Ad hoc Umfragen, die ich bei Medienanlässen immer wieder gerne unternehme, fördern zutage, dass Journalisten Pressemitteilungen kaum noch zur Kenntnis nehmen. Das Mailfach quillt über, die Zeit drängt, und das meiste sei ohnehin unter der Rubrik „Marketinggedöns“ zu verbuchen. Diese Erfahrung kann ich bestätigen, da ich nach wie vor bei den meisten Vermögensverwaltern auf Presseverteilern registriert bin. Es passiert erschreckend selten, dass Mitteilungen von Asset Managern einen wirklichen Mehrwert bieten. (Meldungen über neue Fonds wären theoretisch interessant, aber ich bekomme Produktauflagen über unsere Datenbank viel zielgenauer mit und kann dabei auf PR-Prosa verzichten.)
Doch genau das Unerwartete ist mir am 10. Mai passiert: Eine Mitteilung aus dem Hause UBS Asset Management hat mich sogar regelrecht elektrisiert: „UBS Asset Management senkt Preise für beliebten ETF“, hiess es in einer Aussendung am Mittwoch. Anfang April wurde die Gesamtkostenquote (TER) für den UBS Barclays TIPS 1-10 UCITS ETF beim nicht-währungsgesicherten ETF von 0,20 auf 0,15 Prozent pro Jahr gesenkt, die Kosten für die währungsgesicherten Anteilsklassen gingen von 0,25 auf 0,20 Prozent zurück.
Bei ETFs sind die Gebühren seit Jahren rückläufig
Dass ein ETF-Anbieter die Gebühren für einen ETF senkt, ist zunächst nicht weiter spektakulär. Im Gegenteil: Die Gebühren für ETFs in Europa sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken, und zwar in allen Asset Klassen. Beliefen sich die Durchschnittskosten für Aktien-ETFs im Jahr 2014 noch auf 0,43 Prozent, so waren es ein Jahr später 0,41 Prozent, und 2016 mussten Investoren im Schnitt nur noch 0,39 Prozent für einen Aktien-ETF berappen. Bei Rohstoff-ETFs gingen die Kosten im selben Zeitraum von 0,43 Prozent auf 0,36 Prozent zurück, die Gebühren für alternative ETFs sanken zwischen 2014 und 2016 von 0,43 auf 0,4 Prozent. Bei Bond-ETFs ist das Bild nicht so klar: Hier stagnieren die Gebühren seit 2014 bei 0,21 Prozent.
Wir haben immer wieder über das scheinbare Paradoxon berichtet, dass die Gebühren von ETFs viel stärker gesunken sind als die von aktiv verwalteten Fonds, und das, obwohl die Nachfrage nach Indexprodukten viel dynamischer ist. Des Rätsels Lösung ist, dass der Wettbewerb bei ETFs viel besser funktioniert. Trotz des stagnierenden Geschäfts bei aktiv verwalteten Fonds, sind deren Manager eher in der Lage, ihre Preisvorstellungen gegenüber Kunden durchzusetzen als die Anbieter von ETFs. Hier spielen die aus Anlegersicht nach wie vor dysfunktionalen Vertriebsstrukturen in Europa eine wichtige Rolle: So lange der Retail-Vertrieb nicht das Kundeninteresse in den Mittelpunkt rückt, dürfte der Verkauf gleichermassen überteuerter wie durchschnittlicher Allerweltsfonds eher die Regel als die Ausnahme sein. Hier weist der nach wie vor institutionell geprägte ETF-Markt deutlich mehr Elastizität auf!
Doch kommen wir zurück zur besagten Medienmitteilung der UBS und heben das Besondere hervor: Die Schweizer benennen als Grund für die Gebührensenkung den deutlichen Anstieg des verwalteten Vermögens in dem ETF und die sich daraus ergebenden Skaleneffekte. Inzwischen bringt der Fonds (per Anfang April) knapp 640 Millionen Euro auf die Waage.
Was ist dran an den Skaleneffekten?
