Es gibt verschiedene Gründe für eine Korrektur. Gehen wir sie einmal gemeinsam durch.
Ökonomische Gründe. Erwartete ökonomische Rückschläge sind total in Ordnung, weil sie Aktienkurse nicht wirklich belasten. Wenn die Inflation etwa erwartungsgemäss steigt oder die Unternehmensgewinne sinken, gibt es selten einen regelrechten Ausverkauf. Das Problem sind die Überraschungen. Ein Beispiel ist der Absturz der Börse 1973 und 1974, als die Anleger zweimal überrascht wurden. Die Ölkrise löste nicht nur eine unvorhergesehene Inflation aus, sondern - im Gegensatz zur Vorhersage der Phillips-Kurve - ging die Arbeitslosigkeit bei steigenden Preisen nicht zurück. In diesen zwei Jahren lag die Gesamtrendite des S&P 500 (inflationsbereinigt) bei minus 47 Prozent.
Spekulative Gründe. Aktienkurse steigen und steigen und sind irgendwann zu teuer. Diese Bedingung ist ganz anders als die erste, denn an den Aktienkursen gibt es nichts Unerwartetes. Sie sind vollständig bekannt. Aus verschiedenen Gründen bewegen sich die Aktien jedoch manchmal eilig nach Norden - nur um irgendwann ebenso schnell den Rückzug anzutreten. Veränderte wirtschaftliche Bedingungen können die Bewegung teilweise erklären, aber nicht vollständig.
Das war im Zeitraum zwischen 2000 und 2002 bei Technologiewerten der Fall. Natürlich gab es etliche Rohrkrepierer unter den Dotcoms. Deren Kurs fiel zu Recht auf null. Aber viele andere Kurse gingen nur deshalb auf Tauchstation, weil sie vorher gestiegen waren. Microsoft legte zum Beispiel innerhalb von zwei Jahren von 15 auf 57 Dollar und fielen dann in den nächsten 12 Monaten auf 28 Dollar zurück, obwohl sich der Umsatz prächtig entwickelte. Das Unternehmen blieb auf Kurs, die Stimmung der Anleger nicht.
Finanzielle Gründe. Die Unternehmensgewinne könnten gesund und die Inflation zahm sein, aber wenn die Banken niesen, kann es jedes Unternehmen treffen. Es gibt kein Entrinnen von Bankenkrisen. Kredite werden sowohl von Unternehmen als auch von Verbrauchern gehalten, und Banken sind auch für die kurzfristigen Papiere wichtig. Das war im Jahr 2008 zu sehen. Wenn Banken taumeln, taumelt alles andere auch. Der Bankensektor ist zu Recht so stark reguliert. (Nicht, dass diese Regeln immer nach Plan funktionieren, aber das ist eine andere Geschichte.)
Panik. Es ist kein Geheimnis, dass Finanzmärkte selbstreferentielle Systeme sein können. Ein gutes Beispiel war der US-Aktienmarkt im Oktober 1987, als mehrere kleinere Probleme (Währungsschwankungen, wenig dramatische Inflationsängste, der Iran-Irak-Krieg) einen eintägigen Rückgang von 22 Prozent auslösten. Die wirtschaftlichen Probleme waren begrenzt, die Aktienkurse waren angemessen bewertet, und die Banken waren gesund. Die Aktien brachen ein, weil sie zusammenbrachen; die frühen Verkäufe erzeugten mehr Verkäufe, bis der Dow Jones Industrial Average seinen grössten Tagesverlust aller Zeiten erlitt.
Dieser Punkt ist natürlich auch eine Vereinfachung komplexer Sachverhalte (das tut jedes Modell, sonst wäre es kein Modell.) So war die Hauptursache für den Abschwung 1973-74 ein wirtschaftlicher Schock, aber die hohen Aktienkurse von 1972 verstärkten die Korrektur sicherlich. Im Jahr 2008 schwappte die Agitation über die Sorgen der Banken auf verschiedene Finanzmärkte über und verschärfte damit das Chaos, das durch schlechte Wirtschaftsnachrichten herbeigeführt wurde.
