In unserer großen Fondsbilanz 2014 haben wir zunächst ein Blick auf die grossen Asset-Klassen geworfen, danach die Absatzbilanz nach Morningstar Kategorie aufgeschlüsselt und danach die Gewinner und Verlierer nach Fondsanbieter gezeigt. Kommen wir zum Schluss zur Vertriebsbilanz der größten europäischen Publikumsfonds (ex Geldmarkt und ex ETFs). Dass diese Produkte regelmäßig die höchsten Zu- und Abflüsse auf sich vereinen, ist eine wenig überraschende Erkenntnis - Grossen gebührt nun einmal Grosses!
Interessant ist freilich, dass sich manche Produkte immun zeigen gegen zwischenzeitliche Performance-Schwächephasen, während Anleger bei anderen Produkten schon beim ersten Anzeichen eines herannahenden Trend-Bruchs mit den Füßen abstimmen. Diesem Phänomen wollen wir nun nachgehen.
Illustrieren lässt sich dieses Paradoxon bereits beim ersten Fonds unserer Auswahl in der Tabelle; der M&G Optimal Income Fund hat ungeachtet einer deutlichen Underperformance gegenüber einem 75:25 Aktien-Renten-Index und einer leicht schwächeren Wertentwicklung als die Peergroup im abgelaufenen Jahr alle Rekorde gebrochen: 8,9 Milliarden Euro wurden netto 2014 in diesesn defensiven Mischfonds investiert. Allein im Mai waren es gut eine Milliarde Euro. Er ist mittlerweile der grösste Langfristfonds in Europa.
Tabelle: Absatzbilanz der grössten Publikumsfonds in Europa (ex Geldmarkt)
Auffällig ist dabei, dass mit 7,26 Milliarden Euro das Gros der Mittel aus dem Euroraum stammen, nur 163 Millionen Euro kamen von Anlegern aus dem Heimatmarkt des Fonds, Grossbritannien. Fondsmanager Richard Woolnoogh, so hat es den Anschein, kann offenbar auf Wasser laufen! Dieser Trend hat sich übrigens 2015 fortgesetzt. Wie aus unseren Daten hervorgeht, wurden noch einmal knapp 570 Millionen in den Fonds investiert. Aus der Perspektive von Euro-Investoren lag der Fonds übrigens im Januar mit einem Plus von 4,7% deutlich hinter Benchmark (270 Basispunkte) und Peergroup (160 Basispunkte). Nur 1,25% des Fondsvermögens waren per Ende 2013 in Aktien investiert, netto 65% stecken in Bonds (vorwiegend in Emissionen mit Ratings von „BBB“ und „AA“), 32,5% in Cash.
Guy Stern und Richard Woolnough können offenbar auf Wasser gehen
Ähnlich ist der Fall beim SLI Global Absolute Return Strategies (GARS) gelagert. Ungeachtet der Tatsache, dass in den vergangenen 18 Monaten gleich zweimal wichtige Mitglieder des Management Teams von Bord gegangen sind und der Fonds 2014 im 58. Perzentil der alternativen Multistrategy Funds gelandet ist, fließen die Anlegergelder stetig – und in großem Umfang. 2014 beliefen sich die Zuflüsse auf 2,88 Milliarden Euro, im Januar 2015 waren es noch einmal 645 Millionen Euro. Die Hype bei alternativen Fonds bzw. Mischfonds zeigt sich am Beispiel dieses Fonds besonders deutlich – sowohl bei Anlegern, die derartige Vehikel kaufen, wie auch bei den Anbietern solcher Produkte, die sich gegenseitig die Management-Teams abjagen!
Drückt Hasenstab-Engagement in der Ukraine die Anlegerstimmung?
Anders das Bild dagegen bei den von Michael Hasenstab verantworteten Fonds Templeton Global Bond Fund und Templeton Global Total Return Fund. Beide Fonds haben einen Großteil ihres Vermögens in Schwellenländern investiert. Beide gerieten im Zuge der sogenannten Tapering-Debatte in den USA 2013 unter Druck; Anleger ließen aufgrund der Aussicht auf steigende Zinsen in den USA beide Fonds fallen wie heiße Kartoffeln. (Diese Befürchtungen waren unberechtigt, wie die Outperformance des Fonds 2013 zeigt, lesen Sie hier mehr zu den negativen Folgen prozyklischer Investments anhand des Beispiels der Hasenstab-Fonds.)
Als dann die Befürchtungen nicht bewahrheiteten kehrten Anleger im Laufe des vierten Quartals 2014 wieder zurück, nur um im Januar 2015 wieder Gelder abzuziehen. Vermutlich hat sich inzwischen herumgesprochen, dass Franklin Templeton der größte Investor in ukrainischen Bonds ist und Michael Hasenstab diese Staatspapiere in den beiden großen Bondfonds hoch gewichtet hat. Das dürfte viele Anleger nervös gemacht haben. Tatsächlich ist die Ukraine-Position in beiden Fonds mit unter 3,5% jedoch absolut gesehen relativ gering, und es handelt sich um US-Dollar Bonds, die nicht vom Verfall der ukrainischen Währung betroffen sind.
