohölpreis um über 70 Prozent gefallen. Die weltweite Ausbreitung des Corona-Virus und der mit ihr verbundene Shutdown der globalen Wirtschaft hat die Nachfrage und damit auch die Öl-Preise implodieren lassen. Am 20. April fiel der Preis für West Texas Intermediate (WTI) auf sage und schreibe minus 40 US-Dollar, ein noch nie dagewesener Vorgang, über den wir unlängst berichtet haben.
Auch wenn ein Investment in Öl höchst riskant ist, dürften sich einige Anleger fragen, ob nicht der Zeitpunkt gekommen ist, in Öl zu investieren und damit antizyklisch auf eine Erholung der Weltwirtschaft zu setzen. Rohstoffe sind allerdings ein heißes Eisen, weshalb wir hier auf einige wichtige Besonderheiten von Öl-Investments eingehen werden.
Kaum ein Finanzinvestor lagert Öl-Fässer im Keller
Eine direkte Wette auf den Ölpreis ist schwierig, weil kaum ein Finanzinvestor in der Lage sein wird, den Rohstoff physisch zu kaufen. Wer Transport- und Lagerkosten nicht tragen kann, wird also nicht auf den Spotpreis (auch: Kassakurs) setzen können. Die überwiegende der Mehrzahl der Rohstoff-Investoren nehmen also den Umweg über Futures. Sie können dabei allerdings nicht auf Fonds oder ETFs setzen, weil die dem gesetzlichen Gebot der Diversifikation unterliegen. Anleger sind also auf so genannte ETCs (steht für Exchange Traded Commodities) angewiesen, die keine Sondervermögen, sondern Inhaberschuldverschreibungen sind und somit ein Emittenten-Risiko aufweisen.
Ein Blick auf Futures
Wenn ein Rohstoff-ETC also nicht den Spotpreis abbildet und auch nicht in den Basiswert direkt investiert, was bekommt der Anleger dann? Die meisten Öl-ETCs bilden entweder die Preise der Futures der einzelnen Rohstoffe ab oder einen Index, bestehend aus einzelnen Rohstoff-Futures. Ein Futures-Kontrakt ist eine Vereinbarung, einen Rohstoff zu einem festgelegten Zeitpunkt und Preis zu kaufen oder zu verkaufen. Futures-Preise unterscheiden sich auf Grund verschiedener Faktoren vom Spotpreis, unter anderem durch Lagergebühren (Kosten für Öltanker, Festlandsspeicher usw.) und saisonbedingte Nachfrage (Öl-Future-Preise können etwa in Erwartung eines kalten Winters über dem Spotpreis liegen). Daher weicht die Rendite von Öl-ETCs von der Bewegung des Spotpreises oder des Rohstoffindex ab. Öl-ETCs, die den Ölpreis über solche Futures abbilden, investieren also in Terminkontrakte und bilden nicht den Spot-Preis ab.
Die Sache mit den Roll-Renditen
Zu weiteren Verzerrungen zwischen den Preisen von ETCs und den Ölpreisbewegungen kommt es, da ETCs regelmäßig auslaufende Futures-Kontrakte mit neuen Kontrakten austauschen müssen. Ein ETC, der etwa in Ein-Monats-Futures für die Nordsee-Ölsorte Brent investiert, muss diesen jeden Monat verkaufen und den Kontrakt des Folgemonats kaufen.
Aus dem Austausch (Rollen) der Kontrakte folgen so genannte Roll-Renditen, die unmittelbar nichts mit dem zugrundeliegenden Ölpreis zu tun haben. Sie sind für den Großteil des Unterschieds zwischen der Spot-Rendite (Rendite durch Änderungen des Rohstoffpreises) und der Performance des ETCs verantwortlich. Roll-Renditen ergeben sich aus der Differenz zwischen dem Preis des alten und des neuen Futures-Kontrakts, in den der ETC oder Index gerollt wird.
