Bewunderer bezeichneten ihn als kühn, visionär, prinzipientreu, gewissenhaft, fleissig, grossmütig, unerschöpflich, unnachgiebig - und unerbittlich optimistisch. Kritiker von John Bogle (und sogar einige seiner Freunde) fanden ihn zuweilen eigensinnig, streitsüchtig, zermürbend, selbstgerecht oder sogar selbstherrlich. Alle waren sich jedoch einig, dass der Gründer von Vanguard und Schöpfer des ersten Index-Fonds für Privatanleger ein Mann von einwandfreier Integrität und unerschöpflicher Energie war, der die Investmentbranche und auch die Praxis des Investierens grundlegend zum Besseren verändert hat. Bogle, ein unermüdlicher Befürworter der Interessen von Privatanlegern und Verfechter einer scheinbar aus der Zeit gefallenen Geschäftsethik, starb am Mittwoch, den 16. Januar. Er wurde 89 Jahre alt.
Inzwischen werden Bogles Lebensgeschichte und Karriere von vielen, die sich mit Investmentfonds beschäftigen, fast schon wie eine Legende behandelt – eine Geschichte, die von Investorengeneration zu Investorengeneration weitergereicht wird. Da gab es doch den Fortune-Magazinartikel "Big Money in Boston", der Bogle in die aufstrebende Fondsbranche einführte und seine Princeton-Studienarbeit inspirierte. Sein Paper fiel dem Gründer von Wellington Management, Walter Morgan, auf, der Bogle 1951 als Protegé unter seine Fittiche nahm.
Direktvertrieb als Sargnagel für Ausgabeaufschläge
Dann gab es Bogles berüchtigten Streit mit Wellington im Jahr 1974, der zur Gründung von Vanguard führte, der ersten und immer noch einzigen als Kooperative geführten Fondsfamilie. 1976 lancierten Bogle und Vanguard den ersten Retail-Indexfonds, der heute als Vanguard 500 Index bekannt ist, der von der einfachen, aber lange Zeit umstrittenen Erkenntnis getragen wurde, dass Anleger mit langfristigen Index-Investments zu niedrigen Kosten besser abschneiden als die Investoren in aktiv verwalteten Fonds. Ein Jahr später begann Vanguard mit dem direkten Vertrieb seiner Fonds, ein wichtiger Sargnagel für Ausgabeaufschläge in den USA.
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt. Vanguard wurde mit einem Vermögen rund 5,3 Billionen Dollar (Stand: September 2018) zu einem der grössten Vermögensverwalter der Welt. Noch wichtiger für Bogle war, dass Vanguard wegen der günstigen Produkte, der einfachen Strategien und seiner Aktionärsfreundlichkeit weithin geschätzt wurde. Als Anfang der 2000er Jahre Skandale und die Baisse an den Märkten Fondsfirmen zu schaffen machten, blühte Vanguard auf. Interessant ist, dass der hohe Zuspruch der Investoren auch während aller Kapitalmarktkrisen anhielt, als auch die Preise der Vanguard-Fonds parallel zu den Märkten einbrachen.
Langmut zahlt sich aus, wie die Bilanz aus 32 Jahren zeigt
Dass sich Langmut auszahlt, haben gerade diejenigen erfahren, die sich an Bogles Maxime hielten: Investoren, die am 31. August 1976 Anteilsscheine im Wert von 10.000 Dollar am Vanguard 500 kauften, konnten sich am 15. Januar 2019 über ein Vermögen von 790.000 Dollar freuen.
So einflussreich Vanguard auch wurde, für Bogle war es nie genug. Er war gewissermassen ein Besessener. In Büchern, Reden und Interviews predigte er die Vorzüge kostengünstiger, stabiler, diversifizierter Langfrist-Investments mit dem Eifer eines Evangelisten. Er bekämpfte die Zunahme von Gier und kurzfristigem Denken in der Fondsbranche und in „Corporate Amerika“ insgesamt. Wenige Jahre vor der Finanzkrise warnte Bogle lautstark davor, dass die Finanzindustrie einen überproportional grossen Anteil an der Wirtschaftsleistung ausmache und dafür zu wenig Werte schaffe.
Bogles offensive Art der Kommunikation machte ihn zur Zielscheibe der Kritik, eine Position, die ihm zu gefallen schien. Er freute sich regelrecht darüber, scheinbar gegen Windmühlen zu kämpfen. Seinerzeit kritisierte die Vermögensverwalter-Industrie den First Index Trust als "Bogles Irrweg" und kritisierte seine Art, Geld zu verwalten als „unamerikanisch“. Kein Wunder: Hier ging jemand gegen paradiesische Zustände vor: Die Fondsindustrie in den USA betrieb in den 1970ern teure Produkte und freute sich über fürstliche Entlohnungsstrukturen. Erst lange Zeit später verbreitete sich die Erkenntnis in der Allgemeinheit, dass Bogle Recht hatte!
Er kämpfte sogar mit seinen eigenen Erben. 1999 bat der Vorstand von Vanguard den widerwilligen Bogle, als Direktor zurückzutreten, als er das damals obligatorische Rentenalter von 70 Jahren erreichte, trotz der Proteste von leidenschaftlichen Bogle-Fans. Nachdem er sich zurückgezogen hatte, um das Bogle Financial Markets Center zu leiten, kritisierte er seine Nachfolger heftig, unter anderem, weil sie ETFs auflegten, die seiner Meinung nach zu Aktionismus verleiteten und die Anleger-Renditen schmälerten. Bogles Fangemeinde wuchs dennoch weiter – er inspirierte eine ganze Bewegung von „Bogleheads“, die seine Anlagephilosophie als Evangelium und jede seiner Äusserungen als Predigten betrachteten. Auch nüchterne Beobachter kommen nicht umhin, Bogle als Vorbild für alle Investoren zu betrachten und nicht nur für Indexfonds-Fans.