Multi Asset oder doch nur Mischfonds?

Wir haben uns das Rendite-Risiko-Profil von fünf Mischfonds-Gruppen im turbulenten Jahr 2015 angeschaut. Wie gut wurden Verluste begrenzt? Wie sensitiv reagierten Mischfonds auf Entwicklungen am Aktien- und Obligationenmarkt? Eine Übersicht aus der Vogelperspektive.

Ali Masarwah 16.12.2015
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Mischfonds sind auch 2015 das Gebot der Stunde. Die Investmentbranche rührt kräftig die Werbetrommeln für diese Produkte. Mit geradezu atemberaubender Resonanz. Europaweit wurden in den ersten zehn Monaten des Jahres knapp 170 Milliarden Euro in Fonds investiert, die in mehrere Asset-Klassen anlegen. Diese Fondsgruppe steuert locker --- erneut --- auf ein Rekordjahr zu; es müsste mit dem Teufel zugehen, wenn der Vorjahresrekord von 163 Milliarden Euro in den zwei verbliebenen Monaten des Jahres 2015 angesichts der rasanten Nachfrage unterschritten würde. 

Doch dieses Bild verdeckt die Tatsache, dass sich derzeit so etwas wie ein Kulturkampf in der Fondsbranche vollzieht. Immer mehr Geldverwalter warnen vor herkömmlichen Mischfonds und heben statt dessen „Multi Asset“ Fonds hervor. Damit sind Fonds gemeint, die nicht nur nach den herkömmlichen Schemata in Aktien und Renten investieren, sondern auch Derivate einsetzen, um das Marktrisiko zu minimieren bzw. um den Überzeugungen der Fondsmanager mehr Gewicht zu verleihen. Extrem diversifizierte Investmentansätze, die Hand in Hand gehen mit quantitativen Risikomanagementsystemen, die den optimalen Mix an Assets ermitteln sollen, gehören ebenfalls zur Generation der neuen Mischfonds. (Übrigens werden heute, die Rohstoffbaisse macht es möglich, nicht mehr die Chancen zusätzlicher Asset Klassen, wie etwa Gold, Energie- oder Industriemetalle und anderen Rohwaren, hervorgehoben; tempora mutantur, sagten die Römer einst.) 

Sauren und Loys gegen herkömmliche Mischfonds

Erst jüngst haben zwei prominente Fondshäuser, der deutsche Fund of Fund Manager Sauren und das eher für die Aktienseite bekannte Haus Loys AG, für alternative Investments geworben. „Zeitenwende bei Mischfonds“ betitelte die Sauren Fonds-Service eine Untersuchung, die nur ein bescheidenes Renditepotenzial für „klassische Mischfonds“ ermittelte. „Hohe Korrelation an Aktien- und Rentenmärkten setzt Mischfonds unter Druck“, hiess es in der vergangenen Woche bei Loys. 

Beide Häuser gründen ihre Thesen auf die aktuelle Situation am Kapitalmarkt, die gekennzeichnet ist von Volatilitätsschüben und einer extrem dürren Zinslandschaft --- die Renditen sind in Europa nicht nur extrem tief, sondern in vielen Laufzeitbereichen sogar negativ. 

Wer nicht davon überzeugt ist, dass die Renditen weiter stramm in negatives Terrain marschieren, dürfte tatsächlich Risiken am Bond-Markt ausmachen. Und dass sich die Aktienmärkte häufig, so zuletzt im Sommer 2015, Sommer 2013, Frühjahr 2012 und Herbst 2011, von ihrer volatilen Seite zeigten, ist absolut zutreffend. 

Doch der Schritt von diesen absolut zutreffenden Diagnosen hin zum Absolute Return Fonds sollte kein Automatismus sein. Die Performance der typischen Absolut-Return-Produkte, Hedgefonds, fällt in diesem Jahr erneut enttäuschend aus. Die Ausflüge der konventionellen Fondsbranche in die Welt des Absolut Return waren nach 2003 ebenfalls nicht immer glücklich zu nennen. 

2015 ein Jahr mit Höhen und Tiefen

Wir wollten für das zur Neige gehende Jahr eine Bestandsaufnahme machen und haben uns alternative Mischfonds näher angesehen. Wie fällt das Rendite-Risiko-Profil im Vergleich zu herkömmlichen Mischfonds aus? Wie defensiv sind die Profile dieser Produkte tatsächlich? Mit welchen Mischfondskategorien sind sie am ehesten zu vergleichen? Haben sie sich im turbulenten Jahr 2015 bewährt? 

