Das erste Quartal ist vorübergezogen, und es hat in vielen Portfolios eine Trümmerwüste hinterlassen. In unserer Nachlese blicken wir auf die ersten drei Monate des Jahres zurück. Da es uns um investierbare Märkte geht, schauen wir auf den europäischen Markt für börsennotierte Indexprodukte – ETFs, aber auch ETCs und einige ETNs. Die Hintergründe zu den turbulenten Ereignissen im Frage-Antwort-Format.
1. Was ist eigentlich im ersten Quartal passiert?
Diese scheinbar naive Frage ist nicht unbegründet. Zwar haben Anleger den massiven Einbruch bei Aktien im Blick. Und die Bilanz bei Aktien-ETFs, die in Europa aufgelegt sind, fiel im ersten Quartal mit einem Minus von durchschnittlich 23 Prozent auch verheerend aus. Doch auch andere Anlageklassen kamen nicht ungeschoren davon. Gemischte Indizes verloren im ersten Quartal knapp 13 Prozent, breit aufgestellte Rohstoff-Körbe brachen um über 20 Prozent ein, und auch Renten-ETFs mussten im Schnitt im ersten Quartal nachgeben. Der Verlust von gut 1,5 Prozent bei Bond-ETFs klingt auf den ersten Blick trivial. Aber die Quartalssicht kaschiert die erheblichen Verluste von durchschnittlich gut vier Prozent bei Bond-ETFs im März. Auch Staatsanleihen wurden im März nicht verschont. Das gleiche Bild zeigten auch Edelmetall-ETFs bzw. ETCs. In den ersten drei Monaten lagen sie leicht im Plus, aber im März fiel ein saftiges Minus von rund acht Prozent an. Halten wir also fest, dass die Bilanz der ersten drei Monate und die März-Entwicklung zu trennen sind. Wenn wir über das erste Quartal sprechen, dann haben wir den Monat März im Blick. Es handelte und handelt sich noch immer um eine umfassende Krise, die alle wesentlichen Asset-Klassen trifft. Die Diversifikation über Aktien, Anleihen und Rohstoffe funktionierte so gesehen nicht.
2. Gab es denn wirklich keine Fluchtmöglichkeit im März?
Doch. Cash war König. Da der Zins negativ ist, verloren Geldmarkt-ETFs zwar auch, aber mit sieben Basispunkten war das für den März eine fürstliche Performance, und bekanntlich ist der Einäugige unter den Blinden König. Schwerer wiegen die Verluste von 2,2 Prozent bei Euro-Staatsanleihe-ETFs. Langläufer Euro-ETFs brachen im März mit einem Minus von durchschnittlich mehr als fünf Prozent sogar regelrecht ein.
3. Warum haben ausgerechnet Staatsanleihen im März verloren?
Das ist eine gute Frage. Während der Finanzkrise 2008/09 waren Staatsanleihen die perfekten Diversifizierer von Aktienrisiken. Das war 2020 nicht der Fall. ETFs, die die Performance von Euro-Staatsanleihen abbilden, konnten im Schnitt im ersten Quartal insgesamt zwar um 0,2 Prozent zulegen, aber ausgerechnet im März funktionierte die Diversifikation nicht. An dieser Stelle kommen markttechnische Faktoren ins Spiel. Staatsanleihen sind höchst liquide Papiere, ja, sogar die liquidesten Finanzpapiere, die es gibt. Von Ende Februar bis in den März hinein verhielten sich Staatsanleihen auch so, wie man es in einer Krise erwarten würde: ihre Kurse stiegen, derweil die Preise für Risiko Assets durch die Bank abschmierten. Doch dann passierte etwas, womit kaum einer gerechnet hatte: ab Mitte März fielen die Kurse von Staatsanleihen. Sie wurden in großem Stil auf den Markt geworfen. In den USA musste sogar die Notenbank in großem Stil intervenieren, weil der Markt für Treasuries bedrohliche Anzeichen mangelnder Liquidität aufwies. Was war passiert? Offenkundig mussten Investoren im Verlauf des März Liquidität schaffen. Sie verkauften das, was sich am einfachsten ohne Reibungsverluste am Markt unterbringen lässt: Staatsanleihen. Je weiter der Krisenmonat voranschritt, desto stärker wurde der Druck auf die Bond-Kurse. Ähnliches gilt auch für den Gold-Preis, der sich bis in den März hinein als Krisenwährung bewährt hatte, dann jedoch auch in den Abwärtsstrudel geriet.
4. Erwies sich wenigstens der US-Dollar als Krisenwährung?
Dass der Dollar bei tiefgreifenden Krise ein Rettungsanker ist, bestätigte sich erneut. Das lässt sich anhand des Verlaufs des Euro-Dollar-Wechselkurses im März nachvollziehen. Zeitgleich mit der Ausbreitung der Panik an den Aktienmärkten weltweit ab dem 9. März brach auch der Euro-Kurs massiv ein; er fiel von knapp 1,14 Dollar am 9. März auf 1,06 Dollar am 19. März, als der Tiefpunkt an den Aktienmärkten markiert wurde. Euro-Investoren konnten im ersten Quartal mit einem Dollar-Konto ein Plus von gut 2,5 Prozent erzielen.
