Den typischen Anlegerfehlern auf der Spur

Psychologie und Geldanlage sind ein weites Feld. Wir haben die wichtigsten Fehler aufgelistet, die Anleger typischerweise zu falschem Handeln verleiten.

Ali Masarwah 17.12.2019
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Es ist nicht einfach, erfolgreich zu investieren. Man muss aber auch kein Genie sein. Warren Buffett soll dazu einmal Folgendes gesagt haben: „Der Erfolg hängt nicht vom IQ ab – vorausgesetzt, man hat einen Intelligenzquotienten von über 25“. Glaubt man also dem „Orakel von Omaha“, dann können alle Selbstentscheider unter den Anlegern Erfolg haben. Dass viele dennoch scheitern, hat weniger mit ihrer (mangelnden) Intelligenz, sondern mit fehlender Selbstdisziplin zu tun. Man muss es folglich also „nur“ schaffen, die Fehler zu vermeiden, die anderen beim Investieren Probleme machen. Das setzt voraus, die eigenen Schwächen zu kennen. 

In unserer jüngsten Untersuchung zur so genannten Renditelücke haben wir gezeigt, dass Anleger durch falsche Timing-Entscheidungen wichtige Performance-Punkte liegen lassen. Typische Anlegerfehler sind hierfür verantwortlich. Die Verhaltensökonomie versucht, Erklärungen dafür zu finden, warum Menschen oft Entscheidungen treffen, die im Ergebnis ihren Interessen widersprechen. Ziel dieses Artikels ist es, Erkenntnisse aus der Verhaltensökonomie vorzustellen. Wer diese Verhaltensmuster rechtzeitig durchschaut, verhindert überflüssige Fehler, was hilft die persönliche Rendite zu verbessern.

Selbstüberschätzung  

Das Phänomen der Selbstüberschätzung beschreibt die typische menschliche Hybris, die viele Investoren im Griff hat. Wir glauben, dass wir klüger und geschickter sind als es der Wirklichkeit entspricht. Selbstüberschätzung verleitet typischerweise 60 bis 70 Prozent der Autofahrer zur Behauptung, dass sie zu den 30 Prozent der sichersten Autofahrer zählen. Das ist nur ein Beispiel für das als Dunning-Kruger-Effekt bekannte psychologische Phänomen: Menschen tendieren systematisch dazu, ihre Fähigkeiten zu überschätzen. Es spricht sogar einiges dafür, dass Unwissenheit sogar zu höherem Selbstvertrauen verleitet. Unterstellt man, dass viele Menschen tatsächlich Finanz-Analphabeten sind, wäre das eine schlimme Startvoraussetzung für eine Anlegerkarriere!

Es ist kein Fehler, optimistisch ins Leben zu gehen. Wenn der Mensch ein unverbesserlicher Pessimist wäre, hätte er es im Leben sehr schwer. Aber Selbstüberschätzung kann uns zum Nachteil gereichen. Etwa wenn wir glauben, in der Lage zu sein, die Zukunftsaussichten für besonders schwer zu taxierende Unternehmen, wie etwa Nokia oder auch Apple, treffsicher einzuschätzen, denn wir als Durchschnittsanleger sind nicht schlauer sind als die vielen Profis, die am Markt agieren.

Studien haben gezeigt, dass von sich überzeugte Investoren schneller eine Transaktion durchziehen, weil sie glauben mehr zu wissen als ihr Gegenüber. Schnell zu handeln kostet aber und macht sich selten bezahlt. 

Selektive Wahrnehmung

Eine andere Folge von Selbstüberschätzung kann die selektive Erinnerung oder Wahrnehmung sein. Die wenigsten von uns erinnern sich gerne an ein schmerzhaftes Ereignis in der Vergangenheit (vor allem, wenn wir selbst schuld daran waren!). Das gilt auch für unser Investitionsverhalten: Wir wollen uns mit Sicherheit nicht an verpassten Einstiegsgelegenheiten erinnern und noch viel weniger an Investitionen, die sich als Reinfall entpuppten und zu Verlusten führten. 