Wir meinen, dass 2015 eine Art Kaleidoskop darstellt: Wir konnten eine extreme Haussephase an den Bond-Märkten bis Ende April 2015 beobachten, auf die bis Ende Juni eine scharfe Korrektur folgte. An den Aktienmärkten ging es zunächst ebenfalls überaus freundlich zu, bis Mitte August --- ebenso abrupt --- die Kurse nach unten rauschten. 2015 war also ein Jahr der Höhen und Tiefen. 

Wir haben die beiden alternativen Morningstar Kategorien ALT Multistrategy Dachfonds und ALT Mulstistrategy zu einem Multi Strategy Portfolio zusammengefasst. Dabei haben wir die grösste homogene Gruppe innerhalb diesen europäischen Kategorien zusammengefasst: Anlagefonds, die für Euro-Investoren aufgelegt wurden. Diese Auswahl haben wir deshalb getroffen, weil beide Morningstar Kategorien sehr heterogen sind und eine Vielzahl von Produkten umfassen, die für Investoren aus unterschiedlichen Währungsräumen aufgelegt wurden und deren Performance wegen der vielfach systematischen Währungsabsicherung kaum vergleichbar ist. (Das ist übrigens der Grund, warum wir keine Durchschnittsrenditen mehr für die alternativen Kategorien berechnen.). Es ging uns also in erster Linie darum, ein grösstmögliches Sample an europäischen alternativen UCITS-Fonds zusammenzustellen und mit den grossen Mischfondskategorien zu vergleichen und nicht darum, die Performance-Realität von Investoren in der Schweiz widerzuspiegeln. 

Die untere Grafik bildet die Sensitivität der verschiedenen Mischfondskategorien zum Aktienmarkt ab, dargestellt anhand des MSCI World NR USD. Die X-Achse bildet die Partizipationsrate der Kategorien an der Performance des MSCI World ab, die Y-Achse zeigt, in welchem Maße die jeweilige Kategorie Verluste beim globalen Standardwerteindex „mitgenommen“ hat.

Grafik: Große Nähe zwischen defensiven Mischfonds und dem Multi Strategy Portfolio auf der Aktienseite... 

 

Das Bild zeigt, dass aggressive Mischfonds zwischen Anfang Januar und Ende November 2015 die höchste Partizipationsrate am Verlauf des MSCI World aufwiesen. Nach unten wie nach oben. Der hellblaue Kreis stellt diese Fondsgruppe dar. An jedem Anstieg des MSCI World um 100 Einheiten stiegen aggressive Mischfonds um 51,15 Einheiten. An jedem Verlust des MSCI World um 100 Einheiten fielen diese Fonds im Mittel um 49,73 Einheiten. Das verwundert nicht, da Fonds dieser Kategorie eine Aktienquote von über 65% aufweisen. 

Spannender wird es, wenn man den Blick auf den dunkelblauen Punkt richtet, der das Multi Strategy Portfolio darstellt. Die Fonds dieser Gruppe zeigten nur eine geringe Sensitivität zum Aktienmarkt. Nach oben nahmen sie 16,56 Einheiten mit, nach unten nur 18,58. Das bedeutet, dass Wohl und Wehe dieser Fonds nur in geringem Maße am Verlauf des Aktienmarkts hängen. 

Am ehesten Vergleichbar war das Multi Strategy Portfolio mit defensiven Mischfonds – sie zeigten nur eine etwas größere Sensitivität zum Aktienmarkt, sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten. Überwiegend aus Bonds bestehende Mischfonds stiegen um 20,14 Punkte bei einem Aktienindex-Anstieg von 100 Punkten und verloren 18,8 Punkte bei einem Verlust von 100 Punkten beim MSCI World. 

Kommen wir nun zur Sensitivität der verschiedenen Mischfonds zum Bond-Markt. Die untere Grafik zeigt --- analog zur oberen Auswertung --- die Partizipationsrate von Mischfonds am Bond-Markt in Gestalt des Barclays Global Aggregate TR USD. Auch in diesem Bild sind defensive Mischfonds und das alternative Multi Strategy Portfolio zusammengerückt. Der Durchschnitt der alternativen Fonds zeigt hier ebenfalls ein besseres Defensivverhalten als defensive Mischfonds; sie nehmen spiegelbildlich allerdings weniger an der Aufwärtsbewegung des Rentenmarkts mit als die rentenlastigen Mischfonds. Die drei anderen Mischfonds-Gruppen legen --- wie auch schon beim Vergleich mit dem Aktienmarkt --- ein deutlich offensiveres Verhalten an den Tag und sind insofern mit defensiven Mischfonds und alternativen Fonds nicht vergleichbar. 