5. Also jetzt alles auf den Dollar setzen?
Damit würde man das Kind mit dem Bade ausschütten. Eine derart radikale Lösung empfiehlt sich für Euro-Investoren, die keine wirtschaftlichen Verbindungen zum Dollar-Raum haben, nicht. Man muss wissen, dass die Volatilität von Währungen in etwa der Volatilität von Aktien entspricht. Die Richtung der Wechselkurse ist nur begrenzt mit Mitteln der fundamentalen Analyse vorherzusagen. Nicht umsonst gelten Währungsfonds als eine besonders Havarie-trächtige Gattung – ihre Historie ist dicht gesät mit den Trümmern von Währungsfonds, die suboptimale Renditen erzielt haben. Auch in den ersten drei Monaten schwankten die Währungskurse gewaltig. Es gab auch beim Euro-Dollar-Kurs heftige Schwankungen - nach oben wie nach unten. Wer der Meinung ist, dass der Euro dem Untergang geweiht ist, dürfte die obige Frage bejahen und auf den Greenback setzen. Investoren aus dem Euro-Raum, die nicht erwarten, dass das Ende der Gemeinschaftswährung naht, wofür auch nicht viel spricht, werden Fremdwährungen indes nur als Beimischung im Portfolio einsetzen. Übrigens weisen globale Aktien-Investments in der Regel eine sehr hohe Fremdwährungskomponente auf. Der MSCI World etwa besteht nur zu rund zehn Prozent aus Aktien, die auf Euro lauten. Der US-Dollar ist im Welt-Index dagegen mit gut 60 Prozent vertreten. Auch Euroland-Investoren setzen also mit bei globalen, kapitalisierungsgewichteten Aktienportfolios in hohem Maße auf den Dollar.
6. Es gab also keine Möglichkeit, im März Geld zu verdienen?
Doch, natürlich, es gibt immer Möglichkeiten, am Kapitalmarkt Geld zu verdienen. Nur waren die Instrumente der Wahl risikoreich und gehören nicht zum Repertoire eines typischen Langfrist-Investors. Spekulanten konnten im März mit einem gehebelten ETN (steht für Exchange Traded Note) auf den US-Aktienvolatilitäts-Index VIX gut 630 Prozent verdienen. Mit 200 Prozent fiel das Plus mit einem dreifach gehebelten Short-ETC auf den Ölpreis (WTI) auch nicht schlecht aus. Regelrecht bescheiden mutet das Plus von knapp 25 Prozent mit doppelt gehebelten Short-Dax ETFs an. Ein Short MDAX-ETF brachte ein Plus von rund 16 Prozent.
7. Aber mit Short-Produkten ließen sich Aktien-Portfolios doch auch absichern?
Theoretisch ja, praktisch vereinzelt auch, aber diese Instrumente sind für Privatanleger so tückisch, dass ihr Einsatz nur sehr eingeschränkt zu empfehlen ist. Es handelt sich um allenfalls kurzfristig einsetzbare Produkte, ja, diese Indexprodukte sind so konzipiert, dass sie sich nur optimal für Tages-Einsätze nutzen lassen. Denn der Hebel wird über Nacht „glattgestellt“. Das machen die Anbieter deshalb, um sich gegen sogenannte Übernachtrisiken abzusichern. Das bedeutet allerdings, dass diese Instrumente keinen Zinseszins-Effekt mit sich bringen. Gerade bei volatilen Märkten weicht daher die tatsächliche Performance von Short-Produkten von naiv taxierten Rendite-Erwartungen von Anlegern deutlich ab. So verlor, wer in einem DAX-ETF investiert war, im März rund 16,4 Prozent. Short-DAX ETFs legten jedoch „nur“ um gut 14 Prozent zu. Mit zweifach gehebelten Short-ETFs verdienten Investoren, die über den gesamten Monat März investiert waren, nicht etwa 32 Prozent, sondern nur knapp 25 Prozent. Ein dreifach gehebelter Short-ETC auf den DAX erbrachte im März ein Plus von knapp 30 Prozent. Short-ETFs sind also höchst ineffektive Produkte, wenn sie länger eingesetzt werden. Zwar gibt es nur wenige Untersuchungen über die Haltedauer von Short-ETFs; die wenigen empirischen Studien, die hierzu unternommen wurden, illustrieren, dass Anleger diese Tools nicht effizient einsetzen. Eine Studie der WHU aus dem Jahr 2012, die auf Basis von Transaktionen von Investoren in Deutschland vorgenommen wurde, ergab eine Haltedauer von durchschnittlich 62 Tagen. Langfristig orientierte Anleger sollten diese Tools ignorieren, denn mit ihnen wetten sie faktisch gegen ihre eigene Strategie. Wer langfristig Renditen am Kapitalmarkt erzielen will, sollte nicht in einer hochriskanten Wette gegen die eigene Langfriststrategie arbeiten. Wer sich bei fallenden Kursen besser fühlen will, sollte im Zweifel eine gewisse Cash-Quote halten. Mit der lässt sich übrigens bei attraktiven Kursen nachkaufen!