Dieser typische Affekt, der uns im Alltag weiterbringt (wer sich in jeder Entscheidungssituation an unangenehme Erfahrungen erinnert, zaudert, ist inaktiv und bekommt daher irgendwann ein Problem), ist in Sachen Investieren eher hinderlich: Wir blenden aus, was nicht in unser Weltbild passt. Je mehr man von sich selbst überzeugt ist, desto mehr stellt das Scheitern eine Gefahr für das Selbstbild dar. Man erinnert sich deshalb nur an das, was dem Selbstbild entspricht - die wahre Begebenheit rückt in den Hintergrund. 

Werden Informationen auf diese Weise verarbeitet, sprechen Psychologen von „kognitiver Dissonanz“. Wenn in uns also zwei gegensätzliche Vorstellungen, Meinungen, Ansichten oder Verhaltensweisen aufeinandertreffen, wird tun wir alles, um diesen vermeintlichen Widerspruch aufzuheben. 

Eine andere Form der selektiven Erinnerung ist die Repräsentativität. Wir messen manchen Informationen – etwa kurzfristigen Kursentwicklungen – ein zu großes Gewicht bei und vernachlässigen dafür andere Informationen – etwa langfristigere Daten. Unter dem Strich schenken wir den tatsächlichen Wahrscheinlichkeiten zu wenig Beachtung. 

Selbstbeschränkung 

Wissenschaftler haben auch ein Verhalten ausgemacht, das als Gegenteil von Selbstüberschätzung gilt: Man versucht, einen möglicherweise schlechten Ausgang einer Situation schon im Voraus zu begründen, ganz gleich, ob diese Erklärung nun zutrifft oder nicht. In der Wissenschaft wird dieses Phänomen Selbstbeschränkung oder Self-Handicapping genannt. 

Ein Beispiel dafür ist etwa die Ankündigung vor einer Präsentation, dass wir uns nicht wohlfühlen. Läuft die Präsentation schlecht, haben wir eine Entschuldigung parat.

Auch als Anleger kommt es vor, dass man sich selbst schon im Voraus Ausreden zurechtlegt, etwa durch das Eingeständnis, dass man nicht so viel Zeit wie sonst darauf verwendet hat, die Aktie oder den Fonds einzuschätzen – nur für den Fall, dass die Investition sich nicht wie erhofft entwickelt. Wer bereits im Vorhinein nach Ausreden sucht, ist von der Sache an sich vielleicht doch nicht so überzeugt, wie er es sein sollte? 

Verlustaversion 

Es ist bekannt, dass Investoren bei steigenden Aktienkursen verkaufen „um ein paar Gewinne mitzunehmen”, während sie zugleich nicht wahrhaben wollen, dass sie bei anderen Aktien Verluste vor sich herschieben. In seinem Buch Common Stocks and Uncommon Profits schreibt Philip Fisher, dass “vermutlich am meisten Geld dadurch verloren wurde, dass Investoren eine Aktie, die sie eigentlich gar nicht mehr wollten, hielten, bis sie auf null fiel". 

Auch das Gefühl des Bedauerns spielt bei der Verlustaversion eine Rolle. Es kann dazu führen, dass wir nicht mehr zwischen einer schlechten Entscheidung und einem schlechten Resultat unterscheiden können. Wir bedauern ein schlechtes Ergebnis, wie etwa einen längeren Kursrutsch einer Aktie, selbst wenn wir die Investition aus gutem Grund eingegangen sind. In diesem Fall kann das Bedauern dazu führen, dass wir eine schlechte Entscheidung treffen, nämlich die Aktie eines soliden Unternehmens zu Tiefstständen zu verkaufen, anstatt nachzukaufen. 

Es ist auch keine große Hilfe, dass wir den Schmerz über einen Verlust stärker wahrnehmen als die Freude über einen spiegelbildlichen Gewinn. Unser Bedürfnis, Verluste zu vermeiden, kann dazu führen, dass wir an schlechten Aktien zu lange festzuhalten in der vergeblichen Hoffnung, dass sie irgendwann einmal Gewinne einbringen. Damit schieben wir den Zeitpunkt hinaus, an dem wir die Konsequenzen unseres Handelns anerkennen müssen. 