Die Roll-Rendite kann, abhängig von der Steigung der Futures-Kurve des Rohstoffes oder Index entweder positiv oder negativ sein. Falls die Futures-Kurve eine positive Steigung hat, sprich: der Futures-Preis der Folgemonate höher ist, dann wird die Roll-Rendite negativ sein. Wie geht das vonstatten? Nun, der ETC verkauft vor Auslaufen des relativ günstigen Kontrakts und kauft dafür relativ teure Kontrakte auf der Futures-Kurve. Diese Vorgehensweise - teuer kaufen, billig verkaufen - führt zu einer negativen Roll-Rendite. Dieses Phänomen war gerade in der jüngsten Vergangenheit beim Ölpreis stark ausgeprägt, was vor allem mit den schlechten Konjunkturaussichten, dem Pessimismus der Anleger, aber auch mit fehlenden Lagerkapazitäten, insbesondere in den USA, zu tun hat. (Das ist der Grund, warum der WTI-Preis viel stärker als der Preis für Brent eingebrochen ist.)
Natürlich gilt auch der andere Fall, wenn die Futures-Kurve negativ ist. Dann werden die Roll-Renditen positiv. Man spricht dann von Backwardation. Der ETC verkauft in einer derartigen Konstellation relativ teure Kontrakte und kauft im Gegenzug günstigere.
Wie geht man mit Roll-Renditen um?
Für ETF-Anbieter (die den Markt für Rohstoff-ETCs dominieren) lautet die Herausforderung, einen Weg zu finden, um die Performance von Ölpreisen besser, das heißt: näher am Spot-Preis, abzubilden. Es gibt einige Lösungsansätze, die einige Probleme der Futures-Märkte in den Griff bekommen.
Die erste Möglichkeit ist, in Futures zu investieren, die weiter hinten auf der Kurve positioniert sind (z.B. drei Monate). Die Anlage in Futures mit längerer Laufzeit kann die Auswirkungen eines regelmäßigen Austauschens (Rollens) etwas eindämmen. Normalerweise sind die Probleme am vorderen Teil der Futures-Kurve am stärksten. Nichtsdestoweniger ist diese Strategie keine perfekte Lösung, und die Ergebnisse sind bestenfalls gemischt.
Es gibt bessere Strategien, welche aktiv versuchen, die Roll-Verluste zu minimieren, wenn die Futures-Märkte im Contango-Modus sind und die Roll-Gewinne zu maximieren, wenn der Markt Backwardation spielt. Einige ETCs bilden Indizes ab, welche regelbasierende, quantitative Strategien nutzen, um den Austausch auslaufender Futures-Positionen der einzelnen Rohstoffe entsprechend zu managen. Die Erfolgsbilanz dieser roll-optimierten Benchmarks kann sich gegenüber den einfachen Futures-Produkten durchaus sehen lassen, auch wenn solche Produkte natürlich keine Wunder vollbringen können, wenn der Ölpreis massiv korrigiert.
Vorsicht ist angebracht
Der Markt für Öl-ETCs ist für viele Investoren Neuland, und unerfahrenen Investoren sind solche Produkte nicht zu empfehlen. Auch eigenen sie sich nur für sehr breit aufgestellte Portfolios und dann auch nur als dezente Beimischung. Anleger sollten vorweg klären, welche Funktion Öl-ETCs in ihrem Portfolio spielen sollten.
Die Performance der ETCs erfordert die genaue Kenntnis der Investment-Strategien, und Anleger sollten sich vergegenwärtigen, dass die Abbildung der Performance des Spotpreises bei Öl-ETCs nicht möglich ist. Hier unterscheiden sich diese Produkte von ETCs, die in der Lage sind, den Preis des zugrundeliegenden Rohstoffs 1:1 abbilden, nämlich Edelmetalle wie Gold oder Silber. Wenn es ein Investment in einen Öl-ETC sein sollte, bieten sich Roll-optimierte Produkte an. Wir werden im Verlauf der nächsten Wochen auf einige dieser ETCs eingehen, die allerdings auch ihre ganz eigenen Tücken haben.