Nach einer langen Durststrecke hat das Mischfonds-Flaggschiff von Carmignac Gestion, der ausgewogene Fonds Carmignac Patrimoine, 2014 wieder einiges an Boden gut gemacht, auch wenn die nicht währungsgesicherte Haupttranche des Fonds im Zuge der dramatischen Aufwertung des Franken Anlegern in der Schweiz Verluste bescherte (Die sehr kleinvolumige CHF Hedged Tranche machte Anlegern dagegen sehr viel Freude). Der Fonds lag 2014 deutlich vor seiner Vergleichsgruppe und ist auch sehr gut ins neue Jahr gestartet. Der Fonds hatte lange Zeit unter seiner Übergewichtung von Rohstoff- und Emerging Markets-Aktien gelitten, und auch nach der inhaltlichen Neuausrichtung des Fonds Anfang 2013 verabschiedeten sich viele Anleger von dem Fonds. Doch der Wind hat sich gedreht, und seit dem vierten Quartal 2014 verbucht der Carmignac Patrimoine wieder Mittelzuflüsse. Wir trafen Didier Saint-Georges, Managing Director und Mitglied des Carmignac-Investmentkomitees, Ende Januar am Rande des Fondskongresses in Mannheim. Natürlich ging es dabei nicht nur um die Aufstellung der Carmignac-Fonds, sondern auch um die großen Makro-Fragen, vor allem um die Folgen der ultralockeren Geldpolitik der Notenbanken für Investoren -- und welche Schlussfolgerungen zu ziehen sind.
Herr Saint-Georges, wie bewerten Sie die Implikationen des Anleiherückkaufprogramms der Europäischen Zentralbank? Auf den ersten Blick soll der Ankauf von Staatsanleihen und anderen Bonds im Volumen von 1.100 Milliarden Euro die Wirtschaft und damit auch die Inflation ankurbeln. Auf den zweiten Blick scheint die EZB das anzufachen, was so martialisch als „Währungskrieg“ bezeichnet wird. Befinden wir uns tatsächlich in einem Währungskrieg in dem Sinne, dass die gezielte Schwächung des Euro Teil der EZB-Strategie ist?
Das sehe ich auf jeden Fall so. Natürlich kann die EZB jederzeit auf ihr Mandat, ein Inflationsziel von rund 2%, verweisen, und das ist in der Tat in Gefahr. Um das Inflationsziel zu erreichen, muss das Wachstum der Realwirtschaft angekurbelt werden, in erster Linie mit niedrigen Zinsen, und Investoren sollen mit dem jüngst verkündeten Anleihenrückkaufprogramm in riskantere Anlageklassen getrieben werden. Irgendwann, so die Hoffnung, wird sich der Wohlstandseffekt in höheren Preisen niederschlagen.
Soweit die offizielle Linie. Wie sieht die verborgene Agenda aus?
So sehr verborgen ist die nicht, denke ich. Auch wenn es die EZB nie offiziell zugeben würde, baut sie schon darauf, dass der Euro geschwächt wird und somit die Währung als eine Art monetärer Transmissionsriemen wirkt. Doch egal, ob gewollt oder nicht: Im Ergebnis ist die EZB mit ihrem QE-Programm eine Partei im globalen Währungskrieg der Notenbanken geworden.
Auch wenn es die EZB nie offiziell zugeben würde, baut sie schon darauf, dass der Euro geschwächt wird und somit die Währung als eine Art monetärer Transmissionsriemen wirkt
Welche Folgen sehen Sie?
Viele Beobachter erwarten, dass wir nun einen exportgetriebenen Aufschwung im Euroraum sehen werden - auf Kosten der USA. Einige US-Unternehmen leiden auch bereits unter der Dollar-Stärke. Aber das ist kein nachhaltiger Weg zurück zu mehr Wachstum. Dieser Abwertungswettlauf der Währungen wird das globale Wachstum nicht ankurbeln, vielmehr schieben die Eurozone und Japan den anderen Regionen den Schwarzen Peter zu – sie exportieren ihren deflationären Druck; mit der Schwächung des Euro mag die EZB kurzfristig ein konjunkturelles Strohfeuer in der Eurozone erzeugen, globales Wachstum entsteht dadurch aber sicher nicht. Genau das wäre aber wirklich wichtig; statt im währungspolitischen Klein-Klein zu verharren, sollte das globale Wachstum angekurbelt werden. Nicht zuletzt wäre das für die Europäer mit ihren sehr offenen Volkswirtschaften von entscheidender Bedeutung.
Wenn in erster Linie die anderen großen Währungsräume unter der Politik der EZB leiden, dann stellt sich die Frage, wie lange die USA still halten werden. Die ultra-lockere Politik der Bank of Japan hat schon den Yen stark unter Druck gesetzt, jetzt macht die EZB den US-Exporteuren das Leben schwer. Wann handelt die FED?
