Wir sind Zeugen eines interessanten Findungstrips: Was müssen Mischfonds heute, im Jahr 2016, „können“, um die Ziele der Anleger zur erreichen? Vor allem die niedrigen Zinsen werfen Fragen nach der Tragfähigkeit der defensiven Komponente dieser Portfolios auf. Aber auch die Volatilität an den Aktienmärkten und die unsicheren Perspektiven für die Weltwirtschaft bereiten Kopfzerbrechen. Können Aktien den Kern-Renditebestandteil von Mischfonds ausmachen, oder bieten sich Unternehmensobligationen angesichts ihrer Kapitalstruktur als die „bessere Aktie“ an? Sollte sogar das Aktienmarktrisiko angesichts der hohen Volatilität vielleicht teilweise abgesichert werden? Diese Fragen treiben Investoren und Berater um, die auf der Suche nach diversifizierten Investments sind und sich nicht zutrauen, Portfolios selbst zusammenzusetzen (bzw. zu beraten). Wie sehr Mischfonds im Fokus des Anlegerinteresses stehen, verdeutlichen die immens hohen Absatzzahlen. In den vergangenen 12 Monaten sind gemischten Fonds unterschiedlichster Couleur europaweit über 165 Milliarden Euro netto zugeflossen. Heute stecken knapp 1.200 Milliarden Euro in gemischten Publikumsfonds.
Entsprechend treibt die Zukunft von Mischfonds auch die Fondsbranche um, handelt es sich doch um eine der wenigen Wachstumsquellen für aktive Manager, die sich schon längst nicht mehr nur auf den Vertrieb von Aktien- und Obligationenfonds verlassen können. Interessant ist, dass sich die meisten Anbieter von Mischfonds im Zuge des Wettlaufs um Anlegergelder eindeutig positionieren. Die oben aufgeworfenen Fragen beantworten Asset Manager klar: Die Bond-Märkte haben als sichere Bank ausgedient, und ja, die Risiken auf der Aktienseite sollten abgefedert werden; der alte Mischfonds ist tot, es lebe der Multi Asset Fonds! Dieser soll viel stärker als herkömmliche Mischfonds auf alternative Techniken setzen. Long/short-Strategien stehen im Fokus, sei es auf Ebene einzelner Wertpapiere oder aber auf der Ebene ganzer Märkte, deren Risiken durch Beta-Hedging-Strategien in Krisenzeiten verringert werden. Es geht bei vielen Produkten immer mehr in Richtung „Absolute Return“, also in Richtung Hedgefonds-ähnlichen Strategien, die ein asymmetrisches Rendite-Risikoprofil aufweisen (sollen): Verluste minimieren und attraktive Renditen erwirtschaften.
Multi Asset Fonds sollen viel stärker als herkömmliche Mischfonds auf alternative Techniken setzen
Versuchen wir, etwas Licht ins Dickicht zu bringen und die Debatte um Mischfonds zu versachlichen. Was sollten diese realistischerweise „können“? Idealtypisch sollten sie – entsprechend des Risikoprofils des Anlegers – möglichst viele Renditequellen erschliessen und dabei das Anlegergeld breit streuen. In der Fachsprache heisst das: Risikoprämien abgreifen und diversifizierte Portfolios aufbauen. Das ist der USP von Mischfonds. Zwei wichtige Voraussetzungen sind dabei zu beachten: Zum einen sind tiefe Kosten das wichtigste Erfolgsrezept einer Anlage. Günstige Produkte schneiden besser ab als vergleichbare teure Produkte. Zum anderen sollte die Asset-Aufteilung möglichst stabil das Risikoprofil des Anlegers widerspiegeln. Strategisch aufgesetzte Portfolios zeigen sich regelmässig erfolgreicher als taktische Ansätze, die darauf ausgerichtet sind, die Märkte zu timen.
Multi Asset Fonds sind alles andere als günstig
Das bringt uns zu den Eigenschaften typischer Multi-Asset Fonds. Lassen sie sich mit den oben ausgemachten Erfolgsfaktoren in Einklang bringen? Das ist nicht der Fall: Multi Asset Fonds sind alles andere als günstig. Das sollte angesichts der komplexen Techniken, die in vielen Produkten zur Anwendung kommen, nicht überraschen. Wer komplexe Hedging-Strategien anwendet, wird dazu Expertise benötigen, und die kostet. Das bringt uns zur zweiten Frage, zu der wir umstandslos folgende These aufstellen: Die Multi Asset Fonds von heute werden im Zweifel aktiver gemanagt werden als das ihre Vorfahren aus der gefühlten Steinzeit. Im Ergebnis sind viele Hedging-Strategien aber nichts anderes als taktische Asset Allocation, deren Erfolg vom Market Timing abhängt. Das stimmt bedenklich, denn nach wie vor wird an der Börse weder zum Einstieg noch zum Ausstieg geklingelt. Vorsichtig formuliert sind taktische Ansätze nach wie vor für jeden Manager, und sei er noch so talentiert, eine veritable Herausforderung.
Das bringt uns zur Frage, ob neue Management-Techniken heute so dringend vonnöten sind, dass sich Anleger auf eine Reise mit Produkten begeben müssen, die wegen der zumeist geringen Historien eine Reise ins Unbekannte ist? Bei Aktien würden wir dies umstandslos verneinen: Es spricht nichts dagegen, dass sie weiterhin Mischfonds die nötige Performance-Power bringen; und Volatilitätsschübe stellen vor allem Kaufgelegenheiten dar. Kommen wir nun zum neuralgischen Punkt der Debatte: zu den Bondmärkten. Die Renditen sicherer Bonds sind auf historisch niedrigen Niveaus, und bei einem Zinsanstieg droht Langläufern erhebliche Rückschlaggefahr. Das scheint auf den ersten Blick ein naheliegender Anlass für weniger Direktionalität auf der Bond-Seite zu sein. Im Frühjahr 2015 haben Anleger bereits eine Ahnung bekommen, was eine Bond-Korrektur für Folgen haben kann. Die Rendite öffentlich umlaufender deutscher Obligationen stieg binnen weniger Wochen von 0,05 auf 0,6%; gerade bei langlaufenden Bonds fielen substanzielle Verluste an.
