Es ist kein Wunder, dass etliche Fondsmanager auf chinesische Festlandsaktien aufmerksam geworden sind. Die so genannten A-Aktien waren lange Zeit nur für wenige ausländische Investoren zugänglich, was die Phantasie entfachte. Nach längerer Zeit mit mäßiger Performance schossen die Kurse der A-Aktien ab Herbst 2014 regelrecht die Decke. Es folgte eine schmerzhafte Korrektur.
Wie unsere aktuelle Untersuchung zutage gefördert hat, waren bisher nur wenige Schwellenländerfonds (ex China-Fonds) bei A-Aktien „dabei“ (lesen Sie hier mehr).
Wir wollten nunmehr wissen, wie die Manager der Schwellenländerfonds, die substanziell in A-Aktien investiert sind und deren Benchmarks dies nicht nahelegen, das Potenzial der Börsen in Shenzhen und Shanghai einschätzen. Wir haben in einer Umfrage auch ermittelt, wie die Manager auf die scharfe Korrektur im Juni und Juli reagiert haben und was die Portfolio-Lenker von der jüngsten staatlichen Intervention zur Stabilisierung der Aktienmärkte halten.
Zur Erinnerung: Die jüngsten Maßnahmen der chinesischen Behörden waren eine Zinssenkung um 0,25% auf nunmehr 4,85%, die Aufhebung von Limits für kreditfinanzierte Aktienkäufe (margin lending) und ein Stopp neuer Börsengänge. Zeitweilig wurde sogar der Handel von großen Teilen der in Shenzhen und Shanghai gelisteten Aktien ausgesetzt.
Auch wenn die Talfahrt der A-Aktien vor gut einer Woche gestoppt wurde, wollten wir innehalten und die Meinung der Portfoliolenker einfangen, die bisher offenbar große Hoffnungen auf A-Aktien gesetzt haben.
Zunächst haben wir die Manager nach den Gründen ihrer Investition in A-Aktien gefragt. War es nur eine opportunistische Wette, oder sehen sie langfristig Werthaltigkeit in diesem Segment? Zudem wollten wir wissen, ob nicht so genannte Red Chips und das H-Aktiensegment in Hongkong oder das B-Segment eine sicherere Wahl sei.
„Attraktivität des Segments überwiegt die Risiken“
„Natürlich sind wir uns bewusst, dass dieses Off-Benchmark-Investment Risiken beinhaltet, aber für uns steht nicht das Segment als solches, sondern attraktive Firmen im Vordergrund“, sagt David Park, Fondsmanager des Carmignac Emergents. Zudem seien Aktie wie Shanghai Airport, Qingdao Haier oder Yutong Bus im Vergleich zu globalen Wettbewerbern attraktiv bewertet. Um das Potenzial der favorisierten A-Aktien auszuschöpfen bzw. Verluste zu vermeiden, sei der zugrunde liegende Markt derzeit im Carmignac Emergents vollständig abgesichert. Ein Vorteil des A-Aktienmarkts gegenüber den so genannten H- und Red Shares in Hongkong sei die deutlich grössere Tiefe und Breite, so Park.
Per Ende Juni waren A-Aktien im Carmignac Emergents zu rund 9% gewichtet. Derzeit hält der Fonds kein Morningstar Analyst Rating. Nach dem Weggang des langjährigen Fondsmanagers Simon Pickard haben unsere Fondsanalysten den Fonds Ende Februar auf „Unter Beobachtung“ gesetzt.
Nick Price, Fondsmanager der beiden global investierenden Fonds Fidelity Fast Emerging Markets und Fidelity Emerging Markets, nennt ähnliche Punkte wie der Carmignac Portfolio-Lenker. Das A-Aktien-Segment biete nach wie vor attraktive Gelegenheiten, auch wenn der Gesamtmarkt teurer sei als etwa das H-Aktiensegment. In den vergangenen Jahren habe man die Zahl der Aktien-Analysten für chinesische Unternehmen erhöht, sodass die Fidelity Portfoliomanager in der Lage seien, die potenziellen Outperformer im A-Aktiensegment zu identifizieren. Ob man investiere, hänge vom Unternehmen ab und nicht davon, ob es sich im A- oder H-Segment befinde oder ob man es als ADR im Ausland kaufe.
