Dr. Andreas Beck ist Gründer und Vorstandssprecher des Instituts für Vermögensaufbau. Außerdem hat er den Index entwickelt, der die Grundlage für den Portfolio Total Return ETF darstellt und einer der wenigen gemischten ETFs am Markt ist. Mit Aktien, Renten und Cash sollen planbare Erträge erzielt werden. Mit ihnen wird letztlich die Risikoprämie errechnet. Für Beck geht es darum, Risiken vernünftig zu managen. Mit der Volatilität hat das für ihn wenig zu tun und als Mathematiker hat er eine klare Meinung dazu, was Volatilität als Risikomaß taugt. Wir haben uns mit Andreas Beck über den aktuellen Markt, Niedrigzinsen und Unsicherheit unterhalten.
Herr Dr. Beck, sind Ihrer Ansicht nach Renten nach wie vor ein geeignetes Diversifikationsinstrument? Die niedrigen Zinsen liefern ja bei vielen Staatsanleihen eine negative Rendite.
Alle Welt sucht die Alternative zu Fixed Income, aber keiner findet sie. Ich würde sagen, dass das Zinsumfeld nicht so schlecht ist, wie es geredet wird. Ich erreiche mit dem breit diversifizierten Zinsportfolio im Investmentgrade-Bereich immer noch eine Rendite von 1% bis 1,5%. Und ich habe natürlich die Risikostreuung, die wichtig ist.
Für eine Asset Klasse ist kein Zins also in Ordnung?
Man muss sich darüber im Klaren sein, dass, wenn es keinen risikolosen Zins gibt, es auch kein Absolute-Return-Konzept geben kann. Ich brauche Zinsen, um mein Risikobudget zu definieren, also um in risikobehaftete Assets investieren zu können. Insofern ist die Niedrigzinsphase ein Problem für alle Anlageklassen und Formen der Vermögensverwaltung. Dieses Problem ist nicht lösbar.
Wer heute eine Cash-Quote vorhält, geht also ein Minusgeschäft ein.
Ja, für EONIA gibt es zwar 5 Basispunkte, aber insgesamt ist es für Anleger ein Minusgeschäft, das stimmt. Als Vermögensverwalter bzw. Investor ist man nur dann langfristig erfolgreich, wenn man nicht auf kurzfristige Renditen schaut.
Sie haben mal gesagt, dass die einzige ernstzunehmende Risikoprämie bei Aktien gezahlt wird. Warum kann ich dann nicht einfach innerhalb des Aktienuniversums diversifizieren? Insbesondere vor dem Hintergrund der viel beschworenen aktuellen Alternativlosigkeit. Warum soll ich ein schlechtes Investment mit Cash und Bonds eingehen, wenn ich langfristig die höhere Risikoprämie bei Aktien erhalte?
Nach Finanzkrisen kursieren immer wieder Behauptungen wie „Buy-and-Hold ist tot“, „long only ist tot“, „Diversifikation ist tot“. Gar nichts davon ist tot. Eine Krise entsteht typischerweise in einem speziellen Segment – z.B. am amerikanischen Immobilienmarkt. Solange sie dort bleibt, funktioniert die Risikostreuung über alle Branchen hinweg am Aktienmarkt. Wenn sich so eine Krise --- wie geschehen --- ausweitet, wird sie über die vergebenen Kredite bilanzrelevant für die Banken. In dem Moment funktioniert die Diversifikation über die verschiedenen risikobehafteten Assetklassen nicht mehr. Das war schon immer so. Sobald eine Krise für die Banken bilanzrelevant wird, entsteht der Effekt, dass es nur noch zwei Anlageklassen gibt: die mit und die ohne Risikoprämie. Wenn bei Investoren die Risikobudgets knapp werden, wollen alle raus aus den Risikoanlagen. Und bei allem, was Risikoprämien enthält – seien es deutsche Blue Chips, Wandelanleihen oder High Yield Anleihen – gehen die Risikoprämien nach oben und die Kurse brechen ein. Viele Anleger arbeiten heute mit Scheindiversifikation, gerade im High Yield Bereich.
Wie meinen Sie „Scheindiversifikation“?
Ich meine damit, indem ich mir scheinbar unabhängige Assetklassen ins Portfolio hole und hinterher überrascht bin, dass sie in der Krise jede Diversifikationseigenschaft verlieren. Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn alle Anleger zunächst auf die gleichen, weniger liquiden Asset Klassen setzen und sie alle zur gleichen Zeit wieder raus wollen, wenn es am Markt rumpelt.
