Normalerweise flüchten Anleger bei eingetrübten Konjunkturaussichten in den sicheren Hafen der Staatsanleihen und verkaufen Aktien und andere Risikopapiere in grossem Stil. Tatsächlich trüben sich sowohl Konjunkturprognosen wie Unternehmenszahlen immer weiter ein. Aber wir befinden uns in Zeiten der expansiven Notenbankenpolitik, und da gelten andere Regeln als sonst. Im Juni haben europäische Anleger in grossem Stil in Obligationenfonds investiert und kauften dabei beileibe nicht nur Fonds für Staatsanleihen, sondern auch Fonds, die auf hochrentierliche – und damit hochriskante – Bonds setzen.
Angesichts der sich verstärkenden Signale einer Konjunkturabschwächung weltweit haben die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank klargemacht, dass die Märkte weiter mit billigem Geld rechnen können. Die Aussichten auf Zinssenkungen in den USA und Europa sowie eine mögliche Neuauflage des Anleihen-Kaufprogramms der Europäischen Zentralbank haben Rentenfonds im Juni Rekordzuflüsse von insgesamt netto 39,9 Milliarden Euro beschert. In keinem anderen Monat haben Bondfonds derart hohe Zuflüsse verbucht.
Angesichts des zunehmenden Pessimismus für das Wirtschaftswachstum und der Aussicht auf sinkende Unternehmensgewinne können die Abflüsse von 1,4 Milliarden Euro aus Aktienfonds – die geringsten Abflüsse seit März diese Jahres - als überraschend niedrig angesehen werden.
Mischfonds konnten im Juni wieder positives Absatzterrain erreichen und sammelten 1,5 Milliarden Euro ein.
Alternative Fonds mussten indes sehr hohe Abflüsse von 8,7 Milliarden Euro hinnehmen, das höchsten Niveau bisher in diesem Jahr.
Insgesamt flossen europäischen Langfristfonds im Juni 34,8 Milliarden Euro zu. Das entspricht mehr als die Hälfte der gesamten Zuflüsse, die in der ersten Jahreshälfte 2019 Langfristfonds ansteuerten. Die Zuflüsse von 67,1 Milliarden Euro dürften über den Erwartungen der europäischen Fondsanbieter liegen, wenn man den zunehmenden Gegenwind berücksichtigt, mit dem die Anleger konfrontiert werden.
Geldmarktfonds haben im Juni 6,1 Milliarden EUR verloren. Dies zeigt, dass Investoren attraktive Anlagealternativen zu diesen Cash-Vehikeln identifiziert haben, die vor allem in Zeiten von Marktstress gesucht werden.
Tabelle: Mittelflüsse im Juni nach Asset Klasse
Bei der Bilanz Aktiv versus passiv konnten aktiv verwalteten Fonds vergangenen Monat punkten, auch wenn die Bilanz zum Halbjahr insgesamt tiefrot ausfällt. Langfristige aktiv verwaltete Fonds verzeichneten im Juni Zuflüsse von 27,6 Milliarden Euro, während Indexfonds 7,0 Milliarden Euro an Nettoneugeldern verzeichneten. Die Wachstumsgeschichte der Indexfonds in Europa ist jedoch intakt. Der Marktanteil der passiven Fonds (ohne Geldmarktfonds) am verwalteten Vermögen lag per Ende Juni 2019 bei 18,1 Prozent gegenüber 16,4 Prozent im Vorjahreszeitraum.
Aktiv verwaltete Aktienfonds konnten erstmals seit sieben Monaten positives Absatzterrain erreichen und verzeichneten im Juni Zuflüsse von 730 Millionen Euro. Dies ist auf den starken Absatz bei global anlegenden Aktienfonds zurückzuführen. Ungewöhnlich war auch das Bild bei Aktien-Indexfonds. Sie mussten im Juni Abflüsse von 2,1 Milliarden Euro hinnehmen, das höchste Niveau in einem Monat seit November 2013. Es schlugen einige negative Faktoren bei Index-Aktienfonds zu Buche. So mussten Indexfonds in den Kategorien Aktien und Schwellenländer global sowie Aktien Großbritannien signifikante Rückgaben hinnehmen, also in Kategorien, die allesamt in den Vormonaten ordentliche Zuflüsse verzeichnet hatten.
Während aktive und passive Rentenfonds von der grossen Nachfrage nach festverzinslichen Produkten profitierten, waren die Rekord-Nettozuflüsse der aktiv verwalteten Rentenfonds mit 32,7 Milliarden Euro ein herausragendes Merkmal im Juni. Sie übertrafen die Zuflüsse von 7,2 Milliarden Euro, die auf passive Anleihefonds abzielen, in absolute Zahlen bei weitem. Besonders hoch war die Nachfrage nach aktiv verwalteten Unternehmensanleihenfonds. Adjustiert man die Absatzbilanz anhand des verwalteten Vermögens, dann wuchsen passive Obligationenfonds dennoch dynamischer als die aktiven. In den ersten sechs Monaten lag die organische Wachstumsrate bei passiven Bondfonds bei 12,7 Prozent gegenüber 4,6 Prozent bei aktiv verwalteten Rentenfonds.
Für alternative Fonds entwickelt sich 2019 zu einem annus horribilis. Nach einer kurzen Beruhigung im Mai stiegen die Abflüsse im Juni bei den sogenannten Hedgefonds light deutlich an. Sie erlitten 8,4 Milliarden Euro an Abflüssen. Bislang haben die regulierten Hedgefonds in diesem Jahr mehr als 37 Milliarden Euro verloren, was 8,6 Prozent ihrer Vermögenswerte per Ende des vergangenen Jahres entspricht. Während die Abflüsse der Natixis-Tochter H2O der Hauptgrund für die hohen Juni-Rücknahmen waren, wurden auch andere Fonds quer durch die Bank abgestossen, etwa Equity Market Neutral Fonds sowie Multistrategiefonds, die Rückgaben von 1,3 Milliarden Euro bzw. 1,0 Milliarden Euro hinnehmen mussten. In diesem Jahr büssten diese beiden Kategorien 20 Prozent bzw. zehn Prozent ihrer Vermögenswerte aufgrund von Rückgaben ein.
Tabelle: Mittelflüsse im Juni nach den Aktiv-Passiv-Schema
Die vollständige Übersicht zur Halbjahresbilanz der Fondsindustrie in Europa mit Blick auf die Anbieter und Fondskategorien finden Sie hier. Die Analysen in diesem Artikel basieren auf unserem Tool für professionelle Anleger. Weitere Informationen zu Morningstar Direct erhalten Sie hier.