Investmentfonds entfalten ihren Charme für Anleger, wenn sie langfristig gehalten werden. Die Leser unserer Kolumnen kennen unser Mantra. Langfristige Anlageprozesse erfordern Kontinuität, und wer seinen Fonds – egal, ob es ein aktiv verwalteter Fonds oder ein ETF ist – über mehrere Börsenzyklen hält, dürfte deutlich besser fahren als die meisten taktische Trader, die in mehr oder weniger hoher Frequenz „Fonds-Hoppen“ betreiben. Letztere reagieren häufig auf punktuelle Ereignisse, und sie erzielen mit prozyklischem Trading in der Regel suboptimale Ergebnisse.
Doch auch noble Mantras drohen zu abgedroschenen Phrasen zu degenerieren, wenn sie den subjektiven Erfahrungen von Anlegern zuwiderlaufen. Investoren sind risikoavers, und wer mitansehen musse, wie dramatisch der Wert seines Investments binnen kurzer Zeit in einem Crash zusammenschmilzt, der zieht irgendwann – zur Unzeit! – die Reißleine. Und schwört möglicherweise Aktien danach für immer ab.
Deshalb wollen wir unser Plädoyer für Langfristinvestments mit einem für die meisten Leser vermutlich ungewohnten Blickwinkel variieren. Mit dem Morningstar Investment-Trichter können Anleger nicht nur ein Gefühl für die längerfristige Performance eines Investments entwickeln, sondern auch, wie sehr eine lange Haltedauer die Wogen der Märkte glättet und die Wahrscheinlichkeit extremer Ausschläge reduziert. Unsere Illustration zeigt darüber hinaus auch, wie lange ein Investor warten musste, bis sein Investment in der Vergangenheit schwarze Zahlen schrieb.
Drei Szenarien durch den Morningstar Investment Trichter gejagt
Unser Trichterdiagramm berücksichtigt verschiedene historische Investment-Perioden eines Investments. Dabei verwenden wir Monats-Renditen von Indizes (in Euro gerechnet). Die Grafik zeigt an, welche Performance im historischen Rückblick im besten Fall und welche im schlechtesten Fall herausgekommen wäre. Zudem zeigt der Investment Trichter ebenfalls den durchschnittlichen Szenario-Verlauf an. Durch die Trichter-Illustration wird deutlich, wie sich diese drei Performance-Szenarien im Zeitablauf zueinander entwickeln. (Natürlich kann man mit so einem Trichterdiagramm auch verfeinerte Ansichten zeigen, etwa nach Quartilen oder Quintilen. Wir beschränken uns der Einfachheit halber auf drei Linien pro Diagramm.).
Weil eine Grafik mehr als 1.000 Worte sagt, wollen wir gleich loslegen und den MSCI World Index, ein wichtiger Leitindex für globale Aktien-Investments, durch den Morningstar Investment Trichter jagen. Die untere Tabelle illustriert die drei Szenarien für 25 Jahre. Diesen Szenarien liegt eine Datenhistorie von 555 Monaten per Ende März 2018 (also in Summe gut 46 Jahre) zugrunde. 555 Monate als Gesamtperiode ist eine Menge Holz. In die Zeit seit 1972 fielen die Ölkrise, die langjährigen Boom-Jahre der 1980er und 1990er Jahre, die in der Dot.com-Bubble 1999 einmündeten, den Tech-Bust 2000 bis 2002; die Erholung 2003 bis 2007; die Finanzkrise 2008/9 sowie die sensationelle Rally seitdem.*
Unsere drei Szenarien sind wie folgt illustriert: die blaue Linie bildet den optimalen Verlauf von 25 Jahren ab, die grüne den schlechtestmöglichen, und die graue Linie markiert das durchschnittliche Szenario von 25 Jahren in einer gut 46-jährigen Gesamthistorie. Unterhalb der Grafik finden Sie die dazugehörige Tabelle, welche die Renditeangaben der drei Szenarien in Zahlen widergibt und dabei auch die Sicht auf verschiedene Zeiträume ermöglicht. Wir haben den Schnitt übrigens nach 25 Jahren gemacht, weil unsere Erfahrungswerte zeigen, dass es nicht realistisch ist, mit noch längeren Perioden zu rechnen – in der Vergangenheit haben Kriege, Pech, Kasinobesuche oder, schlicht und ergreifend, der Eintritt in den Ruhestand den Übergang von der Investment- zur Konsumphase bei Anlegern bewirkt.
