Investoren stellen uns regelmäßig Fragen zu verschiedenen Risikobegriffen. Die Vielfalt ist verwirrend. „Kreditrisiko“, „Währungsrisiko“ und „Tail-Risiko“ sind nur einige von ihnen. Wir wollen in diesem Erklärtext diese und andere investitionsbezogenen Risiken präsentieren und ihre Relevanz für verschiedene Investorengruppen erläutern.
Zunächst einige klärende Worte vorweg. Das Risiko-Rendite-Prinzip gehört zu den zentralen Grundsätzen des Investierens. Einfach ausgedrückt: je höher das Risiko ist, das man bereit ist einzugehen, desto höher ist der potenzielle Gewinn. Aber Risiko kann in vielerlei Formen auftreten. Es sind in der Tat so viele, dass der Ausdruck für nahezu jede Unsicherheitsquelle angewendet werden kann. Während Sie dies lesen, könnten Sie sich selbst einem Karriererisiko aussetzen, indem Sie dies bei der Arbeit tun und ihr Chef denkt, dass Sie Zeitverschwenden, oder einem Augenermüdungsrisiko, wenn Sie vergessen ausreichend zu blinzeln.
Investoren neigen dazu, eine ausgewählte Palette an Risiken in Kauf zu nehmen – insbesondere solche mit dem Potenzial, direkt oder indirekt die Anlageperformance zu reduzieren. Einige Risiken wie das Konjunkturrisiko sind ziemlich breit ausgeprägt und beeinflussen mehrere Anlageklassen, während andere Risiken speziellerer Natur sind.
Nachdem Sie diesen Artikel gelesen haben, werden Sie natürlich andere Formen von Risiken in Ihrem täglichen Leben identifizieren – ein Eherisiko, wenn Sie wieder einmal den Hochzeitstag vergessen haben; das Risiko, Ihre Kinder zu enttäuschen, wenn Sie auf dem Weg nach Hause vergessen, Schokoladeneis im Supermarkt zu kaufen; ein Gesundheitsrisiko, wenn Sie zum zweiten Stück Kuchen "ja" sagen. Und so weiter. Diese Risiken unterliegen - mehr oder weniger - Ihrer Kontrolle . Beim Investieren geht es darum, die Risiken zu managen, die wir nicht kontrollieren können – einschließlich der folgenden –, das ist die eigentliche Herausforderung.
Kreditrisiko (Credit risk): Die Wahrscheinlichkeit, dass der Emittent einer Anleihe nicht in der Lage ist, seine Schulden zurückzuzahlen. Anleiheemittenten mit schlechter Bonität – also diejenigen, bei denen ein höheres Ausfallrisiko besteht, und diejenigen, die nicht in der Lage sind, ihren Verpflichtungen nachzukommen – müssen in der Regel höhere Renditen zahlen, um Investoren anzuziehen. Anleger müssen das mit einer Anleihe verbundene Kreditrisiko mit den potenziellen Auszahlungen im Zeitablauf abwägen.
Von besonderer Bedeutung für: Investoren in hochverzinsliche Anleihen (High Yield Bonds)
Währungsrisiko (Currency risk): Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Investition aufgrund von Änderungen der Wechselkurse an Wert gewinnt oder verliert, im Gegensatz zu anderen Faktoren wie den Fundamentaldaten des Unternehmens. So kann theoretisch der innere Wert einer Aktie oder Anleihe steigen, doch wenn die Währung, in dem das Investment besteht, gegenüber der Heimatwährung weit genug fällt, könnte der Preis des Vermögenswerts tatsächlich fallen, und umgekehrt.
Von besonderer Bedeutung für: international agierende Aktien- und Anleiheinvestoren.
Konjunkturrisiko (Economic risk): Die Auswirkungen, die eine negative Veränderung der Wirtschaft auf ein Investment haben könnte. Dies ist der am weitesten verbreitete Faktor aller Anlagerisikofaktoren.
Von besonderer Bedeutung für: Investoren, die vermehrt spekulative Anlagen wie zyklische Aktien besitzen.
Geopolitische Risiken (Geopolitical risk): Die Wahrscheinlichkeit, dass Ereignisse auf der Weltbühne die Performance einer Anleihe beeinträchtigen. Zum Beispiel können Turbulenzen im Nahen Osten dazu führen, dass die Ölpreise steigen, was zu einem Belastungsfaktor für das Wirtschaftswachstum und die Gewinne einiger Unternehmen werden kann. Oder eine Wahl in einem anderen Land könnte eine neue Regierung an die Macht bringen, die Regulierungen in einer bestimmten Branche lockert oder verschärft.
