John "Jack" Bogle eröffnete kürzlich eine virtuelle Präsentation anlässlich der Morningstar Investment Conference mit einer historischen Weissagung. Kurz bevor er sich im Jahr 1974 anschickte, Vanguard zu gründen, traf sich Bogle mit Jon Lovelace, Gründer von American Funds. Lovelace habe ihm, Bogle, gesagt, dass, falls er seine Pläne mit Vanguard durchziehen sollte, er die Investmentfonds-Branche zerstören werde.
Geworden ist aus dieser Prophezeiung folgendes: Nominal betrachtet ist das von herkömmlichen, aktiv verwalteten Aktien- und Anleihen-Fonds gemanagte Kapital um 25.000 Prozent gestiegen. Wenn das ein Scheitern sein soll, wer braucht dann noch Erfolg?
Allerdings habe sich die Vorhersage inzwischen in einem gewissen Sinne durchaus bewahrheitet, wie Bogle auf unserer Konferenz feststellte. Passive Fonds haben aktive ins Aus gestellt. Traditionell geführte Fonds aus den Zeiten von Jon Lovelace verlieren mittlerweile mehr Geld als sie einsammeln. Alle Nettozuflüsse in der Fondsindustrie und noch mehr fliessen in ETFs und nicht-börsennotierte Indexfonds.
Warum wurden Skaleneffekte nicht weitergegeben?
Vielleicht wäre es nicht so weit gekommen, wenn die traditionellen Anbieter ihre Grössenvorteile energischer als geschehen weitergereicht hätten. Bogle geht sogar so weit zu behaupten, dass sie nichts an Skalenvorteilen an Anleger weitergegeben hätten. Seitdem er sich 1951 der Industrie anschloss, hätten sich die verwalteten Fonds-Gelder in 65 Jahren bis 2016 um das 5.400-fache erhöht (das lässt selbst die Zuwächse seit 1974 lahm erscheinen). Im gleichen Zeitraum erhöhten sich die gesamten Fondsberatungsgebühren und die Betriebskosten um das 5.600-fache. Die Zahlen sprechen also eine klare Sprache.
Mit Blick auf die Zukunftsaussichten hatte Bogle für die Chefs der traditionellen Fondsgesellschaften keinen Trost parat. Ratschläge von Aussenstehenden, die etwa auch dieser Kolumnist häufig formuliert, nimmt er mit einem Achselzucken hin, weil er sie für irrelevant hält. Denn was die traditionellen Fondsgesellschaften auch immer tun mögen, sie kommen aus seiner Sicht nicht am Grundproblem vorbei, dass sie Diener zweier Herren sind.
Die Diener zweier Herren
Während Vanguard den Investoren gehöre, wohne in den konkurrierenden Fondsgesellschaften ein inhärenter Widerspruch inne. Die Anteilseigner der Firma kassieren die Gewinne, die aus den Fondsgebühren entstehen, welche die Fondsbesitzer bezahlen. Die Fonds-Eigner erhalten wiederum die Erträge, welche die Fonds generieren. Diese Interessen stünden sich diametral gegenüber, so Bogle. Jeder zusätzliche Basispunkt, um den sich die Kostenquote eines Fonds erhöhe, sei ein Geldtransfer von den Eigentümern der Fonds zu den Anteilseignern der Fondsgesellschaft. Umgekehrt verhalte es sich bei jedem eingesparten Basispunkt an Kosten. Günstigere Fonds sind gut für deren Anteilseigner, aber sie spülen weniger Geld in die Kassen der Fondsgesellschaften.
Bogle argumentiert, dass diese beiden Ziele nicht zufriedenstellend parallel verfolgt werden können. Unter Druck gesetzt durch Anbieter mit sehr günstigen Produkten – beileibe nicht nur Vanguard - könnten traditionelle Investment-Manager zwar ihre Managementgebühren senken. Aber sie würden niemals so tiefe Preise anbieten wie sie es müssten. Denn das würde die Umsätze zu sehr drücken und damit die Interessen der einen Gruppe an Anteilseignern schädigen.
Traditionelle Investment-Manager können zwar ihre Managementgebühren senken. Aber sie werden niemals so tiefe Preise anbieten wie sie es müssten
Deshalb, so Bogle, könnten Menschen wie Rekenthaler zwar darüber räsonieren, wie aktive Manager Abwehrstrategien entwickeln könnten. Sie könnten ihnen etwa raten, ihre Fonds für Neugelder zu schliessen, bevor sie zu gross würden oder ihnen andere Taktiken als Reaktion auf den Erfolg der Indexfonds empfehlen. Aber all das werde nicht fruchten. Schliesslich müssten Gesellschaften, die auf aktives Management vertrauen, die Bedürfnisse derjenigen befriedigen, die sich an ihre Gewinne gewöhnt haben. Zu den notwendigen Änderungen werde es deshalb nicht kommen, so Bogle.