Grafik: Zwischen Achterbahnfahrt und geglätteter Performance: Szenarien für den MSCI World
Die obere Grafik zeigt, dass kurze Zeiträume Achterbahnfahrten mit sich bringen können. Der MSCI World hätte im besten Fall in gut 46 Jahren eine Zwölfmonats-Performance von sensationellen 65 Prozent erzielt. Allerdings fielen im schlimmsten Fall Verluste von knapp 40 Prozent in einem Einjahres-Zeitraum an. Bewegt man sich weiter entlang der Zeitachse, wird deutlich, dass sich der Renditekorridor deutlich verengt; sowohl die maximalen Verluste also auch die spiegelbildlichen maximalen Renditen werden geringer. Wer zwei Jahre dabei blieb, erzielte im besten Fall annualisiert 38,5 Prozent (statt 65 Prozent), im schlimmsten Fall lag das minus pro Jahr bei 31 Prozent.
Und so setzt sich der Trend fort, je weiter man den Blick weiter nach rechts lenkt. Wer zehn Jahre bei der Stange blieb, erzielte bestenfalls ein durchschnittliches Plus von 19 Prozent; im schlimmsten Fall lag der Verlust pro Jahr bei 4,2 Prozent. Interessant ist, ab wann ein Investment in der Vergangenheit keinen Verlust erwirtschaftet hätte: Beim MSCI World Index dauerte es maximal 14 Jahre, bis kein Verlust mehr in der gesamten Zeitperiode zwischen 1971 und heute möglich gewesen wäre.
Die maximale Periode von 25 Jahren erbrachte im schlechtesten Fall eine Performance von 5,0 Prozent. Das ist, gemessen an den eingegangenen Aktien-Risiken, zwar keine berauschend gute Rendite, entspricht aber auch real einem Plus, wenn man die Inflationsraten in Europa in den vergangenen Jahren voraussetzt. Anleger mögen sich diese Grafik ausdrucken und sich in Zeiten kräftiger Kurskorrekturen damit trösten, dass ein langer Anlagehorizont die beste Medizin gegen die unvermeidliche Börsenkrankheit „Kursverluste“ darstellt.
Tabelle: Was beim MSCI World nach XY Jahren herausgekommen wäre
*Kritiker werden natürlich einwenden, dass sich die Welt von 1972 nicht mit der Welt von heute vergleichen lässt, und sie werden vermutlich als aller Erstes die Entwicklung der Inflation ins Feld führen. Damit haben sie natürlich Recht: Die Graphik wurde unter der Annahme erstellt, dass die Welt sich nicht verändert: Die tatsächliche Verteilung der Monatsrenditen folgt einer einzigen Verteilungsfunktion, und die Renditen sind unabhängig voneinander. Aber diese Kritik geht insofern ins Leere, als es uns hier nicht darum geht, eine reale Rendite-Historie aufzuführen – dafür hätten wir natürlich die Kosten eines Investments ansetzen müssen. Es geht uns hier vielmehr darum zu illustrieren, was die vielzitierte Tendenz „Reversion to the Mean“, also mithin die Rendite-Glättung im Zeitverlauf, in der Realität bedeutet. Und wer sich die Mühe machen möchte, die realen Renditen zu berechnen, kann dies unter Verwendung der langjährigen Inflationsreihe der OECD recht schnell bewerkstelligen.