Die von Price verantworteten Fonds sind derzeit jeweils zu rund 1% in A-Aktien investiert. Der Fidelity Emerging Markets Fund trägt das Morningstar Analyst Rating „Bronze“.
Deutlich höher sind die Gewichtungen von A-Aktien in den regional investierenden Fonds Fidelity Asian Special Situations und Fidelity South East Asia, die von Suranjan Mukherjee bzw. Dhananjay Phadnis verwaltet werden. In dem mit „Neutral“ bewerteten Fidelity Asian Special Situations machen A-Aktien 3,5%, in dem mit „Bronze“ ausgezeichneten Fidelity South East Asia 4,4% des Fondsvermögens per Ende Mai aus. Auch Mukherjee und Phadnis sehen attraktive Chancen bei chinesischen Inlandsaktien. Sie heben hervor, dass sie nur dann in Shanghai oder Shenzhen investieren, wenn die Unternehmen nicht in Hongkong gelistet seien bzw. auf dem Festland zu günstigeren Kursen als die Offshore Listings notierten.
„Wir sind der Meinung, dass A-Aktien einen diversifizierteren Zugang bieten und die chinesische Wirtschaft besser widerspiegeln als die in Hongkong gelisteten H-Aktien“, sagt Stephen Burrows von Pictet Asset Management. Auch wenn A-Aktien nicht in der Benchmark des Pictet Emerging Markets oder Pictet Asian Equities Ex Japan enthalten seien, zählten für Pictet A-Aktien zum investierbaren Universum dieser Produkte. Letzterer Fonds ist derzeit mit 8,1% des Fondsvermögens in A-Aktien investiert.
„Wir achten sehr stark auf Bewertungen, deshalb sind wir bei A-Aktien sehr selektiv“, hebt Wim-Hein Pals, Manager des Robeco Emerging Markets Equities hervor. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis der Aktien, die in dem Fonds landeten, schwanke zwischen 5 und 12. Auch wenn die A-Aktien im Fonds nicht so stark gestiegen seien wie der gesamte Markt, hätten sich die Verluste seit Ende Mai in Grenzen gehalten. Der Fonds, der das Morningstar Analyst Rating „Bronze“ trägt, hatte per Ende Mai 8,5% des Fondsvermögens in Festlands-Listings investiert.
Für den Robeco-Fondsmanager steht das selektive Vorgehen im Vordergrund. Man jage nicht den modischen Firmen hinterher, die viel zu hoch bewertet seien. Das Gros des China-Exposures in allen global investierenden Robeco-Schwellenländerfonds sei im Übrigen mit H-Aktien aus Hongkong abgedeckt, so Wim-Hein Pals, der zugleich das Emerging Markets Team bei der niederländischen Gesellschaft verantwortet.
Wie haben Sie auf die Korrektur bei A-Aktien reagiert?
Die Antwort auf die Frage, ob die jüngste Korrektur eine veränderte Haltung zu diesem Segment bewirkt und sich in Portfolio-Umschichtungen manifestiert habe, fällt differenziert aus. „Wir haben Gewinne mitgenommen und im Gegenzug in Standardwerte investiert“, so Robeco-Manager Pals. Per Saldo wies der von ihm verwaltete Fonds bis Ende Mai eine parallel zum steigenden Markt kontinuierlich wachsende Quote an A-Aktien auf.
„Dass eine Korrektur kommt, haben wir erwartet, nicht aber ihre Breite und Schärfe“, sagt Investment Manager Burrows von Pictet Asset Management. Zu Beginn der volatilen Phase habe man in einigen A- und H-Shares-Positionen Gewinne mitgenommen, zuletzt habe man aber im Zuge der Kursrückgänge einige Positionen wieder aufgebaut.