Beide Gruppen mit berechtigten Interessen
Bogle trifft folgende Prognosen. Aus geschäftlichen Gründen – die, wie beschrieben, nicht deckungsgleich mit den Gründen für ein Investment in einen Fonds sind - werden traditionelle Fondsmanager einen der beiden folgenden Wege einschlagen:
Unternehmen, bei denen es sich nicht um börsengehandelte Gesellschaften oder um Töchter von grossen Organisationen handelt, sondern von ihren Gründern / Partnern kontrolliert werden, dürften einfach versuchen still zu halten. Gemäss Bogle lautet ihr Motto wie folgt: „Tue nichts, stehe einfach nur da.“ Und er ergänzt: „Starke Gebührenkürzungen würden die Gewinne eindampfen, was zu niedrigeren Kompensationszahlungen für die Insider führt. Das dürfte kaum toleriert werden. Bei Firmen mit Minderheitsgesellschaftern wäre das ausserdem ein Schlag ins Gesicht für die Anleger, die sich an ein starkes Gewinnwachstum gewöhnt haben."
Dieser zuletzt erwähnte Satz erinnert uns allerdings daran, dass man nicht alles durch das Schwarz-Weiss-Schema sehen sollte. Denn auch wenn Anleger die Fonds-Besitzer sind, hat doch auch die zweite Gruppe an Anteilseignern Bedürfnisse. Jene, die Zeit aufbringen, um für Fondsgesellschaften zu arbeiten, oder jene, die ihr Kapital in eine Miteigentümerschaft stecken, haben ebenfalls ihre berechtigten Interessen. Sie haben das Recht auf eine faire Rendite auf ihre Investition. Aber auf dieses Level wird Bogle nicht einsteigen.
Lähmungserscheinungen
Für die zweite Gruppe an traditionellen Fondsgesellschaften, bei denen es sich um börsennotierte Anbieter handelt oder die ein Teil von Finanzkonzernen sind, hat Bogle noch weniger Hoffnung parat. Er habe von diesen Konstrukten noch nie viel gehalten und sehe es als einen Fehler, dass die Aufsichtsbehörde SEC 1958 börsennotierte Fondsgesellschaften erlaubte. Seine Meinung dazu habe er bis heute nicht abgeschwächt. Diesen Firmen, so Bogle, gehe es weniger darum, das Fondsgeschäft weiter auszubauen, als vielmehr ihre Ertragskühe zu melken. Das Motto laute hier: „Investiere nicht mehr Kapital, senke nicht die Verwaltungsgebühren."
Langsam und im Laufe der Zeit dürften diese Unternehmen ihre Vermögenswerte verlieren und „letztlich zu günstigen Preisen verkauft oder mit anderen ähnlich aufgestellten Firmen verschmolzen werden." Aber auf dem Weg dorthin werden sie noch grosse Gewinne abzapfen, wie Bogle prophezeite.
Erneut kommt Bogles Argumentation unerbittlich logisch daher. Öffentlich gehandelte Unternehmen haben Verpflichtungen gegenüber allen ihren Anteilseignern - und sie tun nichts Falsches beim Versuch, diese Pflichten zu erfühlen. Ihr Zwang, alle Parteien zu befriedigen, bremse ihre Fähigkeit, auf den Aufstieg von Indexfonds zu reagieren. Einige Unternehmen werden zwar neue Ansätze und neue Gebührenstrukturen testen, aber es sei unwahrscheinlich, dass sie ihr Geschäft in diese Richtung verlagern werden.
Investoren stimmen mit ihren Brieftaschen ab
Meine Meinung dazu: Jeder hat seine eigene Agenda und argumentiert irgendwo immer auch pro domo. Es ist kaum zu erwarten, dass der Vanguard-Gründer und Erfinder der genossenschaftlich-orientierten Eigentümerstruktur bei Fondsgesellschaften jemals die Aussichten von Index-Fonds oder die Vorteile der Miteigentümerstruktur herunterspielen wird. Deshalb muss man nicht zwangsläufig glauben, dass der Lauf der Dinge so unabänderlich ist, wie es von Bogle dargestellt wird. Allerdings ist es schon so, dass Investoren heute mit der Brieftasche abstimmen – sie wählen in Scharen Fonds mit niedrigen Kosten – und das sind nun einmal sehr häufig Indexfonds. Bogle liegt auch richtig mit seiner Analyse über die Barrieren für einen Wandel der Fondsindustrie. Auch aus der Nicht-deterministischen Brille betrachtet wird es für viele traditionelle Fondsanbieter, die früher geblüht haben, schwer werden, sich auf die schöne, neue Welt einzustellen, mit der sie sich heute konfrontiert sehen.