8. Ohne Short-Klamauk war also am Aktienmarkt im März kein Geld zu verdienen?
Nicht wirklich. In einer schweren Krise, wie wir sie derzeit durchleben, gibt es am Aktienmarkt nun mal nichts zu holen. In unserer Datenbank finden sich derzeit 1086 Aktien-ETFs am europäischen Markt. Von diesen ETFs konnte nur ein einziger im März ein Plus erwirtschaften. Der VanEck Vectors Video Gaming & eSports ETF legte um 0,88 Prozent zu. Das war es dann aber auch. Es gab also kein Entrinnen.
9. Ließen sich die Verluste auf der Aktienseite wenigstens begrenzen?
Ja, das war schon möglich. Aber hier sollten wir unterscheiden zwischen dem, was theoretisch möglich war und dem, was ein Langfristanleger, der keine Glaskugel besitzt, realistischerweise tun konnte, ohne seine langfristige Asset Allocation durcheinander zu bringen. ETFs, die den Gesundheitssektor abbilden, haben im März nur etwas über vier Prozent verloren. Biotech-Aktien-ETFs sanken im Schnitt um etwas mehr als sechs Prozent. Da diese beiden Sektoren auch in Vor-Corona-Zeiten als defensive Wachstumssektoren bei vielen Anlegern gesetzt waren, waren hier zwei Verlust-eindämmende Sektoren in vielen Portfolios am Werk. Ähnlich gut lief es für US-Wachstumsaktien. Investoren in einem ETF auf den Nasdaq 100 verloren im März unter acht Prozent und begrenzten die Einbußen im ersten Quartal auf knapp neun Prozent. So weit die realistischen Verlustminimierer. Deutlich weniger Investoren dürften von den moderaten Verlusten chinesischer Festlands-Aktien profitiert haben; so genannte A-Shares ETFs verloren 6,5 Prozent im März und büßten in den ersten drei Monaten knapp neun Prozent an Wert ein aus Sicht des Euro-Investors. Eher theoretischer Natur waren indes die Vorteile, die dänische Aktien oder Sektor-ETFs für Versorger mit sich brachten, die typischerweise weniger in den Portfolios deutscher Anleger vertreten sind.
10. Und was war anderen Risiko-Investments?
Die machten ihrer Bezeichnung als Risiko-Anlage alle Ehre! Bleiben wir zunächst bei den Schwellenländern. China-Aktien mögen sich relativ stabil gezeigt haben, das war bei ETFs für globale Schwellenländer-Aktien nicht der Fall. Sie verloren aus Sicht des Euro-Investors im ersten Quartal knapp 24 Prozent. Zum Vergleich büßten global anlegende ETFs für Aktien aus den Industrieländern nur 19 Prozent ein. Auch auf der Rentenseite war das Bild recht eindeutig. Schwellenländer-Anleihen für Hartwährungen brachen um neun Prozent in den ersten drei Monaten ein und verloren im März im Schnitt 11,5 Prozent. Noch stärker verloren in den ersten drei Monaten ETFs, die Schwellenländer-Bonds für lokale Währungen abbilden. Indes legten ETFs, die klassische globale Bond-Indizes abbilden, im ersten Quartal um gut drei Prozent zu und gaben auch nur um 1,3 Prozent im März nach. Kommen wir zu Hochzinsanleihen. Auch sie wurden ihrem Ruf als Risiko-Investments gerecht. Während Fonds für Ramsch-Anleihen, die auf US-Dollar lauten, um elf Prozent im ersten Quartal verloren, konnten USD-Unternehmensanleihen-Fonds die Verluste auf 1,6 Prozent begrenzen. Ähnlich hoch war die Differenz zwischen Fonds für Euro-Hochzinsanleihen und Fonds für Euro-Unternehmensanleihen, die in Investment-Grade-Bonds investieren. Erstere verloren gut 14 Prozent im ersten Quartal; letztere nur etwa fünf Prozent. Das gilt auch generell für das Verhältnis zwischen Nebenwerte-Aktienfonds und Aktienfonds für Standardwerte. Unabhängig von der Anlageregion, in der solche Fonds unterwegs sind, kehrten im ersten Quartal wieder „normale“ Verhältnisse ein: Nebenwerte verloren deutlich mehr als Standardwerte. Damit zeigte sich, dass Anleger die Risikoprämie solcher Aktien mit einem angemessenen Risiko bezahlen.
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