Dagegen habe man bei Carmignac die Positionen per Saldo reduziert, so David Park, was allerdings nicht durch die Korrektur bedingt war, sondern wegen der maximalen Renminbi-Quote von 10%. Laut unseren Daten sank die A-Quote im Carmignac Emergents zwischen März und April, also bis einige Zeit vor der Korrektur, tatsächlich um 2 Punkte auf 9,6%, die dann per Ende Mai erneut auf 9,0% zurückging.
Man handle nicht aus Timing-Gründen, heißt es bei Fidelity. Eine Position sei im Fidelity Asian Special Situations verkauft worden, nachdem das Kursziel erreicht worden sei, ansonsten habe man nicht verkauft.
„Bedenklicher Interventionismus“
So positiv der Ausblick der Fondsmanager für chinesische A-Aktien mittel- und langfristig sein mag, so eindeutig ist auch die negative Einschätzung der staatlichen Eingriffe. „Die Maßnahmen sind allenfalls dazu angetan, kurzfristig die Lage zu stabilisieren, langfristig werden sie eine negative Wirkung haben“, so Wim-Hein Pals. Er erwartet allerdings, dass solche Maßnahmen dann nicht mehr in Frage kämen, wenn die A-Aktien in MSCI- und anderen globalen Indizes Eingang finden.
Pessimistischer gibt sich Stephen Burrows von Pictet. „Die erwartete Liberalisierung des Kapitalmarkts in China scheint heute nicht mehr so sicher wie bisher. Auch die Privatisierungspläne der Regierung erschienen derzeit weniger wahrscheinlich als bisher. Die Aufnahme von A-Shares in die globalen MSCI-Indizes könne sich infolgedessen verzögern, heißt es bei Pictet.
Wollen Anleger in der Wildwest-Phase dabei sein?
„Wir halten nichts von derartigen Marktmanipulationen“, sagt David Park von Carmignac. Dies sei „ein Zeichen nicht in diesen Markt zu investieren“. Allerdings gibt er sich zuversichtlich, dass derartige Eingriffe nicht von langer Dauer sein würden. „Die chinesische Führung muss sich damit abfinden, dass die Märkte aufgrund der überbordenden Liquidität zu weit gelaufen sind und die Korrektur eine Rückkehr zu fundamental besser zu rechtfertigenden Bewertungen bedeutet.“
Wenig überraschend geben sich auch die Fidelity Fondsmanager sehr kritisch. „Solche Interventionen verzerren die Märkte“, kritisiert Nick Price und fügt sogleich hinzu: „Allerdings sind wir langfristig für chinesische Aktien positiv gestimmt“.
Damit sprechen die Carmignac- und Fidelity-Fondsmanager genau die beiden Punkte an, die Anleger gegeneinander abwägen müssen. Wollen sie zu den Pionieren gehören, die einen jungen, wachsenden Aktienmarkt erschließen, dann können sie an den Chancen dieses Marktes teilhaben. Aber das bringt auch so manche Risiken mit sich, die in entwickelten, gut regulierten Märkten undenkbar wären.
Es muss allerdings nicht auf eine Top-oder-Flop-, auf eine Alles-oder-nichts-Entscheidung hinauslaufen. Vermutlich dürfte für risikobereite Halbpioniere ein einigermaßen wohltemperierter Zugang über breit gestreute Fonds eine adäquate Lösung sein. Wie unsere Beispiele zeigen, investieren etliche Fonds in mehr oder weniger wohldosiertem Umfang in A-Shares. Das könnte eine gangbare Möglichkeit für risikobereite Anleger darstellen. Zu beachten ist allerdings auch, dass der chinesische Aktienmarkt, egal, ob es sich um A-, B-, H- oder Red Shares handelt, per se hohe Risiken in sich birgt. Auch risikotolerante Anleger sollten in Rechnung stellen, dass in tiefschwarzen Marktphasen auch diversifizierte Portfolios nur begrenzt vor schmerzhaften Verlusten schützen.