Beim Thema Nachhaltigkeit stehen für Anleger häufig Performance-relevante Fragen im Vordergrund. Fakt ist aber auch, dass ESG-Risiken als Frühwarnsignale genutzt werden können. Unternehmen, die Umwelt-, soziale und Governance-Faktoren beachten, wappnen sich dadurch auch gegen zukünftige Herausforderungen. Unser ESG-Research-Partner Sustainalytics untersuchte in der kürzlich erschienen Studie "10 for 2018: ESG Risks on the Horizon " die wichtigsten branchenbezogenen ESG-Risiken und wie die Unternehmen aus diesen Branchen mit Nachhaltigkeitsrisiken umgehen. Nachfolgend finden Sie einige der Ergebnisse aus dieser Studie.
Öl- und Gas-Unternehmen: Den Übergang zu CO²-armer Energie gestalten
Die weltweite Nachfrage nach fossilen Brennstoffen dürfte kurzfristig zwar noch anhalten, aber Veränderungen beim Energieverbrauch, die zum Teil durch die Regulierung der CO2-Emissionen bedingt sind, dürften erhebliche Auswirkungen auf die Profitabilität der Öl- und Gasunternehmen nach sich ziehen. Auch Finanzinvestoren drängen diesbezüglich auf mehr Transparenz.
So forderte 2017 eine Mehrheit der Aktionäre von Unternehmen wie Exxon Mobil und Occidental Petroleum eine Offenlegung der Klimarisiken. Eine Arbeitsgruppe für klimabezogene Berichterstattung (Taskforce for Climate-related Financial Disclosures) hat Empfehlungen entwickelt, mit denen Unternehmen ihren Investoren zeigen können, dass sie die Risiken erkannt und eine glaubwürdige Strategie zu ihrer Bewältigung haben.
Dem Bericht zufolge sind die Öl- und Gasunternehmen mit den höchsten Produktionskosten den größten Risiken durch die Energiewende ausgesetzt. Ähnliches gilt auch für Konzerne mit einem relativ hohen Anteil an kohlenstoffintensiven Projekten im Portfolio. Dazu zählen der Abbau von Öl-Sand in Kanada, arktische Bohrungen oder bestimmte Flüssiggasprojekte. Auch Unternehmen, die bisher wenig Fortschritte bei der Diversifizierung ihrer Produktpalette gemacht haben, sind aus Nachhaltigkeitssicht mit erhöhten Risiken konfrontiert.
Die untere Grafik zeigt, wie Sustainalytics in Sachen Treibhausgasen die Risikomanagement-Fähigkeiten der zehn weltgrössten börsennotierten Öl- und Gasunternehmen beurteilt. Die am besten aufgestellten Gesellschaften sind demnach Royal Dutch Shell, Total, Eni SpA und Chevron. Als Nachzügler sind dagegen BP und Exxon Mobil eingestuft sowie Firmen aus China und Russland. Royal Dutch Shell, so der Bericht, ist das einzige Unternehmen auf der Liste, das sich Ziele zur Reduzierung des CO²-Ausstoßes gesetzt hat und seine Produktpalette durch den Einstieg in den Elektrofahrzeugmarkt diversifiziert.
Grafik: Energieunternehmen als Risikomanager: Die Bilanz
Nahrungsmittelindustrie: Wachsende Bedenken über den Zuckerkonsum
Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Folgen von übermässigem Zuckerkonsum führen zu veränderten Verbraucherpräferenzen. Auch mögliche staatliche Regulierung und Prozessgefahren drohen den Nahrungsmittelherstellern. Hersteller von Soft Drinks versuchen deshalb, dem Risiko durch das Angebot kalorienreduzierter Produkte und Vermarktungsbeschränkungen zu begegnen. Allerdings steht die Branche auch im Verdacht, die Öffentlichkeit in die Irre zu führen und die zuckerbedingten Gesundheitsrisiken zu verharmlosen.
Die untere Grafik zeigt die Einschätzung von Sustainanlytics zum zuckerbezogenen Risikomanagement von fünf grossen Lebensmittel- und Getränke-Unternehmen. Danone und Nestle sind demnach führend, weil sie relativ belastbare Verpflichtungen in Bezug auf Produktgesundheit, Marketing und politischem Engagement eingegangen sind. Die geringe Punktzahl von Coca-Cola spiegelt dagegen das schwache politische Engagements wider. Zudem ist dieses Unternehmen auch stärker in Kontroversen um Lobbying und der Finanzierung von wissenschaftlichen Studien involviert. „Die Rechts- und Reputationsrisiken von Coca-Cola, die sich aus dem Vorwurf ergeben, die Verbraucher wissentlich irregeführt und wiederholt gegen die Zuckervorschriften verstossen zu haben, könnten kurz- und langfristig zu erheblichen Verbindlichkeiten führen", stellt der Sustainalytics-Bericht fest.