Von besonderer Bedeutung für: international agierende Aktien- und Bond-Investoren oder diejenigen, die Inhaber von Aktien heimischer Unternehmen sind, die einen erheblichen Teil ihres Umsatzes im Ausland erwirtschaften.
Inflationsrisiko (Inflation risk): Der Effekt, den weitgehende Preissteigerungen auf einen Vermögenswert haben. Insbesondere unterliegen einige Anleihen dem Inflationsrisiko, da sie einen festen Zinssatz haben und steigende Preise die Kaufkraft dieser festen Zinssätze und damit den Wert der Anleihe selbst untergraben. Einige Bindungstypen, einschließlich der inflationsgeschützten Anleihen (Treasury Inflation-Protected Securities; TIPS) sind konstruiert worden, um mit der Inflation Schritt zu halten und dieses Risiko abzusichern.
Von besonderer Bedeutung für: Bond-Investoren.
Zinsrisiko (Interest-rate risk): Die Auswirkungen, die von einem Anstieg der geltenden Zinssätze ausgehen. Dies hat auf den Wert von Anleihen einen sehr starken Einfluss. Wenn die Zinsen steigen, fallen die Werte der bestehenden Anleihen. Die Sensitivität, mit der ein Anleihefonds bzw. Rentenfonds auf Zinsbewegungen reagiert, wird durch eine Metrik ausgedrückt, die Duration (duration) genannt wird und die die durchschnittliche Kapitalbindungsdauer in einem festverzinslichen Wertpapier widerspiegelt. So fällt der Wert eines Rentenfonds mit einer mittleren effektiven Duration von 5 Jahren für jeden Prozentpunkt, den die Zinsen steigen, um 5 % seines Wertes (mit der Fondsrendite werden die Verluste etwas kompensiert). Auch inflationsgeschützte Anleihen wie TIPS können an Wert verlieren, wenn die Zinsen steigen. Steigende Zinsen können ebenso Aktien belasten, da Investoren nach höheren Renditen suchen, um das Risiko zu rechtfertigen, das sie mit einer Aktienanlage in Relation zu sogenannten sicheren Investitionen übernommen haben. Die Tatsache, dass steigende Zinsen in Zeiten wirtschaftlicher Expansion auftreten, hilft bei vielen Wertpapieren oft, die Einbußen etwas auszugleichen. Dividende zahlende Aktienunternehmen, die wirtschaftlich weniger empfindlich reagieren, können stärker negativ beeinflusst werden, da das Cashflow-Wachstum auch in einer robusten Wirtschaft bescheiden bleiben kann. (Josh Peters von Morningstar bespricht das Zinsrisiko und die Dividendenrendite in diesem Video.)
Von besonderer Bedeutung für: Anleger, die Anleihen und dividendenorientierte Aktien besitzen.
Langlebigkeitsrisiko (Longevity risk): Im persönlichen Finanz-Sprachgebrauch das Risiko, sein eigenes Geld zu überleben. Die Berechnung, wie viel eine Person für die Rente sparen muss, erfordert Gewichtungsfaktoren wie Sparquoten, Einkommensbedarf im Rentenalter und die Lebenserwartung. Das Risiko, dass man über einen Zeitpunkt hinaus lebt, bis zu dem man die finanziellen Mittel hat, um sich selbst zu finanzieren, wird als eine Art Langlebigkeitsrisiko bezeichnet.
Von besonderer Bedeutung für: Jeden, der für den Ruhestand spart.
Marktrisiko (Market risk): Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Anlage an Wert verliert, da allgemeine Aspekte auch ähnliche Wertpapiere treffen, im Gegensatz zu spezifischen Ursachen bei Investitionen. So können die Aktien eines Unternehmens, das gut läuft, während eines schweren Markteinbruchs oder Rückgangs im Branchensektor des Unternehmens trotzdem an Wert verlieren.
Von besonderer Bedeutung für: alle Investoren.
Extremrisiko (Tail risk): Die Möglichkeit, dass ein sehr unwahrscheinliches Ereignis eintritt. Der Begriff bezieht sich auf das Verteilungsmuster der möglichen Ergebnisse einer Glockenkurve, mit der geringsten Wahrscheinlichkeit dieser Ergebnisse auf der linken Seite der Kurve, die dort wie eine dünne Schwanzflosse aussieht. Im Finanzjargon steht der Begriff als Kürzel für ein sehr unwahrscheinliches, gleichwohl nicht unmögliches Ereignis. Beispiele wären eine weitere globale Finanzkrise, eine Naturkatastrophe oder eine unerwartet heftige Unwettersaison.
Von besonderer Bedeutung für: alle Investoren.