Das Argument mit den Skaleneffekten ist eine sehr interessante Wendung. Denn was in den USA bei Fonds gang und gäbe ist, ist in Europa bisher kaum in Erscheinung getreten: Ein Fondshaus reduziert nach hohen Mittelzuflüssen die Gebühren für Investoren. Nun wollen wir nicht verhehlen, dass Gebührensenkungen bei Bond-Produkten auch bei aktiven Häusern in den vergangenen Jahren häufiger passiert sind. Bei der staatlich geförderten DWS Riester Rente in Deutschland hat die Deutsche Asset Management beispielsweise sehr aggressiv die Gebühren für Bondfonds zurückgenommen. Auch die britische Gesellschaft Jupiter machte mit Gebührensenkungen bei Fixed Income Produkten von sich reden. Doch diese Gebührensenkungen geschahen mehr aus der Not heraus: Um Anlegern angesichts des Niedrigzinsumfelds überhaupt noch eine nennenswerte Performance darstellen zu können, müssen immer mehr Gesellschaften die Kosten ihrer Bond-Produkte senken – interessanterweise werden damit auch die Erträge des (vielleicht doch nicht sakrosanten?) Vertriebs beschnitten.
Skeptiker könnten nunmehr versucht sein zu unken, dass die UBS nur den unvermeidlichen Schritt, die Bond-Produktkosten im derzeitigen Niedrigzinsumfeld und angesichts des harten Wettbewerbs senken zu müssen, PR-mässig gut aufbereitet hat. Auf den ersten Blick könnte da etwas dran sein. Blickt man auf das Universum der US-Inflationsschutz ETFs, dann fällt auf, dass die UBS bis dato nicht der günstigste Anbieter war: Lyxor verlangt für seinen US TIPS ETF nur 0,09 Prozent pro Jahr, SPDR erhebt für den Barclays US TIPS ETF 17 Basispunkte an jährlichen Gebühren. Indes kostet der iShares $ TIPS 0,25 Prozent, und der db x-trackers iBoxx $ Treasury kommt auf eine Jahresgebühr von 0,20 Prozent, was dem bisherigen Niveau des UBS-ETFs entspricht. Der UBS ETF befindet sich also erst seit der Gebührensenkung in der guten Gesellschaft der Anbieter von günstigen US-Inflationsschutz-ETFs.
Der größte US-Inflationsschutz-ETF ist zugleich der teuerste
Ging es der UBS also doch nur darum, im Rahmen des harten Konkurrenzkampfes die Wettbewerber konditionenmässig zu unterbieten?
Doch wir wollen die auch in uns innewohnenden typischen Reflexe des kritischen Branchenbetrachters unterdrücken und uns an der frohen Botschaft erfreuen, dass ein ETF-Anbieter noch stärker als bisher die Interessen seiner Anleger berücksichtigt. Und es gibt auch gute Gründe für die Gebührensenkung: In diesem Jahr sind dem besagten UBS-ETF knapp 500 Millionen Euro zugeflossen. Das ist weitaus mehr als den Konkurrenzprodukten von Lyxor und iShares bisher zugegangen ist. Die Nachfrage ist also vorhanden, und infolgedessen auch die Skaleneffekte, die nunmehr erfreulicherweise weitergereicht wurden. Halten wir also fest, dass die UBS nicht aus der Not des Wettbewerbsdrucks heraus gehandelt hat.
Das wirft indes die Frage auf, ob nicht andere Anbieter den Bleistift spitzen und ernsthaft überlegen sollten, ob nicht auch sie ihren Anlegern etwas zurückgeben sollten. Der bereits erwähnte iShares $TIPS, der bereits 2006 aufgelegt wurde, sammelte in den vergangenen zwölf Monaten weit über eine Milliarde Euro netto ein und ist mit einem Vermögen von gut 3,4 Milliarden Euro heute mit Abstand der grösste US-Inflationsschutz ETF am europäischen Markt. Dieser ETF kostet bereits seit geraumer Zeit 0,25 Prozent jährlich und ist somit mit Abstand der teuerste ETF seiner Kategorie. Sollte etwas dran sein an den Skaleneffekten, dann könnte also beim Marktführer für Anleger durchaus etwas zu holen sein.