Man sollte sich nicht fiktive Ziele setzen und in jedem Jahr eine fixe Rendite von 3%, 4% oder 5% anstreben.
Was mache ich dann als Anleger am besten, um nicht ungewollt in die Scheindiversifikation zu rutschen?
Man sollte sich nicht fiktive Ziele setzen und in jedem Jahr eine fixe Rendite von 3%, 4% oder 5% anstreben. Anleger können nur die Renditen einsammeln, die der Markt ihnen zur Verfügung stellt. Und es gibt Phasen hoher und niedriger Renditen. Insofern glaube ich, dass der Erfolg langfristig darin liegt, nicht gegen die Märkte zu arbeiten sondern vielmehr das Beste aus ihnen zu machen.
Das gilt auch für den von Ihnen geschaffenen Portfolio Total Return Index, der dem db x-trackers Portfolio Total Return ETF zugrunde liegt.
Natürlich. Dieser ETF hat in den letzten Jahren im Schnitt zweistellige Renditen pro Jahr erzielt. Ich bin mir aber sicher, dass die Renditen in den nächsten 12 Monaten nicht zweistellig sein werden. Für langfristige Anleger ist das aber auch kein Problem, denn in den nächsten fünf Jahren wird es auch wieder sehr gute Jahre geben.
Wenn man über Rendite redet, sollte man das Risiko nicht vergessen. Viele Anleger setzen Volatilität mit Risiko gleich. Ist das auch in Ihren Augen die richtige Betrachtung?
Nein, der allgemeingängige Risikobegriff ist eine Mogelpackung. In der Mathematik darf ich nur dann etwas als Risiko bezeichnen, wenn ich es einem Wahrscheinlichkeitsraum zuordnen kann. Ansonsten muss ich von Unsicherheit sprechen. Das bedeutet, dass Unsicherheit erst dann zum Risiko wird, wenn ich alle zukünftigen Ereignispunkte kenne und jedem dieser Punkte einen Wahrscheinlichkeitswert zuordnen kann. Aber das ist lächerlich, die Zukunft ist komplett ergebnisoffen. Der Begriff Risiko gibt ein falsches Sicherheitsgefühl, denn er suggeriert, dass die Unsicherheit der Zukunft greifbar und planbar ist.
Dann ist Ihr Anspruch nicht, Risiko zu minimieren, sondern Anlegern die Unsicherheit zu nehmen? Unsicherheit in Bezug worauf?
Wir orientieren uns überhaupt nicht an der Volatilität. Es geht um die Frage, wie robust der Anleger in Bezug auf Stressereignisse ist. Man muss sich also die Frage stellen, was die jeweiligen Stressereignisse für das eigene Portfolio bedeuten können. Ein einfaches Beispiel: wenn ich weltweit in Aktien und Anleihen diversifiziert bin, dann wäre ein wirklich signifikantes Stressereignis der Zusammenbruch der Weltwirtschaft oder ein Aufkündigen der kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Ein schwerwiegenderes Ereignis gibt es nicht. Wenn ich hingegen konzentrierter investiere, dann reichen schon viel kleinere Ereignisse, um einen Totalschaden zu verursachen.
Man muss sich also fragen, was welche Stressereignisse für das eigene Portfolio bedeuten.
Sich auf die Volatilität zu konzentrieren, ergibt keinen Sinn, denn dann ist man immer zu spät dran. Bevor der Aktienmarkt einbricht, ist er wenig volatil. Wenn er einbricht, schießt die Volatilität nach oben und der Markt scheint risikoreich. Wir arbeiten beim Portfolio Total Return ETF mit dem Shiller-KGV. Da ist es genau umgekehrt. Allerdings bedeutet das, dass Anleger vor kurzfristigen Volatilitätsclustern keine Angst haben dürfen. Wir hatten schon einige Wochen mit zeitweise sehr hoher Volatilität hinter uns. Nicht selten wurden genau dann die Risiko-Assets aufgestockt.
Was halten Sie vom Value at Risk?