Dieses erratische Anlegerverhalten lässt darauf schließen, dass viele Anleger das Rendite-Risiko-Profil der Hasenstab-Fonds nur unzureichend verstanden haben – mit höchst negativen Folgen für ihre persönliche Performance.
AllianceBernstein ächzt unter High Yield Korrektur in den USA
Die hohen Abflüsse aus dem AB Global High Yield Portfolio in Höhe von 588 Millionen Euro folgen dem generellen Trend 2014 der lautete: US-Hochzinsfonds verkaufen! Die Abflüsse aus dem Invesco Perpetual High Income, der nicht im deutschsprachigen Raum zum Vertrieb zugelassen ist, waren wiederum ein Nachhall des Abgangs von Fondsmanager Neil Woodford vom Oktober 2013. Seitdem hat der Fonds 16 Monate in Folge Mittelabflüsse verzeichnet. Ein guter Teil der Gelder dürfte im CF Woodford Income Fund eine neue Heimat gefunden haben. Der erst im Juni 2014 aufgelegte Fonds wies per Ende Dezember ein Vermögen von gut 5,5 Milliarden Euro auf. Das zeigt, dass Fondsmanagerwechsel ein wichtiger Treiber für Geldflüsse in Fonds sind. Wann sie wirken und wie lange diese Managerwechsel-bedingten Flows anhalten, ist ein bisher nur wenig erforschtes Phänomen.
Sechs Erklärungsversuche für ausgeprägte Fund Flows
Und die Moral der Geschichte? Wie die oberen Beispiele gezeigt haben, gibt es etliche Treiber für markante Verkaufstrends bei Fonds. Zum einen spielt die Person des Fondsmanagers eine große Rolle. Verlässt ein prominenter Fondsmanager seinen Arbeitsplatz quittieren viele Anleger - vor allem die Profis - dies in aller Regel mit Geldentzug. PIMCO und Invesco Perpetual können davon ein Lied singen. Dabei folgen viele Anleger dem Star-Fondsmanager. Dies ist im oberen Beispiel von Neil Woodford zu beobachten, aber auch im Falle von Bill Gross, dem in den USA (in Europa bisher nicht) viele ehemalige PIMCO-Anleger zu Janus gefolgt sind. Auch der Abschied von Cormac Weldon führte zu hohen Abflüssen aus US-Threadneedle-Fonds.
Der zweite wichtige Grund für markante Mittelflussbewegungen sind Veränderungen in der Fonds-Performance. Beispiel Carmignac Patrimoine: Nach einer ausgeprägte Schwächephase stimmten immer mehr Anleger mit den Füßen ab, und die Abflüsse im vergangenen Jahr zeigen, dass Anleger Underperformer abstrafen. Aber die alte Liebe verblasst offenbar doch nicht ganz: Finden die ehemaligen Anlegerfavoriten zu alter Stärke zurück, folgen oft die Zuflüsse auf dem Fuss. Siehe das Beispiel des Carmignac Patrimoine im vierten Quartal 2014.
Dass das Fondsmanagement nicht zwangsläufig den entscheidenden Einfluss spielt, zeigt das Beispiel der GARS-Strategie von Standard Life. Hier fanden etliche Wechsel im Fondsmanagement seit Anfang 2013 statt. Das hat die Flows allerdings nicht beeinträchtigt. Offenbar vertrauen Marktteilnehmer manchen Fondshäusern, dass sie die personellen Verluste kompensieren können. Vermutlich spielt dabei allerdings die Frage eine Rolle, ob der Kopf eines Teams geht oder nur Mitglieder aus der zweiten Reihe.
Die Frage, in welcher Asset Klasse ein Fonds unterwegs ist, dürfte auch das Tempo der Flows prägen. Volatile, "heisse" Vertriebsgeschichten bewirken hohe Zu- oder Abflüsse - je nach Performance des zugrunde liegenden Markts. Schwellenländer-Aktien und -Bonds sind zwei Beispiele für Asset-Klassen, die zwei wichtige menschlichen Affekte, Gier und Angst, besonders ansprechen.
Deutlich träger reagieren Anleger indes bei Veränderungen in den Performance-Mustern bei wenig volatilen Marktsegmenten, die prinzipiell dem Risikoprofil vieler Anleger entsprechen. Anleger verzeihen beispielsweise defensiven Mischfonds offenbar auch länger anhaltende Schwächephasen. Paradabeispiel hierfür ist der Fonds ETHNA-Aktiv, der seit 2011 konstant hinter seiner Morningstar Benchmark liegt und sich dennoch hoher Mittelzuflüsse erfreut. Auch der M&G Optimal Income Fund lag 2014 und auch Anfang 2015 deutlich hinter seiner Benchmark, ohne einen Rückgang der Zuflüsse oder gar Mittelabflüsse hinnehmen zu müssen. Dass es Gegenbeispiele gibt, zeigt der defensive Mischfonds Bantleon Opportunities, der 2014 im Zuge einer deutlichen Underperformance hohe Abflüsse verzeichnete. Merke: Anleger nehmen offenbar so manche Schwäche hin, tolerieren bei konservativen Produkten aber keine negative Performance.