Es dürfte noch eine ganze Weile dauern, bis die Schmerzgrenze für die US-Wirtschaft erreicht ist und die US-Notenbank sich zum Handeln gezwungen sieht. Eine direkte Antwort der FED scheint mir auch deshalb sehr unwahrscheinlich, weil die Amerikaner die geldpolitische Lockerung, die wir heute in Japan und der Eurozone sehen, praktisch erfunden haben und deshalb auch Verständnis für die Schritte der EZB aufbringen. Und da die US-Wirtschaft in den vergangenen zwei Jahren an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen hat, nimmt man in den USA eine starke Währung in Kauf. Ich will aber nicht ausschließen, dass die FED insofern reagiert, dass sie die erste Zinserhöhung nicht im Sommer vornimmt, sondern auf den Herbst verschiebt.
Wenn die FED doch dergestalt reagiert – und sei es nur durch die Verschiebung einer vermutlich sehr behutsamen geldpolitischen Straffung, dann stellt sich die Frage nach der Robustheit des US-Aufschwungs.
Diese Frage treibt uns auch um. Wir sind skeptisch. Ich bin nicht der Meinung, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr stark wachsen wird. Viele Beobachter prognostizieren ein BIP-Wachstum von 3%. Das halte ich für übertrieben optimistisch. Ja, die Arbeitslosigkeit nimmt ab, aber auf der anderen Seite stagnieren die Reallöhne: der Median verharrt sogar auf dem Niveau von 1990! Auch der Investitionszyklus scheint nicht so richtig anzuspringen. Die Auftragseingänge für langlebige Güter, ein guter Indikator für das künftige Wachstum, entwickeln sich schon seit Monaten eher bescheiden. Mit anderen Worten: Man sollte die US-Wirtschaft nicht überschätzen. Nicht zuletzt deshalb, weil das globale Setting nicht ermutigend ist: Die japanische Konjunktur schwächelt, ebenso wie die Schwellenländer, und Europa hat noch längst nicht den Wachstumspfad beschritten. Die FED könnte also einige gute Gründe finden, ihre Geldpolitik nicht allzu schnell zu straffen.
Ich bin nicht der Meinung, dass die US-Wirtschaft in diesem Jahr stark wachsen wird. Viele Beobachter prognostizieren ein BIP-Wachstum von 3%. Das halte ich für übertrieben optimistisch
Welche Schlussfolgerungen sollten Investoren für ihre Asset Allocation ziehen? Die Politiken der Notenbanken führen vermutlich nicht nur langfristig zu Asset-Preis-Blasen, sie erhöhen auch kurzfristig die Volatilität an den Kapitalmärkten. Man denke nur an die Folgen der Entkoppelung des Schweizer Franken vom Euro Mitte Januar. Ist nicht Diversifikation der beste Schutz vor solchen Turbulenzen?
Ich stimme Ihnen vollkommen zu, dass die Unsicherheit im Zuge der Dominanz der Kapitalmärkte durch die Notenbanken zugenommen hat, zumal die Märkte in einem stagnierenden Wachstumsumfeld viel anfälliger für geopolitische Schocks sind, als das bei einer robusten Weltwirtschaft der Fall wäre. Alle Hoffnungen hängen an den Zentralbanken! Das Risiko besteht, dass bei einem Ausbleiben wirtschaftspolitischer Reformen sich im Laufe der Zeit immer mehr Investoren die Frage stellen werden, ob die Notenbanken wirklich Wunder bewirken können.
Das Wunder hat einen Namen: Liquidität!
Ja, das einzige Lösungsangebot, das ich vernehme, ist Liquidität, Liquidität und noch mehr Liquidität. Wie gesagt: Ein explizites Ziel der ultralockeren Geldpolitik vieler Notenbanken ist es, Investoren in Risiko-Assets zu treiben…
Was angesichts der nicht mehr vorhandenen Zinsen tatsächlich die Lösung ist: Aktien statt Cash, High Yields statt niedrig verzinste Bonds hochqualitativer Emittenten.
Bis zu einem gewissen Punkt schon, aber auf keinen Fall undifferenziert. Ja, Aktien sind tatsächlich ein guter Ausweg, aber Anleger müssen diskriminieren. Die Schlussfolgerung, dass man heute in Zeiten expansiver Geldpolitik mit niedrig bewerteten Unternehmen nichts falsch machen kann, halte ich für falsch und auch für gefährlich. Denn tief bewertet sind heute vor allem zyklische Titel. Wenn sich nun die globale Konjunktur nicht so positiv entwickelt, dann sind diese konjunktursensitiven Unternehmen zu Recht günstig bewertet. Ihr Kurspotenzial ist begrenzt. Wir bevorzugen solide, stetig wachsende Unternehmen aus den Konsum- und Pharmatitel sowie US-Technologieaktien, die nicht so stark vom Wohl und Wehe der Konjunktur abhängen und deren Cashflows sie weiterhin in die Lage versetzen werden, Dividenden zu zahlen. Zugegeben: die sind nicht mehr billig.
Das erinnert sehr stark an die „Nifty Fifty“, die großen Konzerne mit globalen etablierten Marken, die in den 1970er Jahren jeder haben musste.