Das Schlimmste erwarten
Das bringt mich zu dem Punkt, dass diese vier Gründe für Aktienkorrekturen selten isoliert für sich stehen. Oft kommen verschiedene Gründe zusammen, dennoch finde ich es hilfreich, sich der verschiedenen Rahmenbedingungen bei der Bewertung von Börsenbedingungen Gewahr zu werden.
Natürlich ist ein nicht so einfach zu investieren, wie ich es oben vielleicht suggeriert habe – dafür ist die Börse viel zu schwer zu durchschauen. Wie bereits erwähnt, kommen unerwünschte Geschäftsverlangsamungen oder Inflationsschübe unangekündigt. Auch Volkswirte können sie selten vorhersagen (ganz zu schweigen von mir!). Ebenso sind Bankprobleme von außen schwer zu erkennen. (Manche Beobachter können sich noch erinnern, dass auch hochkompetente Fondsmanager so lange an der Bank Washington Mutual festhielten, bis sie zu einem Penny-Stock wurde.) Panik kommt natürlich noch überraschender.
Wenn also die meisten Korrekturgründe Anleger überraschen werden, dann bleibt die Bewertung von Aktien als mögliche vorhersehbare Indikation für einen Crash. Doch kann man mit der Erkenntnis, wonach ein Markt überbewertet ist, einem Crash immer erfolgreich ausweichen? Im Nachhinein ist man immer schlauer. Jeder Idiot konnte sehen, dass Dotcom-Aktien vor zwei Jahrzehnten absurd teuer waren, oder dass japanische Aktien zehn Jahre zuvor überkauft waren. Das Problem ist, dass solche Argumente typischerweise schon lange vor der Ankunft des Problems vorgebracht wurden. Der Investor, der 1995, fünf Jahre vor dem Dotcom-Crash, aus Technologieaktien ausstieg, erging es schlechter als vielen, die ihre langjährigen Positionen einfach hielten.
Daher sind Börsenprognosen als Grundlage für den Kauf oder Verkauf von Aktien nur selten sinnvoll. Sie sind jedoch wertvoll für die mentale Vorbereitung. Wenn die Aktienkurse sinken, ist es beruhigend, wenn einen die Krise nicht überrascht. Dann bekommt das turbulente Börsengeschehen einen Sinn bzw. die Verluste fühlen sich rational erklärbar an. Das schützt den einen oder anderen vielleicht von übereiltem Handeln.
Und was ist mit der Situation heute?
Der Vorteil einer schleppenden, langsam wachsenden konjunkturellen Erholung besteht darin, dass es länger dauert, bis der Druck im Kessel bedenklich wird. Es hat nicht den Anschein, dass sich die entwickelten Märkte in diesem Stadium befinden – weder mit Blick auf den möglichen Übergang in eine Rezession oder einer bevorstehenden Inflation. Die Aktienkurse erscheinen ebenfalls nicht zu teuer zu sein, und das Bankensystem erscheint auch global recht robust zu sein.
Damit bliebe der Faktor Panik als erster Kandidat für die Erklärung der derzeitigen Korrektur. In der Tat erinnern mich die heutigen Bedingungen vage an das Jahr 1987. Die konjunkturellen Probleme waren schmerzhaft, aber nicht lebensbedrohlich; so, wie die Handelskriege heute. An sich dürften diese Streitigkeiten keine globale Rezession auslösen. Handelskriege können für Unternehmen, die im Kreuzfeuer stehen, sicherlich verheerend sein, aber nicht für diejenigen, die an der Börse diversifiziert investieren.
Bedenklich könnte allenfalls die geopolitische Situation erscheinen. Die wirtschaftlichen Rückschläge hätten 1987 nur moderate Verluste verursacht. Aber sie wurden von der Politik begleitet: die Angst, dass lösbare Probleme aufgrund von Meinungsverschiedenheiten zwischen Staats- und Regierungschefs nicht gelöst würden. Es war die Kombination der beiden Bedenken, welche die Panik auslöste. Beide allein wären unzureichend gewesen.
Auch wenn ein politisch motivierter Flächenbrand wahrscheinlich nicht eintreten wird, können wir uns zurücklehnen. Propheten mögen das Wissen um den bevorstehenden Weltuntergang für sich beanspruchen, Investmentkolumnisten brauchen nicht mehr zu tun, als Hilfestellungen mit Notfallübungen zu leisten.