Investierte Kosten 

Auch der Blick auf den Einsatz für eine Investition kann das Phänomen der Verlustaversion auslösen. Wir rücken bei Entscheidungsprozessen die „investierten Kosten” in den Mittelpunkt und vernachlässigen oft den Kern der Sache.

Ein Beispiel: Sie haben teure Theaterkarten gekauft. Vor Beginn der Veranstaltung erfahren Sie, dass das Stück furchtbar ist. Da Sie aber für die Karten viel Geld gezahlt haben, gehen Sie trotzdem hin. Anders wäre es vermutlich, wenn Ihnen die Tickets geschenkt worden wären; Sie würden die Aufführung vermutlich nicht besuchen. Rational wäre es indes, die Entscheidung, ins Theater zu gehen davon abhängig zu machen, ob Sie das Stück sehen wollen oder nicht.  

Die so genannten investierten Kosten können also dazu führen, dass wir an einem Investment festhalten, selbst wenn die dahinterstehende Prämisse ins Wanken gerät. Wäre uns die Aktie oder der Fondsanteil geschenkt worden, würden wir vermutlich - zu Recht - schneller die Reißleine ziehen! 

Anchoring 

Fragen Sie einmal einen Berliner nach der Einwohnerzahl von Frankfurt am Main. Er wird die ihm bekannte Zahl – die Einwohnerzahl seiner eigenen Stadt – als Ausgangspunkt für seine Schätzung nehmen und dann nach unten korrigieren. Aber vermutlich nicht stark genug. Auch hier verbirgt sich ein verhaltenspsychologisches Phänomen - das so Anchoring. Wenn wir etwas Unbekanntes taxieren und einschätzen müssen, orientieren wir uns an dem, was wir wissen. Aber das ist häufig vollkommen irrelevant. 

Auch Finanzprofis sind nicht vor derartigen Fehlern gefeit. James Montier etwa bat in einer Umfrage im Jahr 2005 rund 200 Fondsmanager, die letzten vier Ziffern ihrer Telefonnummer aufzuschreiben. Anschließend sollten sie die Zahl der Ärzte in London schätzen. Beide Zahlen haben offenkundig nichts miteinander zu tun. Dennoch schätzten die Fondsmanager mit den höheren Telefonnummer-Werten die Zahl der Ärzte höher ein, als es die Fondsmanager taten, deren Telefonnummern niedrigere Werte aufwiesen. Es gibt auch ein „visuelles Ankerphänomen“, wonach künftige Anlageergebnisse anhand bestimmter Chartverläufe aus der Vergangenheit geplant werden. Geht es also um ein Investment, sollten Anleger überlegen, warum sie einen bestimmten Kurs für zu hoch oder optimal zum Einstieg ansehen. Fundamentales Research, sei es auf Fonds- oder auf Aktienebene, hilft viel mehr als willkürliche „Anker“ zu werfen.

Bestätigungsfehler 

Ein weiteres Risiko liegt darin, wie wir Informationen betrachten. Es kommt nur allzu oft vor, dass wir nach einer Bestätigung für unsere Meinung suchen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Wir nehmen nur die Informationen wahr, die unsere Meinung stützt.

Wenn wir beispielsweise mit unserem Auto, sagen wir es ist ein Peugeot, zufrieden sind, werden wir Informationen, die unserer guten Erfahrung mit dieser Marke entsprechen, eher wahrnehmen als gegenteilige Nachrichten. 

Wenn wir einen Fonds mit Fokus auf Pharmaaktien gekauft haben, werden uns die positiven Informationen zur Branche auffallen, negative Nachrichten registrieren wir allenfalls am Rande. 

Deswegen begehen Investoren auch so genannte Rückschaufehler. Man kennt das Ergebnis und bewertet sein vorangegangenes Verhalten im Licht der neuen Information. Die Gründe für den Kauf einer Aktie etwa werden im Nachhinein, nachdem der Kursverlauf bekannt ist, angepasst. 