In den allermeisten Fällen nicht viel – er wird ja abgeleitet von der Volatilität. Die VaR-Berechnung ist entwickelt worden für eine Haltedauer von einem Tag, nicht für die normalen Anleger mit einem Anlagehorizont von 5 bis vielleicht 30 Jahren. Wenn ich einen so langen Anlagehorizont habe und dann mit diesem Risikomaß arbeite, das für einen Tag designt sind, dann ist das doch offensichtlich absurd. Hier werden Langfristanleger mit Instrumenten bedient, die eigentlich für Daytrader gedacht sind.
Womit steuern Sie die Risko-Quoten im Total Return Portfolio ETF?
Mit zyklisch adjustierten Kurs-Gewinn-Verhältnissen, dem Shiller-KGV. Die Aktienquote wird dadurch gesteuert, dass wir schauen, ob man relativ gesehen eine relativ hohe Bewertung im Markt hat. Die Grundidee von Shiller ist da sehr vernünftig: Er sagt, dass eine Branche langfristig keine exorbitanten Gewinne einfahren kann. Wenn das nämlich so wäre, würde die ganze Welt in dieser Branche arbeiten wollen und dann zum Beispiel nur noch Automobilfirmen aus dem Boden schießen. Es muss sich also regulieren, dass die Renditequoten der Unternehmen langfristig eine gewisse Konstanz haben. Es kann deshalb bei Rendite-Ausreißern nicht so weiter gehen, wie bisher.
Das Shiller-KGV signalisiert für den US-Aktienmarkt seit Jahren eine Überbewertung!
Aktien sind insgesamt tatsächlich recht teuer. Der Dax ist zudem teurer, als es den Anschein hat. Ein paar Unternehmen fahren Rekordgewinne ein. Wenn ich das Bild glätte oder wenn ich mir das Segmentweise anschaue, dann sind die Aktien schon teuer. Seit Auflage des Index lag die Aktienquote 40% bis 50%. Wir können bis 30% runter gehen, dann müssen aber die Shiller-Indikatoren rot leuchten. In normalen Marktphasen sind es um die 50% bei der Aktienquote.
Aktuell liegt Ihre Aktienquote leicht über 50%? Warum, wenn Sie doch Aktien momentan für teuer erachten?
Anleihen sind eben auch nicht günstig!
Warum investiert Ihr ETF nicht in Rohstoffen?
Uns geht es bei Assetklassen um die Relativität ihrer planbaren Erträge zu den Risiken. Bei Zinsen sind sie sehr gut planbar, bei Aktien sind es die Dividendenrenditen. Und auf Basis dieser Kenngrößen kann ich Risikoanalysen rechnen. Gold hat überhaupt keine Ertragskraft und insofern kann man unser Modell darauf nicht anwenden – auf Rohstoffe im Allgemeinen nicht. Das Modell mit dem wir arbeiten ist spezifisch für Aktien und Anleihen gedacht, also Assets, die stetige Cash Flows liefern. Die kann ich bewerten. Am Ende sind Rohstoffe ein Spekulationsobjekt und das ist bei Aktien anders. Wenn die Aktienkurse einbrechen, bleiben mir zumindest vernünftige Dividendenrenditen. Über diese Erträge habe ich immer einen Ausgleich für die Risiken.
Sie haben über die Aktienquoten imPortfolio Total Return gesprochen. Wie mischen Sie die einzelnen Aktienmärkte?
Wesentliches Instrument ist für uns das Mehrfaktorenmodell, das davon ausgeht, dass es bei Aktien zusätzlich zur Marktprämie eine Small Cap und eine Value Prämie gibt. Da Emerging Markets ein Eigenleben führen, betrachten wir sie gesondert. Das heißt, dass wir sie als vierte Prämie betrachten. Alle vier Prämien gewichten wir gleich. Im Anschluss schauen wir, ob die einzelnen Risikoprämien normal oder anormal sind. Wir sind zum Beispiel im Moment bei Small Caps untergewichtet, weil wir hier ein anormal hohes KGV haben. Eine hohe Faktorprämie impliziert, dass die Kapitalkosten in einem bestimmten Segment überhöht sind, weil Investoren dieses Segment diskriminieren. Typischerweise ist die Prämie bei Small Caps höher als bei Large Caps, da sie es schwerer haben, an Kapital zu kommen. Die Faktoranalysen führen dann zur Über- oder Untergewichtung von Subsegmenten, aber immer in überschaubaren Maßen. Das bedeutet, dass Small Caps nicht ganz aus dem Portfolio verschwinden, sondern nur reduziert werden.