„Strukturbruch“ steht fest, gesucht wird der „Strukturbrecher“
Doch an dieser Stelle melden wir Bedenken an, sichere Staatsanleihen in grossem Stil aus den Portfolios zu werfen. Das hängt weniger damit zusammen, dass es „noch einmal gut gegangen ist“ und die Renditen seit dem Frühjahr 2015 noch weiter gesunken sind. (Die Umlaufrendite liegt nunmehr bei zwei (!) Basispunkten.) Es geht vielmehr um die Logik hinter dieser radikalen „Bonds raus“-Massnahme. Der Markt für Staatsanleihen ist so gross und so bedeutsam, dass nur die grössten Überzeugungstäter auf dieses Marktsegment verzichten sollten. Zumal die Argumente vieler Multi Asset Manager nicht überzeugen: Sie konzidieren zwar, dass die extrem tiefen Zinsen das Ergebnis eines „Strukturbruchs“ darstellen, lassen aber den „Strukturbrecher“ bei ihren weiteren Überlegungen außen vor. Die Notenbanken sind ein mächtiger Faktor an den Märkten geworden, und jeder, der auf einen baldigen Zinsanstieg setzt, wettet gegen die EZB, Bank of Japan und die FED, die sich übrigens offenbar wieder halbwegs im Taubenmodus befindet.
Anleihen sind keine risikofreien Assets, und natürlich sind auch bei Bundesanleihen Kursrückschläge möglich. Das Problem an den Szenarien vieler Multi Asset Manager ist, dass sie keinesfalls alternativlos sind. Wussten Sie, dass japanische Bonds in den vergangenen Jahrzehnten ungeachtet sehr tiefer Zinsen den Nikkei locker outperformt haben? Zu bedenken geben sollte Anlegern auch, dass die meisten Bond-Manager schon seit Jahren „zu kurz“ sind. Die allermeisten Bondfonds (bzw. die Bond-Bestandteile von Mischfonds) setzen viel stärker auf kürzere Laufzeiten, als das bei ihren Benchmarks der Fall ist. Die meisten aktiv verwalteten Fonds haben also reichlich Performance in den vergangenen Hausse-Jahren liegengelassen.
Die meisten aktiv verwalteten Fonds haben in der Bond-Hausse viel Performance liegengelassen
Was könnte Bond-Anlegern bevorstehen, sollte es tatsächlich einmal hart auf hart kommen? Auch wenn sich keine Antwort zur Grössenordnung möglicher Kursverluste bei Bonds geben lässt, sollten Anleger bedenken, dass Anleihen keine Aktien sind. Ich habe den Verdacht, dass vielen Anlegern, die heute eine Korrektur an den Bondmärkten fürchten, die Finanz- und Dotcom-Krisen im Hinterkopf spuken. Doch klassische Benchmarkanleihen sind keine Aktien und auch keine Hochzinsanleihen, die nicht umsonst im Jargon auch „Junkbonds“ genannt werden.
Nehmen wir einen typischen Benchmark-Index wie den Barclays Euro Aggregate Bond, der schwerpunktmässig aus Euro-Staatsanleihen, aber auch Supranationals und Unternehmenspapieren besteht. Bei einem Renditeanstieg von 100 Basispunkten würden nach dem heutigen Stand bei diesem diversifizierten Index Verluste von rund 7% anfallen. Zur Einordnung: Im Zuge der oben erwähnten Bondkorrektur im Frühjahr 2015 gab der grösste ETF, der diesen Index abbildet, in der Spitze rund 5% nach. Das ist unschön, aber wer die vorherige Bond-Hausse in dem Umfang mitgenommen hat wie der besagte ETF würde wahrlich nicht von einem Drama sprechen.
Wie alternativlos sind die Armageddon-Szenarien?
Als Gegenposition zu den Armageddon-Szenarien könnte man auch ein „neutraleres“ Szenario formulieren: eine sehr lange volatile Seitwärtsphase mit punktuellen Schwankungen und per Saldo wenig Bewegung. Dass eine grosse Asset-Klasse auch über längere Zeit keine aufregende Performance erzielt ist etwas ganz anderes als ein Weltuntergangsszenario, das zum sofortigen Handeln antreibt.
Das bringt uns abschliessend zur Ausgangsfrage: Was müssen Mischfonds heute, im Jahr 2016, „können“, um die Ziele der Anleger zu erreichen? Nun, vermutlich werden viele alte Regeln nach wie vor ihre Gültigkeit behalten: Tiefe Kosten sind ein guter Anfang; stabile. Langfristige Performance-Bilanzen sollten auch Pflicht sein. Berechenbare Allokationsstrategien mit möglichst wenig Hektik dürften auch gut tun. Das schliesst aktives Management übrigens keinesfalls aus. Es spricht sogar dafür, dass intelligente Diversifikationsstrategien einen Mehrwert gegenüber rein passiven Ansätzen erzielen können. Vielleicht ist die Produktauswahl auch gar nicht so schwer, wie es möglicherweise auf den ersten Blick scheint. Sucht man nach langen Track Rekords, dann weisen – leider! - nur wenige Mischfonds konstante, langfristige Performance-Bilanzen auf -- von Multi Asset Fonds ganz zu schweigen.