Grafik: Nahrungsmittelhersteller als Risikomanager: Die Bilanz
Software/ IT-Dienstleister: wettbewerbswidrige Praktiken im Fadenkreuz
Unternehmen wie Alphabet, Facebook und Microsoft haben eine grosse Marktmacht aufgebaut. Es wettbewerbsrechtliche Bedenken aufgekommen, welche für diese Branche Risiken, etwa die Gefahr von Kartellrechtsverfahren oder sogar die Zerschlagung, mit sich bringen. Hier stehen wettbewerbswidrige Praktiken im Fokus, die sich aus den geschlossenen Öko-Systemen entwickeln, in denen diese Gesellschaften operieren. Diese Praktiken schaffen Markteintrittsbarrieren und behindern so den Wettbewerb.
Das Sammeln von riesigen Mengen an Verbraucherdaten und die Plattforminhalte werden von diesen Unternehmen zur Generierung von Werbe- und Verkaufserlösen genutzt. Das verhilft ihnen nicht nur zu erheblichen Wettbewerbsvorteilen, sondern wirft auch Fragen über den Schutz der Privatsphäre auf und schürt ausserdem die Sorge vor der Verbreitung von Falschinformationen. Die Regulierungsbehörden, und auch die Europäische Kommission, gehen nunmehr der Frage nach, ob die Machtkonzentration bei den Technologieunternehmen langfristig für die Verbraucher von Vorteil ist.
Die untere Grafik zeigt die Anzahl der Kartellrechtsfälle in der Software- und Dienstleistungsbranche in den vergangenen Jahren. Alphabet, die Google-Holding, war demnach an den stärksten betroffen, dazu zählt eine Rekordstrafe von 2,4 Milliarden Euro im Juni 2017. Das Unternehmen hat Widerspruch gegen diese Strafe eingelegt, aber am Ende könnte Alphabet sogar gezwungen sein, sein werbefinanziertes Geschäftsmodell zu überdenken. Dieses bringt allerdings den Grossteil der Umsätze. Wenngleich das Ergebnis von solchen regulatorischen Prüfungen nur schwer vorherzusagen ist, so stehen die grossen Technologieunternehmen zunehmend vor der Aufgabe, „ihren geschäftlichen Ehrgeiz mit ihrer Verantwortung gegenüber den Anteilseignern in Einklang bringen zu müssen", wie es in der Sustainalytics-Studie heisst.
Grafik: IT-Unternehmen als Risikomanager: Die Bilanz
Bekleidungsfirmen: Die Zuliefererkette im Blick
Die zunehmende öffentliche Kontrolle der Lieferkette der Bekleidungsindustrie erhöht für diese Unternehmen die finanziellen Risiken, die im Zusammenhang mit Lieferunterbrechungen, Gerichtsverfahren oder negativen Folgen für das Ansehen durch schlechte Lohn- und Arbeitsbedingungen entstehen könnten. Dass die Branche ihre Aktivitäten fortlaufend auf neue Standorte ausdehnt, ergibt neue Risiken in der Lieferkette. So verlagerten jüngst einige Firmen ihre Produktion von Bangladesch in Länder wie Myanmar und Äthiopien, wo die Löhne niedriger sind. Doch die Regierungen in westlichen Ländern erhöhen den aufsichtsrechtlichen Druck. So hat etwa Frankreich 2017 ein Gesetz verabschiedet, das Geldbussen für Unternehmen vorsieht, die keine angemessene Sorgfaltspflicht bei der Überwachung ihrer Lieferkette nachweisen können.
Die untere Grafik zeigt die Lieferketten-Standards und die Managementleistung von zehn ausgewählten Bekleidungsfirmen. H&M hat die Bestnote erhalten, weil hier konzertierte Anstrengungen zur Verbesserung des Supply-Chain-Managements und der Transparenz unternommen werden. Das Unternehmen arbeitet mit der Sustainable Apparel Coalition zusammen, einem Zusammenschluss großer Marken, Einzelhändler und Produzenten aus der Schuh- und Textilindustrie, der Standards für die Bewertung von Nachhaltigkeitsthemen rund um die Lieferkette entwickelt. In Äthiopien engagiert man sich dabei zusammen mit der Regierung in Sachen für Löhne und Gehälter, und den dortigen Arbeitnehmern wird deutlich mehr als der Mindestlohn bezahlt.
Grafik: Die Bekleidungsindustrie als Risikomanager: Die Bilanz
Fazit
Die Unternehmen in allen vier der oben genannten Branchen sind gewichtigen ESG-Risiken ausgesetzt. Betroffen sind alle, aber einige sind besser vorbereitet als andere. Es wird darauf ankommen, wie diese Risiken gemanagt werden. Zu den Namen, für die Sustainalytics optimistisch gestimmt ist, zählt Royal Dutch Shell. Der Konzern ist gut darauf vorbereitet, um die mit der Energiewende verbundenen Risiken anzugehen. H&M sieht man ausserdem gut aufgestellt, dem Lieferketten-Risiko zu begegnen. Alphabet und Coca-Cola sind indes schlecht auf die ESG-Risiken vorbereitet.
Der vollständige Bericht behandelt darüber hinaus ESG-Risiken für sechs weitere Branchen und den darin enthaltenen Unternehmen, die entweder besser und schlechter auf diese Risiken vorbereitet sind. Sie können den Bericht hier kostenlos bestellen.