Wir haben ja auch eine in mancher Hinsicht vergleichbare Situation: eine stagnierende Weltwirtschaft …
… am Ende hat das aber nichts genützt: Die exorbitant hoch bewerteten Qualitätsaktien wurden auch irgendwann abgestraft.
Nun ja, eine gute Investment-Idee muss nicht ewig aufgehen, aber für die nächsten Jahre wird sie halten, und ich erwarte eine klare Outperformance solcher Qualitätsaktien. Irgendwann muss man den Ausstieg finden, das ist klar, aber lieber in etwas teureren Qualitätsaktien investiert zu sein als blauäugig daran zu glauben, dass die USA zu alter Stärke zurückfindet und die EZB Europa zu einem Kickstart verhelfen wird. Blind in Risiko-Assets zu investieren wäre fahrlässig! Die Notenbanken können nicht das Problem der globalen Wachstumsschwäche lösen. Sie verschaffen der Politik lediglich den nötigen Spielraum, um Strukturreformen anzugehen. Davon sind aber gerade die Eurozone und Japan weit entfernt.
Wenn ich mir die Währungsallokation in Ihrem Flaggschifffonds Carmignac Patrimoine ansehe, dann ist das Bild recht ausgewogen: 50 bis 60% US-Dollar, je etwa 15% im Euro und Yen, 5% Sterling und etliche kleinere Positionen im mexikanischen Peso, der türkischen Lire und in der indischen Rupie.
Ja, das spiegelt unsere Sicht wider, dass der Dollar weiter zur Stärke tendieren wird. Das muss nicht unbedingt etwas mit der Zinsseite zu tun haben, sondern damit, dass der Dollar die globale Reservewährung ist. Für Euro-Investoren ist bei vielen Fremdwährungen derzeit keine Währungsabsicherung angebracht. Um in der martialischen Terminologie von Währungskriegen zu bleiben: Die EZB befindet sich gerade in der Offensive -- da halten wir gerne unsere Yen, Dollar oder Pfund-Positionen offen!
Wenn Sie von einer Stärke des Dollar ausgehen, zugleich aber der Stärke der US-Wirtschaft nicht trauen, dann müsste Sie das auf der Bond-Seite zu Treasuries führen: Sie sind nicht nur ein sicherer Hafen, sondern bieten die höchsten Renditen sicherer Bonds, und es winkt zudem noch der Währungsgewinn!
Absolut, wir gehen weiter von einer Abflachung der Zinsstrukturkurve in den USA aus und haben uns entsprechend in den zehnjährigen Treasuries positioniert, allerdings haben wir auch Vorkehrungen dagegen getroffen, dass sich die Falken in der FED durchsetzen und die Notenbank doch aggressiver als erwartet die Zinsen erhöht.
Wie sind die Portfolios Ihrer Flaggschiffe noch positioniert?
Wir haben über die Übergewichtung des US-Dollar und von Wachstumsaktien bereits gesprochen. Bei Bonds sind wir im High Yield Bereich nach wie vor recht konzentriert in europäischen Banken investiert, die im Gegensatz zu den Aktien der Häuser immer noch attraktiv sind. US-High Yields haben wir dagegen im Laufe des vergangenen Jahres stark reduziert. Das sind unsere großen Calls, die im vergangenen Jahr auch aufgegangen sind.
Bei Bonds sind wir im High Yield Bereich nach wie vor recht konzentriert in europäischen Banken investiert, die im Gegensatz zu den Aktien der Häuser immer noch attraktiv sind
Wo könnte die Reise hingehen?
Wir haben ja bereits ausführlich über die Währungsfrage gesprochen. Wenn wir nun davon ausgehen, dass die US-Dollar-Stärke nicht unbedingt mit einer geldpolitischen Straffung einhergehen muss, dann bedeutet das im Umkehrschluss, dass Schwellenländer nicht so stark gefährdet sind, wie es allgemein befürchtet wird. Seitdem Schwellenländerwährungen 2013 einen starken Einbruch erlitten hatten, gehen viele Beobachter davon aus, dass Emerging Markets die Achillesferse der Weltwirtschaft sind. Diese Gefahr hat sich meines Erachtens relativiert, sodass Schwellenländer-Bonds sich zu einer interessanten Anlageklasse entwickeln könnten. Das Gleiche gilt auch für so ziemlich alle Rohstoffe, also auch für Öl: Hier sehe ich den typischen Zyklus am Werk: Die Produktion wird aufgrund der Preisstürze deutlich zurückgefahren, und Angebot und Nachfrage kommen langsam wieder ins Lot. Dann könnten sich bei Rohstoffproduzenten interessante Einstiegsmöglichkeiten ergeben. Das bedeutet übrigens auch, dass US-Hochzinsanleihen wieder interessant werden könnten. Der Energiesektor macht einen großen Teil des Markts aus, und erholt sich der Ölpreis, dürften einige Papiere Potenzial haben.
Die Fragen stellte Ali Masarwah