Mentale Buchführung 

Haben Sie schon einmal von einem Ihrer Freunde oder Bekannten gehört, dass er einen bestimmten Geldbetrag nicht ausgeben kann, weil das Geld für den Urlaub verplant ist? Das wäre ein Beispiel für mentale Buchführung. Die meisten von uns teilen ihr Geld so auf: Ein gewisser Betrag ist für die Ausbildung der Kinder, ein anderer für die Rente, ein weiterer für den Ratenkredit. 

Ein solches Vorgehen kann sein Gutes haben – es diszipliniert. Wenn man Geld für die Rente auf die Seite legt, hält einen das möglicherweise davon ab, zu viel Geld für den Konsum auszugeben. Doch dieses Vorgehen kann auch zum Problem werden. Nehmen wir als Beispiel die Rückerstattung zu viel gezahlter Lohnsteuer. Bekommen wir Geld vom Fiskus zurück, gilt das als „Taschengeld“ und wird zum Ausgeben freigegeben. Bleibt indes Geld von unserem regulären Einkommen übrig, legen wir das zurück. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um unser Einkommen und sollte dementsprechend „gleich“ behandelt werden. 

Und so sollte man es auch beim Investieren handhaben. Man sollte sich vor Augen halten, was das Geld genau ist: nämlich Geld, und zwar ganz egal, ob es Teil der Ersparnisse ist, geerbt oder aus realisierten Kapitalgewinnen stammt. 

Der Framing Effekt 

Es gibt eine weitere Art der mentalen Buchführung, die einen Blick wert ist: Der so genannte Framing Effekt. Dabei geht es um die Erkenntnis, dass ein Bezugspunkt – oft ein bedeutungsloser Index – unsere Sicht oder unsere Entscheidung beeinflusst.

Nehmen wir einmal an, dass Sie sich endlich einen bestimmten Fernseher kaufen wollen. Kurz bevor Sie ihn für 500 Euro kaufen, sehen Sie, dass er in einem Laden um die Ecke 100 Euro günstiger ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Sie zu diesem Geschäft gehen, und den Fernseher dort kaufen. 

Wenn aber eine neue Couch 5.000 Euro kosten soll und Sie die gleiche Couch im Laden um die Ecke für 4.900 Euro bekämen, würden Sie das vermutlich nicht tun. Aber warum eigentlich nicht? Schließlich geht es in beiden Fällen um 100 Euro! 

Doch leider sehen wir den Abschlag in Relation zum Gesamtbetrag, nicht in absoluten Zahlen. Wenn wir den besagten Fernseher kaufen, sparen wir durch den Gang zum zweiten Geschäft 20 Prozent. Wenn wir die Couch günstiger kaufen, sparen wir nur zwei Prozent. 100 Euro sind also offenbar nicht immer 100 Euro – es hängt also von der jeweiligen Situation ab! 

Herdentrieb

Investoren bekommen massenweise Anlagetipps von Banken, Anlegermagazinen und Internetseiten. Zwangsläufig erinnert man sich an die letzte Anlageempfehlung und steigt bei dieser Aktie ein – das ist eine Facette des oft beschriebenen Herdentriebs.

Leider kommt es häufig vor, dass eine Aktie wegen ihrer guten Kursentwicklung in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist, und nicht, weil sich das Geschäft des Unternehmens gut entwickelt. So kann es sein, dass die so gehypte Aktie in ein paar Monaten nicht mehr zu den Börsenlieblingen zählt und der Kurs fällt.

Es ist offensichtlich, dass sich viele Privatanleger - und oft auch Profis, die es besser wissen müssten - schaden, wenn sie der Herde folgen. Wir alle können bessere Anleger sein, wenn wir lernen würden, wie wir Investments bewusst und aus den richtigen Gründen auswählen und die Störgeräusche ausblenden. Auch wenn es kurzzeitig verlockend sein kann, der Herde oder dem Rat eines Anlagegurus zu folgen – ein solches Verhalten schmälert höchstwahrscheinlich die Performance oder führt dazu, dass Sie in Wertpapiere investieren, die nicht zu Ihnen bzw. Ihren Anlagezielen passen. 

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich