Die vergangenen sechs per Saldo sehr freundlichen Börsenjahre haben Anlegern viele Anlässe gegeben, Sorglosigkeit zu entfalten. Zugegeben: europäische Investoren wurden zeitweilig von der Eurokrise etwas durchgeschüttelt, und 2013 gab es auch in diversifizierten globalen Portfolios eine ruppige Phase im Zuge der Debatte um steigende Zinsen in den USA. Insgesamt war die Zeit zwischen Frühjahr 2009 und Juni 2015 aber eine phantastische Phase für Aktien- und Obligationenanleger.
Die letzten Wochen dürften viele Anleger ins Grübeln gebracht haben. Die heftige Korrektur an den globalen Aktienmärkten mit deftigen Verlusten --- Intraday brach der deutsche Leitindex DAX an diesem Montag um gut sieben Prozent ein --- hat viele Investoren dazu gebracht, über Absicherungstrategien nachzudenken. „Soll ich einen Teil meines Portfolios umschichten und eine Absicherungskomponente einfügen?“ war eine Frage, die uns in den vergangenen Tagen mehrfach erreichte. „Welche Fonds eignen sich als Schutz in Bärenmärkten, und wie hoch soll der Anteil in einem langfristig angelegten Portfolio sein?“, haben uns auch einige Anleger gefragt.
Natürlich sind diese Fragen alles andere als trivial. Es gibt keine allgemeingültigen „Wahrheiten“, die sich für die Portfolios aller Anleger anwenden lassen. Aber dennoch will ich es mit einer recht kruden Antwort versuchen: Nein. Sie sollten den China-Schreck der vergangenen Wochen nicht zum Anlass nehmen, eine systematische Absicherung in Ihr Portfolio einzubauen!
Auf den Punkt gebracht: Wer einen Bärenmarktfonds jetzt in sein langfristig ausgerichtetes Portfolio hineinkauft, wettet im Endeffekt gegen seine eigene Anlagestrategie. Volatilitäten gehören nun einmal zum täglichen Brot des Langfristanlegers dazu, auch wenn die vergangenen sechs Bullenjahre dazu angetan waren, Anlegern vergessen zu machen, dass es auch regnerische Tage an den Märkten gibt. (Sollten Sie nach den jüngsten Verlusttagen Ihre Investment-Ziele dagegen ernsthaft in Gefahr sehen, dann spricht das dafür, dass Ihr Portfolio auch vor der Korrektur eine --- wie auch immer geartete --- Unwucht aufgewiesen hat. Dann sollten Sie sich unbedingt mit Ihrem Berater unterhalten!)
Das oben gesagte spricht natürlich nicht dagegen, dass Sie eine gewisse Cash-Quote im Portfolio vorhalten und auch nicht gegen sichere Bundesanleihen, die sich bislang als hervorragende Diversifizierer in Krisenzeiten erwiesen haben. Aber derartige Instrumente sollten sowieso Teil eines gut diversifizierten Portfolios sein, da man auch als Aktienliebhaber bekanntlich nicht alles auf eine Karte setzen sollte.
Ich finde, dass die Morningstar Benchmark für flexible und ausgewogene Mischfonds, 50% Aktien (in Gestalt des FTSE World, der aber getrost mit dem MSCI World ersetzt werden kann, und 50% Renten (Barclays EUR Aggregate) nach wie vor eine gute Messlatte für typische, diversifizierte und langfristig ausgerichtete Anlegerportfolios darstellt. (Anleger können --- je nach Anlagehorizont bzw. Risikoneigung --- die Aktienquote herauf- oder herabsetzen.)
Insofern sollte die Frage jetzt nicht lauten, ob nun Gold, Vola-Long-Instrumente oder Short-Produkte (von denen es vor allem im ETF-Segment viele Auswahlmöglichkeiten gibt) die beste Versicherung ist und was man dafür aus dem Portfolio werfen sollte. Kaum ein Investor ist ein guter Markt-Timer, und prozyklisch in Krisenzeiten zu agieren, ist selten eine gute Entscheidung. Langfristanleger sind in der Regel besser beraten, klare Kante zu zeigen und volatile Tage als Gelegenheit zu sehen, um günstig einzukaufen. Die alte Kaufmännische Regel, wonach der Gewinn im Einkauf gemacht wird, gilt vor allem an der Börse.