Grafik: ... und auch gegenüber Bonds weisen sie Ähnlichkeiten auf

 

Dieses Ergebnis ist insofern erstaunlich, als defensive Mischfonds genau die Produkte sind, welche viele Manager alternativer Produkte als besonders stark havariegefährdet ausgemacht haben wollen. Was ist also dran an der Behauptung, dass nach einer annähernd dreissigjährigen Hausse dem Bondmarkt eine veritable Korrektur droht und den erfolgsverwöhnten Anlegern in defensiven Mischfonds ein böses Erwachen bevorsteht? 

Die Korrektur kann, wie man zwischen April und Juni dieses Jahres gesehen hat, durchaus eintreten. Die Anleiherenditen sind so stark nach oben geschnellt, dass Langläufer unter hohen, zweistelligen Drawdowns leiden mussten. Doch wie bei einigen zwischenzeitlichen Bond-Korrekturen in den vergangenen Jahren handelte es sich 2015 nur um eine kurze Abwärtsphase. Merke: Korrekturphasen müssen nicht Wirkungen entfalten, wie sie Investoren von Krisen am Aktienmarkt kennen. 

Eine Korrelation von 0,04 spricht Bände

Darüber hinaus war zu beobachten, dass sich sichere europäische Bundesanleihen merklich erholten, als die Aktienmärkte im Sommer in ihre volatile Phase eintraten. Damit haben Obligationen ihre Tauglichkeit als Instrument für die Risk-off Phase erneut unter Beweis gestellt. Ein Blick auf die Korrelation zwischen MSCI World und Barclays Global Aggregate illustriert die unverändert hervorragende Eignung von Bonds als Diversifizierer von Aktienportfolios in Krisenzeiten. In den vergangenen 12 Monaten lag die Korrelation zwischen den beiden Indizes auf Dollar-Basis monatlich gerechnet gerade einmal bei 0,04. 

Und was ist mit der viel beschworenen Korrekturgefahr, denen Bonds tatsächlich oder vermeintlich ausgesetzt sind? Nun, darüber lässt sich trefflich streiten. Dass die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen derzeit bei rund 0,4% liegt, könnte für eine Überbewertung sprechen. Doch sollte man den allgemeinen Kontext der Rentenmärkte von heute nicht außer acht lassen. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird bis auf weiteres die Zinsen auf einem Tiefststand belassen, und ihr jüngst aufgepepptes Anleihekaufprogram, das auch auf die Bond-Renditen drückt, wird die EZB nach eigenen Angaben bis weit ins Jahr 2017 aufrecht erhalten. Die Schweizer SNB dürfte ebenfalls noch lange Zeit -- wenn auch aus anderen Gründen -- die Zinsen tief (bzw. im negativen Bereich) lassen. Dass die US-Notenbank Fed aller Voraussicht nach die Zinsen nur sehr behutsam erhöhen wird, spricht auch nicht unbedingt für einen nachhaltigen Ausverkauf von US-Obligationen. 

Insofern fällt unser Urteil, das allenfalls ein vorläufiges sein kann, zwiespältig aus. Einerseits hat unser Multi Strategie Portfolio, das wir aus den zwei alternativen Morningstar Kategorien „ALT Multistrategy“ und „ALT Multi Strategy Dachfonds“ zusammengestellt haben, durchaus als konservatives Instrument erwiesen, das, verglichen mit den meisten Mischfondskategorien, eine geringe Sensitivität sowohl zum Aktien- als auch zum Rentenmarkt aufweist. Doch, und das ist die Crux an der Geschichte, sind auch defensive Mischfonds recht ordentlich durch das turbulente Jahr 2015 gekommen, das für Bond- und Aktienanleger einige unangenehme Überraschungen in petto hatte. 

 

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah  Ali Masarwah war von 2011 bis Frühjahr 2021 als Chefredakteur für die deutschsprachigen Anleger Websites von Morningstar verantwortlich